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Ölwerker streiken für höhere Löhne

Zwei Stunden lang legt fast die gesamte Belegschaft bei Cargill die Arbeit nieder. Es wird wohl nicht der letzte Warnstreik bleiben.

Von Stefan Lehmann
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Vor dem Riesaer Ölwerk wurde am Dienstagnachmittag gestreikt.
Vor dem Riesaer Ölwerk wurde am Dienstagnachmittag gestreikt. © KDB

Riesa. Als der Lkw-Fahrer die Gelbwesten in der Einfahrt zum Ölwerk bemerkt, tritt er erst einmal auf die Bremse und legt den Rückwärtsgang ein. Gut 100 Streikende verengen die Zufahrt zum Werksgelände. Für den Moment ist zumindest an dieser Stelle kein Zugang aufs Cargill-Gelände.

Zwei Stunden lang legen am Dienstagnachmittag die Mitarbeiter von Cargill Riesa die Arbeit nieder. Ihre Forderung ist relativ simpel: "Wir wollen kein Öl ins Feuer gießen, aber endlich mehr Lohn", steht auf einem der Plakate. Zum Streik aufgerufen hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Derzeit verhandelt sie mit der Ernährungsindustrie Sachsen über einen neuen Tarif. Schon Mitte Januar hatte sie den Druck erhöht - mit einem Warnstreik bei Frosta in Lommatzsch

Noch drei Mitarbeiter im Werk

"Viele Arbeitgeber haben immer noch im Kopf: Da kommen paar Krawallmacher von der Gewerkschaft, die machen bisschen Stress, lasst die erstmal kommen", sagt  NGG-Verhandlungsführer Olaf Klenke. Dass auch im Osten die Gewerkschaften mittlerweile wieder Rückenwind genießen und das Credo nicht mehr laute "Hauptsache, überhaupt einen Arbeitsplatz", das sei bei manchen noch nicht angekommen. "Deshalb ist es richtig, dass wir erstmal zum Arbeitskampf aufrufen und zeigen: Die Mehrheit der Belegschaft steht dafür."

Rund 50 Cargill-Mitarbeiter haben am Dienstagnachmittag die Arbeit niedergelegt. "Drei Leute haben noch ein Auge auf die notwendigen Anlagen", erklärt  NGG-Gewerkschaftssekretär Thomas Lißner. Aus Sicherheitsgründen. Davon abgesehen sei die komplette Belegschaft für die zwei Stunden vor dem Werktor versammelt. Die Geschäftsführung habe man am Vormittag über den Warnstreik informiert. 

Zu den Cargill-Mitarbeitern kommen noch einmal einige Dutzend Unterstützer anderer Unternehmen, allen voran wieder Frosta aus Lommatzsch. Auch ein paar vereinzelte Arbeitsuniformen mit dem Logo des Saftherstellers Sonnländer sind zu sehen, ebenso wie Vertreter der Linkspartei. 

750 Euro weniger als in Salzgitter

In der Cargill-Belegschaft hatte es schon länger gegärt, sagt ein Mitglied des Betriebsrats.  Die Löhne seien zuletzt vor mehr als 15 Jahren angehoben worden, schätzt er. Genau kann er sich nicht mehr erinnern. "Wir sind, was die Bezahlung angeht, Schlusslicht im Konzern." Mit Hamburg könne man sich vielleicht nicht vergleichen - wohl aber mit anderen Standorten wie Krefeld oder Salzgitter. Nach Angaben der NGG gilt in Riesa ein Ecklohn von 2.200 Euro im Monat, etwa 750 Euro weniger als im Werk Salzgitter. Dazu kämen noch Feiertagszuschläge und Urlaubsgeld, die im niedersächsischen Werk deutlich besser ausfielen. 

Dabei stehe das Riesaer Werk, das in erster Linie Speiseöle herstellt, im Vergleich mit den übrigen Cargill-Standorten in Deutschland sehr gut da, sagt das Betriebsratsmitglied. "Wir sehen ja die Wirtschaftszahlen für den Konzern", sagt er und schüttelt den Kopf. 

Warnstreik vor dem Ölwerk: Zwei Stunden lang legten die Angestellten am Dienstag die Arbeit nieder. 
Warnstreik vor dem Ölwerk: Zwei Stunden lang legten die Angestellten am Dienstag die Arbeit nieder.  © KDB
Zeitgleich wurde auch bei Frosta in Lommatzsch gestreikt. Die Mitarbeiter unterstützten den Arbeitskampf in Riesa. 
Zeitgleich wurde auch bei Frosta in Lommatzsch gestreikt. Die Mitarbeiter unterstützten den Arbeitskampf in Riesa.  © KDB
Die Forderung der Gewerkschaft: Eine Angleichung der Löhne an das Westniveau. 
Die Forderung der Gewerkschaft: Eine Angleichung der Löhne an das Westniveau.  © KDB

Gewerkschaft rechnet mit weiteren Streiks

Der nächste Verhandlungstermin über einen neuen Tarif findet am 6. März statt. Neben einer Angleichung der Verdienste an das Niveau vergleichbarer westdeutscher Betriebe fordert die zuständige Gewerkschaft NGG wo nötig, die unterste Lohngruppe auf 12 Euro anzuheben. "Damit soll Armut heute und auch im Alter verhindert werden", heißt es von der Gewerkschaft. "Niedriglöhne von heute sind die Armutsrenten von morgen." Der Arbeitskampf könnte sich angesichts der ambitionierten Forderungen durchaus hinziehen, sagt auch Verhandlungsführer Olaf Klenke. Mit einer schnellen Einigung am 6. März rechnet er nicht. "Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass die Warnstreiks, die wir jetzt machen, nicht ausreichen werden. Ich glaube, wir müssen noch mal rausgehen."

Im Frosta-Tiefkühlwerk in Lommatzsch arbeiten derzeit etwa 170 Beschäftigte. Laut NGG beträgt dort der Lohnunterschied eines Facharbeiters zum Schwesterstandort Bremerhaven 764 Euro. Das Tarifgebiet der Ernährungsindustrie Sachsen umfasst insgesamt mehr als 1.300 Menschen in einem Dutzend Betrieben. Dazu gehören Unternehmen wie Bautz’ner Senf (Develey), Jägermeister in Kamenz, die Lausitzer Früchteverarbeitung in Sohland, Sonnländer Getränke (EDEKA) in Rötha, das Unilever Werk Auerbach und die Vandemoortele-Werke in Dommitzsch und Dresden.

Olaf Klenke führt die Tarifverhandlungen aufseiten der Gewerkschaft NGG. Er rechnet mit weiteren Streiks .
Olaf Klenke führt die Tarifverhandlungen aufseiten der Gewerkschaft NGG. Er rechnet mit weiteren Streiks . © KDB