Warum ausgerechnet Toilettenpapier? Ich hätte viele andere Produkte als deutlich systemrelevanter eingeschätzt, Konserven zum Beispiel, Benzin, oder meinetwegen auch Rotwein. Aber nein, der Charming-Bär ist der Geschäftsmann der Stunde und im Internet kursieren hunderte Fotos von komplett geleerten Regalen. Nun, in Krisenzeiten muss jeder zusehen, wie er seinen Hintern an die Wand bekommt. Und der sollte dann wenigstens sauber sein.
In meiner Wohnung wurden die Rollen tatsächlich auch langsam knapp. Also habe ich mich in Görlitz auf Schatzsuche begeben. Den heißesten Tipp bekomme ich von einer Kollegin. Sie berichtet von einer großen Lieferung für den Aldi im Neißepark am Donnerstagmorgen. Hunderte Rollen, auf Paletten hoch aufgeschichtet. Drumherum ebenso viele Senioren, die ihre Einkaufswagen mit der heißen Ware füllen. Und zwar so richtig voll, drei, vier Packungen mitunter. Und dazu noch zweimal Küchenrolle.
Überraschung aus dem Warenlager
Doch als ich am späten Vormittag dort ankomme, ist nichts zu sehen. Windeln sind noch ausreichend da. Ich verwerfe den Gedanken wieder und verlasse den Laden.
Die Sonne scheint, sie hat gut lachen so ohne Darmtrakt, ich begebe mich wieder auf den Weg Richtung Innenstadt. Im Edeka macht mir ein Schild mit der Aufschrift "KEIN Toi-Papier" förmlich Vorwürfe, wie ich es denn wagen könne, einen Blick in das Regal geworfen zu haben. Auffällig viele Kunden behelfen sich mit Taschentüchern. Eine bessere Wahl als beispielsweise in der Mitte zerschnittenes Küchenpapier. Auch wenn beides lieber in den Müll und nicht in den Abfluss wandern sollte.
Beim besuchten Lidl, Netto und Innenstadt-DM das gleiche Bild: Es gibt ungefähr alles, aber beim Toilettenpapier ist Fehlanzeige. Auch der Lose-Laden ist rollenlos. Etwas enttäuscht ziehe ich mich an meinen Ausgangspunkt zurück: den Neißepark. Im DM will ich mir einen Kaffee kaufen, da öffnet sich die Lagertür und eine Verkäuferin schiebt eine Palette mit Toilettenpapier-Packungen heraus. Den Kunden stockt der Atem.
Papier oder Tiger?
Ein Mann neben mir muss lachen. "Na da wird sich meine Mutter freuen", sagt er. Sie wohnt in Bautzen und hatte ihn erst am Morgen angerufen, zwecks akuten Notstands. Eine Packung bekommt man pro Person. Die Verkäufer sind aufgefordert, streng darauf zu achten. Auch ich bediene mich und nehme eine kleine Zehner-Packung. Man will ja nicht gierig wirken.
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Der Heimweg stellt sich als besonders merkwürdig heraus. Die Packung mit Papierrollen erregt so viel Aufmerksamkeit, dass ich mich frage, ob ich nicht doch einen weißen Tiger an der Leine trage. Während ich durch ein Wohngebiet schlendere, stehen Senioren auf, um einen genauen Blick auf meine Errungenschaft zu werfen. Zu Hause begrüßt mich meine Mitbewohnerin - und berichtet stolz, dass sie eine Packung Toilettenpapier ergattert hat. Wir brauchen uns dann wohl erst einmal keine Sorgen mehr machen.