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Kretschmer will Lehrerausbildung in Görlitz

Zu viele junge Lehrer wollen in die Großstädte. Künftig könnten die Unis mit der Hochschule Zittau/Görlitz kooperieren.

Von Ingo Kramer
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In der Lehrerausbildungsstätte Löbau erhalten Referendare aus den Grundschulen das theoretische Rüstzeug für ihren Beruf.
In der Lehrerausbildungsstätte Löbau erhalten Referendare aus den Grundschulen das theoretische Rüstzeug für ihren Beruf. © Sebastian Gollnow/dpa

Neu ist das Problem keineswegs: Die meisten, die in Dresden oder Leipzig auf Lehramt studieren, wollen hinterher in den beiden beliebten Großstädten als Lehrer arbeiten. In die kleineren Städte oder gar aufs Land aber wollen die Wenigsten. Im Einstellungsverfahren zum 1. Februar gab es in Leipzig 270 Bewerber auf 78 offene Stellen, im Schulverwaltungsbezirk Bautzen, zu dem Görlitz gehört, dagegen nur 44 Bewerber auf 107 offene Stellen.

Ganz neu hingegen ist die Antwort von Ministerpräsident Michael Kretschmer. "Wir wollen Lehrer auch in den Regionen ausbilden", sagte er jetzt am Rande einer Veranstaltung in Görlitz. Und weiter: "Vielleicht schaffen wir das in Zwickau und Görlitz, denn in diesen Regionen fehlen die meisten Lehrer." Die Hoffnung dahinter: Wer abseits der Großstädte ausgebildet wird, der ist hinterher vielleicht eher bereit, dort auch zu arbeiten. Was Dresden und Leipzig angeht, vertritt Kretschmer einen klaren Standpunkt: "Wir können nicht jeden Lehrer einstellen, der ausschließlich in diese beiden Städte will." Dort sei der Bedarf nicht so groß. Wer nicht bereit ist, abseits der Großstädte zu arbeiten, werde sich teilweise andere Bundesländer suchen müssen. Gehen die Bewerber damit an die Presse, "dann werden wir das aushalten", sagt der Ministerpräsident.

Rektor Albrecht ist für das Thema offen

Friedrich Albrecht, Rektor der Hochschule Zittau/Görlitz, weiß von Kretschmers Plänen. Es gebe dazu bisher zwar noch keine Gespräche, aber es soll demnächst welche geben: "Mitte März haben wir dazu einen Termin im Ministerium." Die Hochschule Zittau/Görlitz sei für das Thema offen. Er sei dafür, die Lehrerausbildung in Kooperation mit Universitäten anzuschieben. "Das komplette Lehramtsstudium braucht die Fächervielfalt einer Uni", sagt er. Allein könnten Hochschulen wie die Hiesige das nicht leisten: "Wir haben diese Breite nicht." Stattdessen gebe es die Überlegung, bestimmte Studieninhalte wie Förderpädagogik hier anzubieten, "weil wir dafür die Voraussetzungen haben", so Albrecht. Auch das Fachwissenschaftliche könnte hier stattfinden.

Eine Überlegung wäre, dass angehende Lehrer zuerst in Görlitz oder Zwickau ein fachwissenschaftliches Studium absolvieren und dann an einer Uni ein zweites Studium mit dem Schwerpunkt auf Lehramt. Das seien jetzt alles erst einmal nur Modelle, schränkt Albrecht ein: „Fest ist noch nichts.“ Es gebe auch andere Modelle, bei denen die komplette Ausbildung hier vor Ort stattfindet. Eines sei allen gemeinsam: Dass die Unis in die Fläche gehen, indem sie mit den Hochschulen kooperieren.

Wenn wirklich alles gut geht, ließe sich eine Lehrerausbildung in Görlitz innerhalb von zwei Jahren auf die Beine stellen, sagt der Rektor. Bis dahin sei aber einiges zu tun: Das Studium organisieren, neue Mitarbeiter berufen, zusätzliche Räume beschaffen. Um in zwei Jahren alles beisammen zu haben, müssten wirklich alle Rädchen ineinandergreifen, erklärt der Rektor.

Freistaat bestätigt erste Überlegungen

Der Freistaat hält sich bei dem Thema noch relativ bedeckt, bestätigt aber zumindest, dass das Ganze ein Thema ist. "Zur Lehrerausbildung gibt es Überlegungen zu Kooperationen zwischen Universitäten und den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in den Regionen", sagt Katharina Strack, Referentin im Wissenschaftsministerium (SMWK). Das SMWK führe derzeit Gespräche mit den beteiligten Hochschulen. Inhaltliche Details könne sie leider noch nicht nennen.

Löbau hat schon Lehrerausbildungsstätte

Das Ganze wäre der zweite Schritt zur Ausbildung von Lehrern in der Region. Der erste ist schon im August angelaufen: Seither existiert in Löbau eine Lehrerausbildungsstätte. Allerdings kann man dort kein komplettes Studium absolvieren. Stattdessen ist sie für Absolventen da, die an einer Uni Grundschul-Lehramt studiert haben und nun in der hiesigen Region ihr Referendariat machen. Sie absolvieren ihre praktische Ausbildung an Schulen und erhalten an der neuen Einrichtung in Löbau theoretischen Unterricht. Noch vor einem Jahr mussten sie dafür nach Dresden fahren. Allerdings richtet sich dieses Angebot tatsächlich nur an angehende Grundschullehrer. Bisher waren es 24, nach den Februar-Ferien kommen weitere hinzu.

Landrat lädt Referendare ins Landratsamt

Landrat Bernd Lange lädt einmal im Jahr Referendare ins Landratsamt ein. „Grundsätzlich sind das sehr offene Gespräche, die ich schon seit Jahren anbiete“, sagt er. Insbesondere Referendare, die nicht aus dem ländlichen Raum kommen, benötigen eine Findungsphase zur Orientierung, sagt er: „Wer für sich eine eher großstädtische Perspektive ins Auge gefasst hatte, muss sich erst einmal mit der vermeintlichen ,zweiten Wahl’ anfreunden.“ Seien die jungen Leute erst einmal in den hiesigen Schulen angekommen, würden sie sofort das ungeheure Engagement der Pädagogen spüren, die den Nachwuchs hochmotiviert ausbilden wollen.

Frühzeitiges Kennenlernen des ländlichen Raums im Rahmen von Praktika und des Referendariats sei wichtig, sagt der Landrat: „Wenn junge Menschen spüren, wie sie in unseren Schulen aufgenommen werden, werden sie sehr wohl abwägen, wohin sie gehen sollten.“ Hier sehe er noch Bedarf in der besseren Abstimmung zwischen Theorie und Praxis.

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