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Wie Öko-Energie in Sachsen wieder Schwung bekommt

Obwohl Sachsen einen grünen Energieminister hat, stockt der Ausbau beim Ökostrom. Die Wind-Investoren bringen Ideen.

Von Georg Moeritz
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In diesem Jahr sind noch keine neuen Windkraftanlagen für Sachsen genehmigt worden. Der sächsische Verband VEE macht Vorschläge.
In diesem Jahr sind noch keine neuen Windkraftanlagen für Sachsen genehmigt worden. Der sächsische Verband VEE macht Vorschläge. © SZ-Archiv/Uwe Soeder

Dresden. Knapp 900 Windkraftanlagen drehen sich in Sachsen. Doch in diesem Jahr ist trotz Energiewende noch keine dazugekommen – und auch keine neue genehmigt worden, sagt Wolfgang Daniels. Der Präsident der VEE Vereinigung zur Förderung Erneuerbarer Energien in Sachsen findet, dass andere Bundesländer den Ausbau des Ökostroms leichter machen als Sachsen.

Am Freitag traf Daniels seine Verbandsmitglieder nach vielen Corona-Videokonferenzen erstmals wieder persönlich, sicherheitshalber in einem Biergarten. Doch während der Jahrestagung bei Sonne und Regen an der Saloppe in Dresden zeigte sich der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete ernüchtert: Sachsen lege viele Regeln streng aus.

Selbst das Energieministerium des Grünen-Ministers Wolfram Günther habe nun mal verschiedene Abteilungen mit verschiedenen Ansätzen, die erst diskutiert werden müssten. Und dann sei der CDU-Minister Thomas Schmidt für die Regionalplanung zuständig, also auch für Einschränkungen der Baumöglichkeiten. 1.000 Meter Mindestabstand zwischen Wohnbebauung und neuen Windkraftanlagen stehen im Koalitionsvertrag.

Keine Flächen für Windanlagen in Sachsen freigegeben

Zwar hat Sachsen seit Juni das lange erwartete Energie- und Klimaprogramm mit Ausbauzielen für Öko-Energie, doch laut Daniels ist die Branche trotzdem „seit Monaten im Schwebeprozess“. VEE-Vorstandsmitglied Kerstin Mann sagt, selbst die erhoffte Beschleunigung von Genehmigungsverfahren werde Windkraft-Planungsfirmen wie ihrem Arbeitgeber UKA in Meißen zunächst nicht helfen.

Denn die Regionalpläne für die vier sächsischen Planungsregionen seien „steckengeblieben“. Um neue Flächen für Windkraft freizugeben, müssten nun erst wieder auf Basis des neuen Energie- und Klimaprogramms neue Regionalpläne aufgestellt werden. „Unter drei Jahren ist das realistisch nicht zu erwarten.“ Die Zwischen-Ausbauziele des Klimaprogramms seien kaum noch zu erreichen.

Rund 230 neue Windkraftanlagen mit 150 Meter Nabenhöhe müssten laut VEE in den nächsten Jahren in Sachsen aufgestellt werden. Genügend geeignete Plätze gibt es nach Ansicht von Daniels durchaus. Der Verbandspräsident sagt, größere Windparks aus zehn Anlagen oder mehr seien in Sachsen zwar kaum noch zu erwarten, am ehesten in den Tagebauregionen der Lausitz. Viele Gemeinden seien aber bereit, zumindest eine oder zwei Windkraftanlagen zuzulassen.

Drei Wünsche der Windmüller

Moderne hohe Windräder könnten zehnmal soviel Strom erzeugen wie alte von vor zehn Jahren. Daher lohne sich auch das „Repowering“, also der Ersatz alter Räder durch höhere an Standorten, an denen sich die Nachbarn an die Technik gewöhnt hätten. „Kurzfristig könnte man Repowering-Flächen nutzen, damit was in Gang kommt“, sagt Daniels.

Drei Wünsche für die nähere Zukunft hat der Verbandspräsident: Die künftige sächsische Bauordnung sollte die 1.000 Meter Mindestabstand zu Windrädern nicht zu streng festlegen – gilt der Abstand zur nächsten Siedlung oder auch zu einer Häusergruppe, gilt er auch für Altstandorte mit Repowering?

Außerdem erwartet der VEE zum Jahresende einen einheitlichen Leitfaden zum Vogelschutz aus dem Umweltministerium, damit nicht Windkraftgegner mit vorgeschobenen Tierschutzargumenten den Bau neuer Anlagen bremsen.

Drittens schlägt Daniels vor, Kommunen mehr eigene Entscheidungen für Windkraftanlagen auf ihrem Gebiet zu erlauben. Eine Gemeinde könne bis zu 40.000 Euro Erlös pro Jahr aus dem Betrieb einer privaten Windkraftanlage mit 20 Millionen Kilowattstunden Strom bekommen, rechnet Daniels vor. Das sei für viele Regionalparlamente ein starkes Argument pro Windkraft, findet Simone Peter, die als Gastrednerin die VEE-Jahresversammlung besucht. Die ehemalige Grünen-Bundesvorsitzende und frühere Umweltministerin im Saarland ist jetzt Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien.

Mittelstandsverband fordert mehr Ökostrom

Daniels erlebt als Windkraftplaner allerdings in manchen Gemeinden eine „ideologische“ Abwehr und Bürgermeister „als Alleinherrscher vor allem im Erzgebirge“. Er hofft nun auf die angekündigte Vermittlung und Beratung durch neue Mitarbeiter der Sächsischen Energieagentur Saena.

Simone Peter lobt das Nachbarland Brandenburg, wo auch gemeinsam mit dem Bergbaukonzern Leag Solarprojekte für ehemalige Tagebaue geplant würden. Auch die Industrie verlange mehr Ökostrom.

Unterstützung bekommt der VEE vom BVMW Bundesverband mittelständische Wirtschaft: Dessen sächsischer Landeschef Jochen Leonhardt sagt, bisher bringe Sachsens Klimapolitik den Standort nicht auf den Weg zu einem treibhausgasneutralen Stromsektor und verunsichere die Wirtschaft. Der Steuerberater findet, erneuerbare Energien hätten inzwischen ein Preisniveau erreicht, mit dem mittelständische Betriebe kostengünstig ihren Strom produzieren könnten. Doch die Rahmenbedingungen führten dazu, dass Interessierte "gar nicht in Erneuerbare investieren".