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Wie es den Fitnessstudios wirklich geht

Kein Training, keine Besucher und damit keine Umsätze? Ganz so schlimm ist es nicht mehr – doch die Lage trügerisch.

Von Tino Meyer
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Lars Weber, einer von drei Geschäftsführern des Thomas Sport Center, sucht lieber Lösungen, als Probleme zu beschreiben.
Lars Weber, einer von drei Geschäftsführern des Thomas Sport Center, sucht lieber Lösungen, als Probleme zu beschreiben. © Jürgen Lösel

Dresden. Er hat die Tage nicht etwa gezählt. Dafür ist trotz des rigorosen wie plötzlichen Corona-Lockdowns keine Zeit geblieben. Die genaue Zahl aber hat Lars Weber, einer der drei Geschäftsführer des Thomas Sport Center, sofort parat. Exakt 57 Tage, sagt er, mussten die fünf Studios der Dresdner Fitnesskette im Frühjahr schließen. Was inmitten weitreichender Lockerungen eine Ewigkeit her zu sein scheint, ist Weber und den Mitarbeitern allgegenwärtig.

„Die Konsequenzen spüren wir immer noch, und die Folgen sind weiterhin nicht genau absehbar“, sagt der 42-Jährige. Dabei sind die Besucherzahlen mittlerweile wieder auf dem Niveau des Vorjahres angekommen. Viel, auf den einfachen Nenner lässt es sich bringen, ist in den Fitnessstudios trotzdem nicht los. Mit Corona hat das erst mal nichts zu tun. In der Sommer- und Ferienzeit gehen die Leute schon immer lieber baden oder fahren in den Urlaub. Was dagegen viel mehr fehlt, sind Neuanmeldungen – und das seit dem 19. März.

Jenen Donnerstag, den Tag der Schließung, hat Weber nicht vergessen. „Es hatte sich zwar angedeutet, dass der Lockdown auch uns betrifft. In anderen Bundesländern durften die Fitnessstudios schon eher nicht mehr öffnen. Und trotzdem war es ein Schock, als die Verfügung dann auch in Sachsen erlassen wurde“, meint Weber, ein grundsätzlich ruhiger Mensch, der lieber Lösungen sucht, als Probleme zu beschreiben. Dieses Mal aber war auch er ratlos.

Auf Distanz: Die Angestellte eines Fitnessstudios befestigt ein Absperrband an einem Gerät.
Auf Distanz: Die Angestellte eines Fitnessstudios befestigt ein Absperrband an einem Gerät. © dpa/Marijan Murat

Mit Notsituationen jeglicher Art, so sagt der gebürtige Dresdner das, habe er gelernt, umzugehen, „doch diesmal wusste keiner, was kommt. Es gab noch nie zuvor eine vergleichbare Situation.“ Ohnmächtig habe er sich zwei, drei Tage lang gefühlt und vor allem alleingelassen mit seinen Fragen. Die Gesundheit der 115 Mitarbeiter und rund 8.000 Mitglieder – darauf legt Weber auch jetzt, wo es mancher mit Hygiene- und Abstandsregeln schon nicht mehr so genau nimmt, sehr großen Wert – stehen für ihn grundsätzlich im Vordergrund.

Eine Alternative zur Schließung habe es selbstverständlich nicht gegeben, und doch sieht er dadurch große Herausforderungen auf seine Firma zukommen. „Außer dem Kurzarbeitergeld gab und gibt es kein Soforthilfe-Programm, welches uns als mittelständisches Unternehmen wirklich weiterhilft. Die den Unternehmen zur Liquiditätssicherung zur Verfügung gestellten Kredite müssen auch irgendwie zurückgezahlt werden“, sagt Weber.

Natürlich haben auch er und seine zwei Geschäftsführerkollegen, Gründer und Inhaber Thomas Gürtner sowie Falk Noack, fast die gesamte Belegschaft in Kurzarbeit geschickt. Die andere Hälfte der Kosten ist aber geblieben: fixe Ausgaben für Mieten, Dienstleister und Lizenzgebühren. Dagegen sanken die Einnahmen fast auf Null. Kein Training, keine Besucher und damit keine Umsätze – die Rechnung ist simpel. Insofern, das ist einem rationalen Typen wie Weber ganz schnell sehr klar geworden, zählt wirklich jeder Tag.

Allein im Fitnessstudio: Ein Mann trainiert zwischen abgesperrten Geräten.
Allein im Fitnessstudio: Ein Mann trainiert zwischen abgesperrten Geräten. © dpa/Laurent Gillieron

„Während der Schließzeit war es ganz wichtig, mit den Mitgliedern und Mitarbeitern zu kommunizieren und dabei mittels Telefonhotline, E-Mails und Postanschreiben die richtigen und auch klaren Worte zu finden. Schließlich wollten alle wissen, wie es weitergeht“, sagt Weber.

Die Geschäftsführer haben zudem täglich nach neuen Informationen zu Hilfsprogrammen und Ähnlichem gesucht, oft mit dem Steuerberater telefoniert, auf die nächste Corona-Verordnung gelauert – und sich auf Tag X vorbereitet, wann immer der auch kommen würde. In Zusammenarbeit mit einem staatlich geprüften Desinfektor (die Berufsbezeichnung lautet wirklich so) hat das Thomas Sport Center zudem ein umfassendes Hygienekonzept erarbeitet.

Was aus Webers Sicht mindestens genauso wichtig ist: positiv bleiben, optimistisch denken, nie aufgeben. Und, das weiß der leidenschaftliche Hobbysportler ohnehin: Chancen nutzen.

Eine Beschäftigte mit Atemschutz desinfiziert ein Laufband im Fitnessstudio.
Eine Beschäftigte mit Atemschutz desinfiziert ein Laufband im Fitnessstudio. © dpa/Elia Bianchi

Wie die am 12. Mai. Auch dieses Datum hat Weber verinnerlicht. Nachdem Sachsens Landesregierung am 6. Mai angekündigt hatte, dass Fitnessstudios am 18. Mai wieder öffnen dürfen, folgte wenig später diese amtliche Festlegung: „Öffnen dürfen ab dem 15. Mai: Theater, Musiktheater, Kinos, Konzerthäuser (…) Auch Tanzschulen, Fitness- und Sportstudios, Sportstätten ohne Publikum, Freibäder (…).“ Entscheidende Bedingung: ein Hygienekonzept, das den Anforderungen des Gesundheitsamtes standhält.

Bis zur ersehnten Wiedereröffnung blieben damit nur noch drei Tage. „Unsere Planungen, beispielsweise Mitarbeiter-Schulungen, waren auf den 18. Mai ausgerichtet, und einen Moment lang haben wir intern diskutiert, daran festzuhalten. Doch schnell stand fest: Wenn wir am 15. Mai endlich wieder öffnen dürfen, machen wir das“, betont der Geschäftsführer. Jeder Tag zählt … Ein total komisches Gefühl habe Weber an jenem Freitag dennoch gespürt.

Und offenbar nicht nur er: Kamen vor exakt einem Jahr rund 1.100 Besucher in die fünf TSC-Studios, wollten diesmal lediglich gut 300 trainieren.

Ein Mann trainiert unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln ohne Mund-Nase-Maske.
Ein Mann trainiert unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln ohne Mund-Nase-Maske. © dpa/Jens Kalaene

Im Juli waren die Zahlen dann schon wieder wie im Vorjahr, berichtet Weber. Es hat sich eben rumgesprochen, dass Training mit Abstand gut funktioniert, dass Umkleide und Duschen wirklich geöffnet sind (ein Verbot hat es nie gegeben), dass Masken empfohlen werden, aber nicht getragen werden müssen. Auch Kinderbetreuung gibt es wieder. „Bei uns ist so gut wie nichts abgesperrt. Wir weisen lieber darauf hin, Abstände einzuhalten“, sagt Weber. Er wolle das Gefühl von Freizeit und Freiheit erzeugen, statt Verbote auszusprechen, zumal sich die allermeisten Leute sowieso an die Regeln halten würden. Auch das Gesundheitsamt hat das Konzept des Thomas Sport Center für gut befunden und bei Kontrollen nichts beanstandet.

Die Lage scheint sich also normalisiert zu haben. Alles gut, entgegnet Weber, ist damit aber nicht. Die gesamte Branche hat zu kämpfen. In den knapp zwei Monaten, als die Fitnessstudios geschlossen hatten, gab es beispielsweise keine Neuanmeldungen. Aus den Erfahrungen der Vorjahre sind das beim Thomas Sport Center etwa 100 potenzielle neue Mitglieder, und auch seit der Wiedereröffnung hat kaum jemand einen Vertrag abschließen wollen. Bei einer Monatsgebühr von 50 Euro lässt sich der Einnahmeausfall ziemlich genau feststellen – aufs Jahr gerechnet längst ein stattlicher fünfstelliger Betrag.

Kreative Lösungen und Optimismus

Von der Lage noch spürbar stärker betroffen ist die Abteilung „Beratung und Dienstleistung für betriebliches Gesundheitsmanagement“ mit Workshops und Firmensport für und direkt in Unternehmen. Das vergleichsweise neue Angebot des Thomas Sport Center hat gerade mal 20 Prozent des Vor-Corona-Standes erreicht. Vorsicht und auch Angst sind derzeit größer als das Verlangen nach sportlichen Präventionsmaßnahmen und Strategien für Mitarbeitergesundheit. Doch auch die Mitarbeiter dieser Abteilung zeigen sich kämpferisch.

Dank der modernen Kommunikationstechnik (Videokonferenzen, virtuelle Bewegungskurse) sowie mithilfe eines sogenannten Gesundheitsmobiles, das vor den Firmengebäuden parkt, können Unternehmen auch in dem neuen Alltag mit dem Coronavirus unterstützt werden. Überhaupt setzen Weber und seine Kollegen auf kreative Lösungen und Optimismus.

Eine Frau trainiert mit Mundschutz in einem Fitnessstudio an einer Beinpresse.
Eine Frau trainiert mit Mundschutz in einem Fitnessstudio an einer Beinpresse. © dpa/Marius Becker