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"Sie wird die Frontfrau des Damen-Teams sein"

Klare Worte sind das vom Biathlon-Bundestrainer - die Denise Herrmann nicht gefallen. Mit der neuen Rolle hat die Frau aus dem Erzgebirge so ihre Probleme.

Von Daniel Klein
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Unter neuen Vorzeichen startet Denise Herrmann in die neue Saison.
Unter neuen Vorzeichen startet Denise Herrmann in die neue Saison. © dpa/Angelika Warmuth

Die Erinnerungen werden zurückkommen, das lässt sich gar nicht vermeiden. Und es sind ja angenehme, die Denise Herrmann mit Östersund verbindet. Dort gewann sie im November 2017 ihr erstes Weltcup-Rennen als Biathletin, dort holte sie im vergangenen Winter ihre ersten Medaillen und den ersten WM-Titel nach ihrem Umstieg vom Skilanglauf. Nun ist sie endgültig angekommen in der Weltspitze.

An diesem Samstag beginnt die neue Saison im schwedischen Östersund und Herrmann hat viel erzählen müssen über die so erfolgreichen WM-Tage, die neun Monate zurückliegen. Und dabei hat sie gespürt, dass man nun etwas anders auf sie schaut als noch Ende 2016, als sie ihre ersten Gehversuche mit einem Gewehr auf dem Rücken unternahm. Der gewonnene Medaillensatz ist daran nicht allein schuld.

Nach dem Rücktritt von Laura Dahlmeier wird deren Nachfolgerin gesucht. Es gehört zu den Eigenheiten im Spitzensport, dass Medien eine solche Lücke immer wieder sofort schließen wollen. Nach dem Karriereende von Magdalena Neuner wurde Miriam Gössner als Erbin ausgerufen, die womöglich auch an dieser immensen Erwartungshaltung scheiterte und längst keine Biathletin mehr ist, sondern Mutter.

Und nun soll Denise die neue Laura sein. In einem Punkt stimmt das tatsächlich. „Ich habe von ihr das Amt der Athletensprecherin übernommen“, erzählt sie. Und sonst?

Wer sie darauf anspricht, merkt sofort, dass es nicht ihr Lieblingsthema ist. „Es wird jetzt von den Medien versucht, eine neue Führungsperson zu generieren“, sagt sie. „Aber das ist für mich zweitrangig.“ Gleichzeitig ahnt sie, dass sie um die Rolle nicht herumkommen wird, zumal Bundestrainer Mark Kirchner sie in dieser Woche zur „absoluten Frontfrau“ des deutschen Frauenteams erklärte. „Ich war bei der vergangenen WM sehr erfolgreich, bin eine der trainingsälteren Athletinnen – dennoch möchte ich nicht in diese Position gehoben werden. Laura bleibt Laura und Denise bleibt Denise“, entgegnet Herrmann.

Das ganze Gegenteil von Laura Dahlmeier

Das ist schon deshalb richtig, weil ihre Biografien grundverschieden sind. Auf der einen Seite die bayerische Naturliebhaberin Dahlmeier, die sich auf einsamen Bergtouren am wohlsten fühlt und mit 25 aufhörte, weil ihr der ganze Trubel zuviel wurde. Und auf der anderen Seite die aus dem sächsischen Bockau stammende Herrmann, die sich am liebsten an Sandstränden erholt, bereits als Langläuferin Olympia-Bronze gewann und nun als Biathletin bei den Spielen aufs Podest will – 2022 in Peking wäre sie 33.

Zuvor aber werden von ihr Weltcup- und WM-Siege erwartet. Diese Aufgabe hatte bisher sehr verlässlich Dahlmeier erfüllt. „Gerade wenn es mal bei den anderen schlecht lief, hat sie das Podest abgesichert. Da wird uns eine Konstante fehlen“, ahnt Herrmann. „Es sind große Fußstapfen, die sie hinterlässt.“

Vor allem konnte sich der Rest ein wenig hinter der Doppel-Olympiasiegerin und siebenfachen Weltmeisterin verstecken – auch Herrmann nach ihrem Umstieg. Dieser Schutz fällt nun weg. Siege werden von der erfolgsverwöhnten deutschen Mannschaft trotzdem erwartet. Nach dem Abschied von Neuner war das ein Problem, bei Olympia 2014 gab es keine Medaille für die Frauen und heftige Kritik.

Bei den Weltmeisterschaften im März in Östersund räumte sie einen kompletten Medaillensatz ab.  
Bei den Weltmeisterschaften im März in Östersund räumte sie einen kompletten Medaillensatz ab.   © Rolf Kosecki / Viessmann
Auch außerhalb des Sports macht die 30-Jährige eine gute Figur.
Auch außerhalb des Sports macht die 30-Jährige eine gute Figur. © Foto: Kuse
Das Schießen war lange das Problemkind der Ex-Skilangläuferin. Daran hat sie in der Vorbereitung gearbeitet, sie will am Schießstand schneller werden. 
Das Schießen war lange das Problemkind der Ex-Skilangläuferin. Daran hat sie in der Vorbereitung gearbeitet, sie will am Schießstand schneller werden.  © Rolf Kosecki / Viessmann
Ihren ersten Auftritt als Biathletin hatte sie 2016 bei den deutschen Meisterschaften in Altenberg.
Ihren ersten Auftritt als Biathletin hatte sie 2016 bei den deutschen Meisterschaften in Altenberg. © dpa-Zentralbild/Matthias Rietschel
Vor zehn Jahren feierte sie als Langläuferin ihre Premiere im Weltcup.
Vor zehn Jahren feierte sie als Langläuferin ihre Premiere im Weltcup. © Foto: Wolfgang Schmidt
Seit einigen Jahren lebt und trainiert Denise Herrmann in Ruhpolding und ist mit dem Langläufer Thomas Wick liiert. 
Seit einigen Jahren lebt und trainiert Denise Herrmann in Ruhpolding und ist mit dem Langläufer Thomas Wick liiert.  © Foto: Kuse

Dass es wieder so kommt, ist unwahrscheinlich – und das liegt vor allem an Herrmann. In der Loipe war sie im vergangenen Winter sehr oft die Schnellste und glich damit so manchen Schießfehler aus. In diesem Winter möchte sie neben der Trefferquote auch die Schießzeiten verbessern. „Da liegt bei mir das größte Potenzial, etwa zehn Sekunden könnte ich pro Anschlag rausholen“, glaubt sie. „Man sieht, welche Zeiten die Top-Athletinnen am Schießstand liefern. Das ist für mich ein Anreiz: Wenn andere das schaffen, will ich es auch.“ Was sich einfach anhört, sei aber „ein Balanceakt. Das Risiko ist extrem groß.“ Denn es nützt nichts, wenn man den Schießstand schneller wieder verlässt, dafür aber mehrere Strafrunden drehen muss. „Bei den deutschen Meisterschaften ist mir das schon ganz gut gelungen. Nun muss ich zeigen, dass ich das auch unter dem psychischen Druck eines Weltcups umsetzen kann“, sagt Herrmann.

Schlechte Erinnerungen an den Start in die Vorsaison

Wie schmal der Grat ist, spürte sie zu Beginn der Vorsaison, als sie schon mal auf Platz 60 landete und lange der Quali-Norm für die WM hinterherlief. „An schlechten Tagen wird man ganz schnell geerdet“, findet Herrmann. Prinzipiell spürt sie dennoch einen Unterschied zu den vergangenen Jahren. Die Medaillen würden ihr ein Gefühl der Sicherheit geben, das alles passt und prinzipiell diese Erfolge möglich seien.

Mit Selbstvertrauen geht sie nicht nur den Saisonhöhepunkt, die WM im Februar in Antholz an, sondern denkt auch an den Gesamtweltcup. „Für mich ist das ein Ziel, weil man dafür ein kompletter Athlet sein muss – konditionell und mental. Aber dafür müsste über die gesamte Saison hinweg alles passen, und direkt planen kann man das sowieso nicht.“ Vergangenen Winter wurde sie Achte, verdarb sich ein besseres Ergebnis durch den vermasselten Einstieg. „Da ging alles in die Hose, und da konnte ich es mir gleich wieder abschminken.“

Das soll sich nicht wiederholen, vor allem nicht in Östersund, dem Ort mit den schönen Erinnerungen. „Ich habe meine Hausaufgaben, denke ich, ganz gut gemacht – hoffentlich ein bisschen besser als der Rest. Ich bin gewappnet.“