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In Sachsen leben besonders viele Menschen allein

Alleinstehende trifft die soziale Isolation am stärksten. In keinem anderen Flächenland gibt es so viele Singlehaushalte wie in Sachsen.

Von Marvin Graewert
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Beinahe jeder vierte Sachse lebt mittlerweile in einem Singlehaushalt.
Beinahe jeder vierte Sachse lebt mittlerweile in einem Singlehaushalt. © David Zorrakino/Europa Press/dpa

In Einzelhaushalten macht sich Einsamkeit als Erstes breit. Ausgerechnet in diesen unsicheren Zeiten dürfen Alleinstehende ihre Wohnung nicht mehr mit Leben füllen und Familie und Freunden eine Umarmung geben. Die Corona-Krise zeigt erneut, vor welche Herausforderungen uns steigende Singlehaushalte stellen. Besonders viele davon gibt es in Sachsen, wo Haushalte immer kleiner werden.

Was 1992 noch eine Besonderheit war, ist 25 Jahre später ganz normal: Beinahe in jedem vierten Haushalt wohnt nur eine einzige Person. Zahlen des Statistischen Landesamts zeigen, dass ihr Anteil um 60 Prozent gestiegen ist. Die deutsche Gesellschaft wird individueller – nicht nur Sachsen. Bemerkenswert ist nur, wie hoch dieser Anteil im Freistaat ist. In keinem anderen Flächenland sind Privathaushalte so klein. Ein Trend, der sich auch weiterhin fortsetzen soll: Nach einer Prognose des Statistischen Bundesamts soll es bis 2040 nur noch in Berlin mehr Singlehaushalte geben. Warum ist das so?

Überbleibsel der Wiedervereinigung

Singlehaushalte und urbane Gebiete gehören einfach zusammen: In Dresden, Leipzig oder Chemnitz machen solche Wohnungen mehr als die Hälfte aller Haushalte aus, in Gemeinden mit unter 5.000 Einwohnern gerade mal ein Drittel. Ein Erklärungsansatz ist, dass allein in Leipzig und Dresden mehr als ein Viertel aller Sachsen wohnen. „Hinzukommt, dass die Großstädte in Sachsen alles Universitätsstädte sind“, ergänzt Mathias Siedhoff von der TU Dresden, der dort zum demografischen Wandel und Stadt- und Wohnungsmarkt forscht. Kleinere Haushaltsgrößen lassen sich nämlich nicht allein mit einer alternden Gesellschaft erklären. Ganz im Gegenteil. Immer mehr Studenten und Berufseinsteiger leben alleine. 

In der Einzimmerwohnung, wird heutzutage eher über den erfolgreichen Berufsstart, als über eine Familiengründung nachgedacht. Durchschnittlich sieht es sogar so aus, dass ledige Männer aus Sachsen erst mit 36 Jahren heiraten – fast sieben Jahre später als noch vor 20 Jahren. Bei ledigen Frauen ist das Heiratsalter im gleichen Zeitraum von 27,3 auf 33,4 Jahre angestiegen. Das wirkt sich auch auf den Wohnungsmarkt aus: 1992 waren zwei Drittel aller Einzelhaushalte von über 50-Jährigen bewohnt. Gut 25 Jahre später, macht dieser Teil nicht einmal mehr 60 Prozent aus – auch das ist überall in Deutschland so. Doch ein Alleinstellungsmerkmal gibt es dann doch, das für Sachsens Vorreiterstellung sprechen könnte: Das Statistische Bundesamt identifizierte für die neuen Bundesländer einen raschen Strukturwandel. Seit der Wiedervereinigung haben sich viele Mehrpersonenhaushalte geteilt, woraus eine Vielzahl an Einpersonenhaushalten entstand.

Prinzipiell sind diese beiden Hauptgruppen – Studenten und Rentner – schwer miteinander zu vergleichen. Abgesehen von ihrem Einkommen; das sei bei beiden Gruppen ähnlich gering. Mit einem Unterschied: „Bei Studierenden ist das Leben in relativ prekären Verhältnissen in der Regel eine Übergangsphase, nach der ein finanzieller Aufstieg kommt. Trotzdem muss das Leben während dem Studium finanzierbar sein. Die finanzielle Situation älterer und alter Menschen verbessert sich nach dem Renteneintritt gewöhnlich nicht mehr substanziell“, erklärt Siedhoff. Hinzu kommt: Mit steigendem Alter, steigen auch die Anforderungen an eine Wohnung: Zwischen den Zimmern sollte es keine Fußschwellen mehr geben, die Türen müssen breit genug sein und statt einer Treppe braucht es einen Lift.

Singles haben deutlich höhere Kosten

Doch nicht nur Singlehaushalte, auch Zweipersonenhaushalte wiesen lange Zeit deutliche Zuwächse auf. Das liegt vor allem daran, dass die Lebenserwartung der Männer stärker zunimmt. Ob zu zweit oder alleine ¨– durch eine steigende Lebenserwartung und -qualität, können immer mehr alte Menschen ihren Haushalt bis ins hohe Alter weiterführen. Während es immer weniger Haushalte gibt, die von drei oder mehr Personen bewohnt werden.

Wer alleine lebt, zahlt für seine kleine Singlepackung Toast fast doppelt so viel wie eine kleine Familie und hat auch deutlich höhere Stromkosten. Doch die wirklichen Herausforderungen lassen sich gar nicht beziffern. Die Gefahr der Vereinsamung ist so groß, dass sich auch sächsische Politik erstmalig diesem Thema annehmen möchte.

Den Wohnungsmarkt trifft diese absehbare Entwicklung weitaus weniger unvorbereitet. „Die Herausforderung liegt nicht nur in der Bereitstellung von passendem, sondern vor allem von bezahlbarem Wohnraum“, benennt Siedhoff das eigentliche Problem. Denn mittlerweile hätten Investoren Studentenwohnungen als lukratives Geschäft entdeckt. „Es ist erst einmal begrüßenswert, wenn notwendiger Wohnraum geschaffen wird. Der ist aber auch oft viel teurer.“

Im ländlichen Raum, wo mehr Wohnraum vorhanden ist, stünden allein lebende ältere und alte Menschen vor ganz anderen Problemen. „Hier sind die Probleme oft größer, weil die zur Daseinsvorsorge notwendigen Angebote weniger dicht vorhanden und oft schlechter erreichbar sind“, schließt Siedhoff.

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