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Wie wollen die Dresdner zusammenleben?

Dresden will Kulturhauptstadt werden, die Bürger sollen dabei helfen. Wie, das zeigt eine neue Ausstellung Hygiene-Museum.

Von Andreas Weller
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Direktor Klaus Vogel (l.) und Kurator Michael Schindhelm im Schaufenster für die Kulturhauptstadtbewerbung im Hygienemuseum. Ab sofort können sich alle Dresdner dort ein Bild machen und für die Präsentation einbringen.
Direktor Klaus Vogel (l.) und Kurator Michael Schindhelm im Schaufenster für die Kulturhauptstadtbewerbung im Hygienemuseum. Ab sofort können sich alle Dresdner dort ein Bild machen und für die Präsentation einbringen. © Sven Ellger

Dresden diskutiert. Gerne und viel: Pegida und Fridays for Future, Architektur und Historie, Straßen und Radwege. Man könnte sagen, Dresden ist eine polarisierte Stadt. Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2025 will genau dort ansetzen. Die gespaltene Stadtgesellschaft und Wege, diese zu vereinen, ist das Kernstück der Bewerbung. 

Kultur für alle, von allen, soll die Lösung lauten. Im Dezember muss sich die „Neue Heimat“ noch vor einer internationalen Jury beweisen. Am Freitag eröffnet im Hygienemuseum dazu eine Ausstellung. „Wir entwickeln Ideen für ein friedliches Miteinander in Europa“, so Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke).

Die Präsentation vor der Jury ist enorm wichtig, so Dresdens Bewerbungs-Kurator Michael Schindhelm. Die Ausstellung soll zur „Werkstatt“ dafür werden, sagt er. „Dresden ist die einzige Stadt, die die Zeit nutzt, den Bürgern ein Bild zu vermitteln, was wir mit der Bewerbung wollen.“ Die Dresdner sollen mitmachen, Anregungen für die Präsentation geben und zu mindestens einem Leitprojekt beitragen. „Wie wollen wir zusammen leben?“, heißt es. Das Hygienemuseum erarbeitet aus den Antworten eine eigene Ausstellung. „Eine Frage ist: Können Sie sich vorstellen, eine intime Beziehung zu einem Roboter zu haben?“, so Museumsdirektor Klaus Vogel. 

Die Ausstellung lebt vom ständigen Wechsel. Sonntags um 16 Uhr wird jeweils ein Leitprojekt vorgestellt. Den Anfang macht ein Kulturpfad, der durch Dresden führen soll, an Orte, an denen immer was los ist, Musik, Kunst und mehr. Kommt Dresden am 12. Dezember in die engere Wahl der Jury, sollen die Bürger weitere Projekte entwickeln. Das Programm 2025, wenn Dresden Kulturhauptstadt ist, soll zur Hälfte von den Dresdnern gestaltet werden. Die Schwerpunkte der Bewerbung:

Heimat

Der Begriff Heimat wird in Dresden immer wieder diskutiert. Linke werfen Rechten beispielsweise vor, sie vereinnahmen ihn für sich und zur Ausgrenzung von Ausländern. „Es geht aber auch um DDR-Geschichte“, sagt Schindhelm. Und deren Vermittlung. „2025 werden 50 Prozent der Dresdner die DDR nur noch aus Erzählungen kennen.“ Die sogenannten X-Dörfer beschäftigen sich mit der Zukunft der Dörfer im Umfeld und der nach Dresden eingemeindeten. Wie dort ehemalige Schulgebäude und Industriebauten wiederbelebt werden, die positive Umsetzung und Weiterentwicklung der Heimat.

Ost und West

Im Mittelpunkt steht Dresdens spezielle Lage. „Dresden hat eine doppelte Identität, eine in Deutschland und eine in Europa“, so Schindhelm. Brüche durch die Spaltung und Wiedervereinigung Deutschlands, Dresdens Lage und Nähe zu Osteuropa, künftige Beziehungen zwischen Städten wie Sankt Petersburg und Coventry, die 2025 wahrscheinlich nicht zur EU gehören und Dresdens Partnerstädte sind.

Kraft des Fremden

Dresden gilt wegen Neonaziaufmärschen und Pegida als fremdenfeindlich. „Dresden war schon immer eine Stadt, in der das Fremde zu Hause war“, erklärt der Kurator. Italienische Arbeiter, die beispielsweise die Semperoper errichteten, waren willkommen. Schon Heinrich Schütz (1585 bis 1672) ging ins Ausland und war erfolgreich als Komponist. In der Ausstellung will der bekannte indonesische Künstler Hahan die Dresdner kennenlernen. Er wird ein großes Gemälde in Stücke zerschneiden und am 30. November und 1. Dezember in der Ausstellung die Einzelteile eintauschen. Für jedes Stück verlangt er Objekte und Geschichten der Dresdner.

Neue Heimat

Als die „Wessis“ nach Dresden kamen, gab es auch Ablehnung. Mit der Flüchtlingswelle 2015 noch mehr. Neue Heimat heißt das Motto der Bewerbung und gleichzeitig das Ziel für 2025. In Dresden sollen sich alle wohlfühlen, Alteingesessene, Zugezogene und Geflüchtete. Deshalb arbeiten an den Projekten beispielsweise Kleingärtner, Dynamo-Fans, Mitarbeiter der Semperoper und Technischen Sammlungen zusammen. „Es geht darum, dass nicht ein paar Profis für andere Kultur vorschlagen“, so Schindhelm. Nur so könne es klappen, dass Dresden in die nächste Runde einzieht und am Ende gewinnt. Die Vorschläge der Dresdner fließen in die Präsentation ein.

Der Showroom in Hygienemuseum hat vom 11. Oktober bis zum 15. Dezember täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, außer montags. Der Eintritt ist frei.

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