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Wieso die europäische Solarindustrie in Gefahr ist

Allein in Sachsen drohen Heckert-Solar, Meyer Burger und Solarwatt mit der Einstellung der Produktion. Wieso das die europäische Energiewende bedroht, erklärt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Bernhard Herrmann in einem Gastbeitrag.

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Warum die Solarindustrie einen Resilienzbonus braucht. Ein Gastbeitrag von Bernhard Herrmann.
Warum die Solarindustrie einen Resilienzbonus braucht. Ein Gastbeitrag von Bernhard Herrmann. © PR

Von Bernhard Herrmann

Im Jahr 2023 boomte der Solarausbau in Europa. Allein in Deutschland wurden mehr als eine Million Solaranlagen errichtet. Das hat den Klimaschutz im Stromsektor einen großen Schritt nach vorne gebracht. Auf den ersten Blick scheint es der Solarbranche gut zu gehen. Wo ist also das Problem?

Neben dem Klimaschutz haben die teuren Strompreise viele Menschen dazu veranlasst, Solarmodule auf ihren Dächern zu installieren. Inzwischen sind die Energiepreise jedoch wieder gesunken. An sich eine gute Entwicklung. Doch langfristig könnte dadurch ein Paradoxon entstehen: eine abnehmende Nachfrage nach Solaranlagen und bleibende Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Eine weitere Abhängigkeit hatten wir viel zu lange nicht im Blick: die von chinesischen Solaranlagen.

Diese Abhängigkeit droht sich zu verschärfen. Denn die europäische Solarindustrie ist massiv durch einen Dumpingangriff aus China bedroht. Vor allem aufgrund von Milliarden-Subventionen des chinesischen Staates werden in Europa chinesische Solarmodule unter ihren Herstellungskosten verkauft. Diesen Preisverfall von über 40 Prozent können hiesige Unternehmen nicht kompensieren.

Man könnte einwerfen, dass dies zum unternehmerischen Risiko gehört und wir froh sein können, wenn China unsere Energiewende subventioniert. Jedoch ignoriert dieser Gedanke bedeutende Nachteile.

90 Prozent der Solarmodule aus China

Schon heute ist Europa im Bereich Solar von zum Teil unter fragwürdigen Bedingungen in China produzierten Produkten abhängig. Mindestens 90 Prozent der in Europa verbauten Solarmodule kommen aus dem Reich der Mitte. Welches Risiko eine einseitige Abhängigkeit birgt, haben wir im Jahr 2022 im Gassektor gesehen.

Falls sich China in Zukunft dazu entscheiden sollte, Solarmodule nicht mehr nach Europa zu exportieren, würde der Ausbau der Erneuerbaren Energien in diesem Bereich abrupt stoppen. Installateure von Solaranlagen würden arbeitslos, Handwerksbetriebe und Projektierer insolvent. Wo keine Aufträge, da keine Arbeit. Selbst wenn nur vorübergehend kaum noch Solarmodule in Europa zu Verfügung ständen, gäbe es langfristige Auswirkungen. Denn eine kaputte Branche erholt sich nur schwer. Dies haben wir nach der ersten, vor etwas mehr als 10 Jahren beginnenden Insolvenzwelle der Solarindustrie erlebt. Auch die Auswirkungen für das Gelingen der Energiewende und damit auf den Klimaschutz wären verheerend.

Wie lässt sich dieses Dilemma lösen?

Die EU hat das Risiko erkannt und sich das Ziel gesetzt, dass bis 2030 die europäische Produktion an Solaranlagen 40 Prozent der europäischen Nachfrage abdecken soll. Bereits zuvor hatte die Bundesregierung langfristig wirkende Förderprogramme beschlossen. Diese sind sinnvoll, um die Abhängigkeit von China mittelfristig zu reduzieren.

Aufgrund des derzeitigen akuten Preisverfalls brauchen wir jedoch auch kurzfristig helfende Maßnahmen. Dabei geht es nicht darum, den kompletten Preisunterschied zwischen europäischen und chinesischen Modulen zu subventionieren. Europäische Module waren auch in der Vergangenheit teurer und wurden wegen ihrer Qualität trotzdem gekauft. Sie sind konkurrenzfähig, solange Modulpreise nicht mit Dumpingattacken zusätzlich gedrückt werden.

Und da kommt der sogenannte Resilienzbonus ins Spiel. Die Idee ist simpel: Wer eine Solaranlage mit europäischen Komponenten kauft, bekommt eine höhere Förderung. Es ist eine Win-Win-Situation sowohl für die europäischen Hersteller als auch die Kundinnen und Kunden. Zudem werden Arbeitsplätze gesichert und Abhängigkeiten reduziert. Der Resilienzbonus ist das effektivste Instrument, das gleichzeitig schnell umsetzbar ist.

Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass es den Resilienzbonus nicht kostenlos gibt, genauso wenig wie Freiheit und Unabhängigkeit. Aber ein Blick zurück auf die Gasabhängigkeit von Russland zeigt uns, dass Nicht-Handeln meistens sehr viel teurer wird. Wenn jetzt nicht zügig gehandelt wird, ist das Risiko sehr groß, dass die sächsische und europäische Solarindustrie ein zweites Mal verschwindet.

Gerade bei uns in Sachsen ist die Solarindustrie bedeutend. Innovative Unternehmen sichern seit Jahren Arbeitsplätze, schaffen neue, erzeugen Wertschöpfung und bringen zudem gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden die Energiewende voran. Ein zweiter, dann sehr sicher endgültiger Untergang der europäischen Solarindustrie wäre auch für die Wirtschaft, die Unternehmen sowie die Beschäftigten in Sachsen und weitere Teile Ostdeutschlands fatal. Bei einer zentralen Zukunftstechnologie wären wir komplett von China abhängig, welches dann als möglicher Monopolist Preise und Verfügbarkeiten bestimmen könnte.

Das wären keine guten Aussichten, weder für die Verbraucherinnen und Verbraucher noch für den Klimaschutz. Deswegen brauchen wir jetzt einen Resilienzbonus.

Zum Autor: Bernhard Herrmann ist seit 2021 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Er hat an der TU Dresden Wasserbauingenieurwesen studiert und ist Experte für Wasser- und dezentrale Energiewirtschaft.