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Kam der Betriebsstopp bei der Städtebahn mit Ansage?

Nach dem plötzlichen Ausfall der Züge organisiert der VVO Ersatz. Ganz überraschend kann der Stillstand nicht gewesen sein.

Von Georg Moeritz
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Schuld an der Einstellung des Betriebs der Städtebahn sollen Schäden an den Triebwagen sein, verursacht durch umgestürzte Bäume wie hier im Oktober 2018 auf der Strecke der Müglitztalbahn. Die Deutsche Bahn weist die Vorwürfe zurück.
Schuld an der Einstellung des Betriebs der Städtebahn sollen Schäden an den Triebwagen sein, verursacht durch umgestürzte Bäume wie hier im Oktober 2018 auf der Strecke der Müglitztalbahn. Die Deutsche Bahn weist die Vorwürfe zurück. © Egbert Kamprath (Archivfoto)

Stephan Philipp darf seine Lok nicht mehr bewegen. Die Städtebahn Sachsen GmbH hat den Lokführer per E-Mail „bis auf weiteres freigestellt“ von der Arbeit. Auch die anderen rund 85 Lokführer, Zugbegleiter und Disponenten des Unternehmens haben seit Donnerstag früh nichts mehr zu tun. Die Städtebahn hat den Betrieb eingestellt. 

Nun wartet der Lokführer Philipp zu Hause in Wachau bei Radeberg auf neue Anweisungen und hält zu seinen Kollegen über eine Whatsapp-Gruppe den Kontakt. Am Montag wollen sie sich treffen und vielleicht eine kleine Demonstration in Dresden organisieren. Schließlich wissen sie nicht, wer sie künftig bezahlt – und die Fahrgäste wissen nicht, wie sie in den nächsten Wochen zum Beispiel von Kamenz nach Dresden kommen.

Der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) hat am Donnerstag den ersten Ersatzfahrplan mit Bussen organisiert und am Freitag den für die kommende Woche nachgeschoben. Für die Müglitztal-Strecke gilt der Plan erst mal bis Montag, Fortsetzung folgt. Von Kamenz bis Dresden-Neustadt soll ab Montag ein Expressbus RB 34 über die Autobahn fahren, mit Halt in Bischheim-Gersdorf und Pulsnitz. VVO-Sprecher Christian Schlemper staunt, dass die Busunternehmen aus der Region rasch Fahrer für die Ersatzbusse gefunden haben. Am Wochenende fallen allerdings der Wanderexpress Dresden–Altenberg und die Seenlandbahn Dresden–Senftenberg aus.

Die Städtebahn Sachsen hatte in der Nacht zum Donnerstag ohne Ankündigung den Betrieb auf ihren vier sächsischen Strecken eingestellt. Das Privatunternehmen fuhr seit Ende 2010 im Auftrag des VVO. Der VVO schrieb, er habe aus der Pressemitteilung der Städtebahn von der Fahrbetriebseinstellung erfahren, und forderte das Unternehmen auf, die Verträge zu erfüllen. 

Städtebahn-Geschäftsführer Torsten Sewerin allerdings hielt in einer Pressemitteilung am Freitag dagegen, für den VVO könne die Nachricht nicht ganz plötzlich gekommen sein. Es habe in den Tagen davor mehrere Gespräche gegeben, auch in den Räumen des VVO, teilweise mit dem VVO-Geschäftsführer Burkhard Ehlen. Der wurde inzwischen aus dem Urlaub zurückgeholt und war am Freitag im Dienst.

Torsten Sewerin (l.), Geschäftsführer der Städtebahn Sachsen.
Torsten Sewerin (l.), Geschäftsführer der Städtebahn Sachsen. © Städtebahn Sachsen

Die Städtebahn begründet den Stopp damit, dass der Vermieter ihrer 16 Züge am 17. Juli den Mietvertrag gekündigt habe. Die Fahrzeuge gehören Alpha Trains in Köln. Das Unternehmen hat laut Städtebahn-Chef Sewerin verlangt, die Züge unverzüglich abzustellen. Vorher habe es Streit darum gegeben, wer die „Vegetationsschäden“ an den Zügen bezahlt. Alpha Trains wollte sich auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung dazu nicht äußern.

Der VVO bestätigt aber, dass es „zahlreiche Baumkollisionen“ gab. Der Verkehrsverbund habe sich gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium dafür eingesetzt, dass die zuständige Deutsche Bahn Netz AG für mehr Freischnitte entlang der Gleise sorge. Die Deutsche Bahn allerdings zeigt sich wie der VVO empört über die „kurzfristige Betriebseinstellung“ der Städtebahn. Die Vorwürfe seien haltlos, und die Probleme dieser Firma seien „mitnichten nur infrastruktureller Art“.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) allerdings hält die Städtebahn ausdrücklich nicht für ein problematisches Unternehmen. Der stellvertretende Bezirksvorsitzende Klaus-Peter Schölzke sagte der SZ auf Nachfrage, die Deutsche Bahn komme ihren Verpflichtungen nicht nach, auch die Länderbahn habe Schäden an Fahrzeugen erlitten. Personell sei die Städtebahn auskömmlich ausgestattet, sie habe auch eine Werkstatt mit etwa zehn Beschäftigten in Ottendorf-Okrilla. Dank eines Tarifvertrags sei die Bezahlung mittlerweile ähnlich wie bei der Deutschen Bahn. Nun müsse sich aber die Politik für eine rasche Lohnfortzahlung einsetzen.

Städtebahn-Chef Sewerin schrieb, er könne den Eisenbahnbetrieb innerhalb von sechs Stunden wieder anlaufen lassen, aber dazu brauche er die Fahrzeuge. Über einen Anwalt warf er dem VVO vor, der habe bereits trotz des bestehenden Vertrags „mit anderen Verkehrsunternehmen Gespräche“ zur Übernahme der Linien geführt. Der VVO wiederum wies „jegliche Anschuldigungen“ schriftlich zurück. Auf Nachfrage sagte Sprecher Schlemper, falls ein Nachfolger für die Städtebahn gebraucht werde, sei eine „Notvergabe“ anstelle einer langen Ausschreibung möglich.