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Corona: Dresdner Gärtner bangen um Existenz

Sommerblüher und Gemüsepflanzen in den Gewächshäusern brauchen nur noch wenige Wochen. Was passiert, wenn zu wenige Kunden kommen?

Von Kay Haufe
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Andreas Müller macht sich Sorgen, dass er seine Pflanzen nicht rechtzeitig verkaufen kann.
Andreas Müller macht sich Sorgen, dass er seine Pflanzen nicht rechtzeitig verkaufen kann. © René Meinig

Dresden. Die Pelargonien stehen in Reih und Glied im Leubener Gewächshaus. Noch sind die 12.000 Pflanzen klein und unscheinbar, aber schon zu Ostern werden sie kräftige Blüten angesetzt haben. "Genauso lieben sie meine Kunden", sagt Andreas Müller. Doch er macht sich große Sorgen, ob er die Pelargonien und die fast 100.000 anderen Zierpflanzen für den Sommer auch verkaufen kann.  

Der Gartenbauer produziert nicht für Großkunden wie Discounter, sondern ausschließlich für private Pflanzenliebhaber, die direkt bei ihm in der Gärtnerei an der Pirnaer Landstraße einkaufen. Sie wissen die Vielfalt, die Müller anbietet, zu schätzen. Doch momentan sind kaum Kunden im Laden, obwohl Gärtnereien ihre selbst produzierten Pflanzen verkaufen dürfen. "Aber das wissen die wenigsten", sagt Müller.

"Die Pflanzen sind jetzt da, deren Wachstum kann ich auch nicht verlangsamen", sagt der Gärtner. Deshalb hofft er, dass sich die Situation der Corona-Pandemie in vier Wochen in Dresden wieder entspannt hat. Denn dann müssen seine Sommerblüher raus aus den Gewächshäusern. "Mit dem Umsatz des April-/Maigeschäftes subventioniere ich die Produktion des restlichen Jahres. Wenn das einbricht, steht die Existenz des Betriebes in Frage", sagt Müller. Er überlegt bereits, demnächst mehr Gemüsepflanzen wie Tomaten, Gurken und Kohlrabis anzubieten. Denn möglicherweise werde durch die Handelsbeschränkungen auch weniger frisches Gemüse nach Deutschland geliefert. "Dann könnte der Gedanke der Selbstversorgung wieder wichtiger werden, die Pflanzen kann man ja selbst auf dem Balkon unterbringen", sagt Müller. Dann würden die Kunden auch selbst sehen, wie viel Arbeit in der Versorgung der Pflanzen steckt. 

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Sorgen um die Zukunft machen sich derzeit die meisten Dresdner Gärtner. Bis heute hatte Gartenbau Rülcker sein Reicker Geschäft geschlossen, doch ab Mittwoch ist wieder geöffnet. "Wir haben einen Moment innegehalten, jetzt muss es weitergehen", sagt Geschäftsführer Thomas Schrön. Das Messegeschäft, wofür er Leihpflanzen, aber auch Gestecke und Sträuße liefert, sei schon vor einigen Wochen komplett zusammengebrochen. Und auch sein Lieferservice würde nur noch selten in Anspruch genommen.  Für seine zehn Mitarbeiter hat er Kurzarbeitergeld beantragt. "Wir entscheiden jetzt von Tag zu Tag, wie es weitergeht. Morgen ist erstmal von 8 bis 16 Uhr geöffnet." Die Kunden sollten sich über die Webseite informieren, denn wenn ständig das Telefon klingelt, komme bei Gartenbau Rülcker keiner mehr zum Arbeiten. 

"Besonders ärgerlich ist, dass Kollegen erlebt haben, dass die Polizei plötzlich im Laden stand und das Geschäft dicht gemacht hat", sagt Schrön. Dies verunsichere die Gärtner. Denn laut Auskunft des Landes dürften sie ihre selbst produzierten Pflanzen weiter verkaufen, indes müssten Blumenläden geschlossen sein. 

Tobias Muschalek, der Geschäftsführer des sächsischen Landesverbandes Gartenbau bestätigt, dass in einigen Kommunen Gärtnereien von Ordnungsbehörden geschlossen wurden. Auch im Dresdner Frühgemüsezentrum hätten Beamte gestanden. "Es muss eine klare Regelung geben und die muss auch an die Behörden durchgestellt werden", fordert Muschalek. Immerhin würden die Gartenbaubetriebe verderbliche Waren anbieten, die nicht ewig haltbar sind. "Pflanzen sind Lebewesen, die in sechs Wochen eben nicht mehr verkauft werden können", sagt Muschalek.

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Klar sei, dass es besondere Hygieneregeln beim Verkauf gebe müsse. "Lange Schlangen beim Gärtner wären jetzt das Letzte, was wir brauchen", sagt er. Doch viele Betriebe hätten sich darauf eingestellt, verkauften nur noch im Freien mit großem Abstand zwischen den Kunden. Einige hätten die Kassen mit Plexiglas eingehaust. Auf dem Boden seien mitunter Abstandsmarken gesetzt worden. 

"Was wir brauchen, sind Kunden, die sich an die Regeln halten, aber ihren Gärtnern treu bleiben", sagt der Geschäftsführer.

Das wünscht sich auch Heiko Berthold. Er betreibt eine kleine Gärtnerei in Briesnitz. In den kommenden zwei Wochen sind die von ihm gezogenen 40.000 Gurkenpflanzen für den Gewächshausanbau verkaufsfertig. Berthold liefert sie normalerweise an den Großhandel, von wo die jungen Gurkenpflanzen an die einzelnen Blumenläden verkauft werden. "Aber jetzt sind alle Blumenläden geschlossen. Ich weiß nicht, wer jetzt meine Gurken abnimmt", sagt er. Noch sei es kalt, aber die Sonne heize die Gewächshäuser auf, die Pflanzen gedeihen gut. "Wenn jetzt keine Gurken gepflanzt werden, wird es im Sommer nur noch Importware geben", sagt der Gärtner. 

Für ihn und seine Familie ist das Geschäft der kommenden Wochen besonders wichtig. Doch genau das steht jetzt infrage. "Und uns helfen auch keine zinslosen Kredite, weil wir damit nur einen vorherigen Kredit ablösen würden", sagt er. Derzeit wachsen bei Berthold auch die Pelargonien heran, die in vier bis sechs Wochen verkauft werden sollen. Lange haben er und seine Frau überlegt, wie viele Jungpflanzen sie abnehmen wollen. "Im Juni ist die Rechnung an die Jungpflanzen-Lieferanten zu zahlen. Mal sehen, ob uns das gelingt", sagt Manuela  Berthold. 

Auch Tochter Helena belastet die schwierige Situation ihrer Eltern. Eigentlich müsste sie sich gerade intensiv auf ihr anstehendes Abitur vorbereiten. Doch das ist für sie etwas in den Hintergrund gerückt. "Ich habe auch Freunde, deren Eltern als Erzeuger in der gleichen Lage sind. Da hängen so viele Existenzen dran", sagt sie besorgt. Als ideelle Hilfestellung hat sie mithilfe eines Freundes ein Video gedreht. Von den ganzen Blumen, die nicht mehr verkauft werden durften, hat sie am Wochenende die Blüten abgerissen und sie als Buchstaben auf eine große Folie im Freiland der Gärtnerei ausgelegt. "Protect small business owners - schützt die Besitzer kleiner Betriebe" ist darauf zu lesen. 

Mit dieser Blütencollage will Helena Berthold auf die schwierige Situation kleiner Erzeugerbetriebe hinweisen.
Mit dieser Blütencollage will Helena Berthold auf die schwierige Situation kleiner Erzeugerbetriebe hinweisen. © Foto: Perry Zein

"Die Leute müssen endlich mal mitkriegen, dass sie regionale Produkte kaufen sollten, statt  nur im Supermarkt", sagt Helena Berthold. Ihr Vater stimmt ihr zu. "Natürlich kosten meine Pflanzen etwas mehr, aber ich bezahle meinen Mitarbeitern auch mehr als  Mindestlohn", sagt er. 

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