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Wird sie der neue Star der Dresdner Volleyball-Frauen?

Camilla Weitzel war vor zwei Jahren noch Randfigur. Jetzt gilt sie als wichtige Stütze beim Dresdner SC für das Pokalfinale heute Nachmittag. Das Porträt einer Zweiflerin.

Von Alexander Hiller
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Camilla Weitzel kann und will im Endspiel am Sonntag in Mannheim gegen Stuttgart eine tragende Rolle spielen..
Camilla Weitzel kann und will im Endspiel am Sonntag in Mannheim gegen Stuttgart eine tragende Rolle spielen.. © dpa/Sebastian Kahnert

Sie hat damals keinen Ball spielen dürfen. Das ist erst zwei Jahre her. Pokalfinale in Mannheim. Die Volleyballerinnen des Dresdner SC gewannen souverän die Trophäe mit 3:0 gegen Wiesbaden. Der vorerst letzte Titel für den Klub. Camilla Weitzel war damals 17 und eine Randfigur.

„Ich war da nur mit dabei, das war für mich in der Situation völlig in Ordnung“, sagt sie heute. „Es war eine Riesenveranstaltung, ein spektakuläres Publikum. Zu der Zeit hatte ich vor so einer Kulisse noch nie gespielt. Die Einlaufshow und das ganze Drumherum waren supergroß“, erinnert sich Weitzel an das Spektakel vor etwas mehr als 11.000 Zuschauern. Nun steht sie mit dem DSC wieder im Finale – diesmal gegen Stuttgart.

Für Weitzel hat sich in diesen zwei Jahren so ziemlich alles verändert. Sie ist eines der prägenden Gesichter des fünffachen deutschen Meisters, gilt als Stammspielerin – im Verein und in der Nationalmannschaft. Status: zunehmend unverzichtbar. Die 19-Jährige gilt als eines der besten deutschen Volleyball-Talente schlechthin. Vielleicht sogar als nächster Star.

© dpa/Matthias Rietschel

Superlative werden immer häufiger im Zusammenhang mit der 1,95 Meter großen Mittelblockerin genutzt. Für Bundestrainer Felix Koslowski war Weitzel bei der EM 2019 „eine der größten Entdeckungen des Sommers“. Und auch DSC-Coach Alexander Waibl weiß, was er an dieser jungen, intelligenten Frau hat, die ihr Abitur im vergangenen Sommer mit 1,0 abschloss. „Ich schätze alles an ihr. Sie ist ein kluger, aufrichtiger und anständiger Mensch, der im Sport den richtigen Weg findet“, betont er.

Wird sie auf solche Lobeshymnen angesprochen, schaut Weitzel verlegen nach unten. „Ich weiß, dass ich noch viel vor mir habe, noch viel erleben muss, um Erfahrungen zu sammeln. Aber natürlich ist es schön, so etwas zu hören. Das ist aber nichts, was ich zu sehr an mich ranlasse“, sagt sie und sucht selbst bei solchen Fragen nach der perfekten Antwort.

Höhenflug statt Karriereende

„Auch an einen Apfelkuchen – jüngst hat sie den für die Mannschaft gebacken – stellt sie hohe Ansprüche. „Der war ziemlich geschmacksneutral.“ Zumindest kann sie inzwischen herzlich darüber lachen. Die Pfälzerin gilt als immens lernfähig, manchmal aber zu verkopft. Eine, die sich hin und wieder selbst im Weg steht. Aber daran kann man arbeiten. Weitzel sowieso. Mit Teampsychologin Marie Herbst, die seit Oktober 2019 zum Betreuerteam beim DSC zählt, spricht sie auch darüber.

„Wir haben alle unsere kleinen Baustellen. Bei mir steht als großes Thema die Selbstkritik, der Selbstzweifel“, gibt sie zu. Weitzel braucht keinen Druck von außen. Der, den sie sich selbst auferlegt, könnte nicht größer sein. Daran könnte man verzweifeln. Weitzel tut das nicht. Nicht mehr. Vor zweieinhalb Jahren erwog sie, ihre hoffnungsvolle Karriere zu beenden, bevor sie richtig begonnen hatte. „Ich kann immer noch nachvollziehen, warum ich damals gezweifelt habe. Aber ich bin froh und zufrieden, wie ich mich entschieden habe. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, und mir gefällt es so, wie es gerade ist, richtig gut“, sagt sie heute und fügt an: „Die Entscheidung, die ich treffen musste, hat mich menschlich weitergebracht.“ Seither geht es für sie stetig bergauf.

© dpa/Sebastian Kahnert

Die jüngste Stammspielerin im Team hat gelernt, mit den Zweifeln besser umzugehen. „Ich denke, dass mir da Erfahrung sehr viel hilft.“ Natürlich hat sie noch Reserven – im Blockverhalten etwa. In der Liga-Statistik zu den direkten Blockpunkten wird Weitzel als zweitbeste Deutsche auf Rang zehn geführt. In puncto Angriffsquote ist die Jung-Nationalspielerin jedoch schon Zweite. 48,52 Prozent ihrer Angriffe verwandelt Weitzel. Das kann man als überragend einstufen.

Die Wahl-Dresdnerin ist in einem Alter, in dem Fehler dazugehören. Welcher Profi ist mit 19 schon fertig entwickelt? „Man probiert, die Fehlerquote gering zu halten. Aber für mich ist ganz wichtig, dass ich noch mehr daran arbeite, mir Fehler zu erlauben, sie mir eingestehen zu können.“ Die DSC-Anhänger tun das ohnehin, denn sie haben die gebürtige Hamburgerin, die im pfälzischen Landau aufgewachsen ist, bereits als Einheimische, als eine von hier angenommen. „Ich sehe mich mittlerweile als Dresdnerin, ich bin ja schon sechseinhalb Jahre hier“, sagt sie. Ihr Vertrag beim DSC läuft 2021 aus. „An mich ist noch niemand herangetreten. Ich habe kein Problem damit, hier ein weiteres Jahr zu spielen, zu wachsen“, sagt die Hochbegabte.

Schritt ins Ausland kommt, nur wann?

Selbst Waibl macht kein Geheimnis daraus, dass es Weitzel irgendwann ins sportlich und finanziell lukrativere Ausland ziehen wird. „Aber ich habe keinen festen Plan für die Zukunft. Natürlich will ich mal in den großen europäischen Ligen spielen. Ob das in zwei oder drei Jahren kommt, wird sich zeigen“, sagt sie.

Ein Pokalsieg 2020 würde sich so oder so gut in der Vita machen. Diesmal fühlt sich die sehr erwachsen wirkende Teenagerin bereit für eine tragende Rolle. „Das“, sagt sie, „wird mein erstes richtiges Pokalfinale. Ich freue mich drauf.“ Dass Gegner Stuttgart als Favorit gilt, stuft sie als Vorteil ein. Seit November 2017 gewann der DSC gegen den Rivalen kein Spiel. „Von Stuttgart wird erwartet, dass sie gegen uns gewinnen. Das ist für uns eine komfortable Situation“, sagt sie – und das klingt nun wirklich selbstbewusst.

TV-Tipp: Sport 1 überträgt am Sonntag ab 14 Uhr das Finale der Männer zwischen Düren und Berlin sowie ab 16.30 Uhr das Duell Stuttgart gegen Dresden.