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Warum Solarwatt Dresden immer mehr Handwerksbetriebe kauft

Der Dresdner Solarmodulhersteller Solarwatt droht damit, seine deutsche Fabrik zu schließen. Doch er dehnt sein bundesweites Netz an Handwerksbetrieben aus. Was geplant ist.

Von Georg Moeritz
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Installation auf dem Dach: Solarwatt Dresden hat Module auf dem Olympiastadion Berlin und kauft Handwerksbetriebe.
Installation auf dem Dach: Solarwatt Dresden hat Module auf dem Olympiastadion Berlin und kauft Handwerksbetriebe. © Archivfoto: Solarwatt

Dresden. Das nächste Ziel ist Niedersachsen: Der Dresdner Solartechnik-Hersteller Solarwatt GmbH hat 60 Prozent der Anteile an einem Installationsbetrieb in Bückeburg bei Hannover übernommen. Die Ahrens Solar- und Dachtechnik mit 58 Beschäftigten ist spezialisiert auf die Installation von Fotovoltaik-Anlagen und Lösungen für die Elektromobilität. In diesem Jahr will sich Solarwatt noch mehr Standorte in ganz Deutschland sichern, wie das Unternehmen am Mittwoch in Dresden mitteilte.

Dabei sind die europäischen Fabriken der Solarbranche derzeit in Schwierigkeiten. Sowohl Solarwatt als auch die Freiberger Fabrik des Schweizer Konzerns Meyer Burger haben damit gedroht, die Produktion in Sachsen einzustellen. Sie fordern Staatshilfe gegen Billigkonkurrenz aus China. Nach ihren Angaben kommen die Module von dort zu Dumpingpreisen nach Europa, weil China die Produktion fördere, während die USA Handelshemmnisse gegen China errichte.

Solarwatt hat zum Jahresende 85 Arbeitsplätze gestrichen. Das Unternehmen beschäftigt nun nach eigenen Angaben 710 Menschen, davon 600 in Dresden. Die meisten sind allerdings in Büros und nicht in der Produktion beschäftigt. Würde die Dresdner Fabrik geschlossen, müssten nach Angaben von Geschäftsführer Detlef Neuhaus 120 Menschen gehen. Bei Meyer Burger in Freiberg geht es um 500 Arbeitsplätze.

Sorge um Abhängigkeit von China bei Solartechnik

Gemeinsam mit dem Bundesverband Solarwirtschaft fordern die sächsischen Fabrikanten, dass Module aus europäischer Produktion mit einem Bonus für die Käufer unterstützt werden sollen. Auch Heckert Solar aus Chemnitz und der Rohstofflieferant Wacker Chemie haben sich der Forderung angeschlossen. Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) unterstützt die Initiative und bemüht sich außerdem, mit anderen europäischen Regionen wie Andalusien um Unterstützung auf EU-Ebene. Die FDP in der Bundesregierung müsse überzeugt werden, dass die Branche strategisch wichtig sei.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Mittwoch beim Pressegespräch zum Jahreswirtschaftsbericht auf Nachfrage zur Lage der Solarindustrie, der Vorschlag für den Bonus liege zur Beratung im Bundestag. Die Verhandlungen seien weit fortgeschritten. Die EU-Kommission habe vorgeschlagen, dass europäische Module noch bei 15 Prozent höheren Preisen als chinesischen gefördert werden könnten.

Günther sagte, falls Europa keine Solartechnik mehr herstelle, könne China die Mengen und Preise bestimmen. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Bernhard Herrmann schrieb in einem Gastbeitrag für sächsische.de, ein Ende der hiesigen Produktion würde die Energiewende bedrohen. Europa werde womöglich in einer zentralen Zukunftstechnologie abhängig von China.

Solarwatt hat Handwerker von Lübeck bis Ludwigsburg

Die Hersteller fordern nicht etwa, Zölle gegen Importe aus China zu verhängen. Sie beziehen selbst Material von dort. Solarwatt stellt nur einen Teil seiner Fotovoltaik-Module in Dresden her und braucht dafür Zellen aus China. Die größere Menge der Solarwatt-Module wird direkt in China im Auftrag des Dresdner Unternehmens gefertigt und importiert.

Umso wichtiger ist es für die sächsischen Hersteller, den Vertrieb ihrer Produkte zu sichern. Solarwatt hat schon 2022 das Lübecker Installationsunternehmen E-nel übernommen. Außerdem sind die Dresdner mit eigenen Installationsteams in vier Städten aktiv: in Dresden, Kassel, Bochum sowie Ludwigsburg in Baden-Württemberg. In diesem Jahr sollen weitere Standorte in ganz Deutschland hinzukommen, kündigte Solarwatt an. Allerdings hatte das Unternehmen auch Anfang vorigen Jahres angekündigt, in dem Jahr 2023 zwei bis vier Handwerksbetriebe in den alten Ländern aufzubauen oder zu kaufen. Übernehmen sei leichter als selbst aufbauen, sagt Neuhaus.

Sächsische Handwerker schließen Bündnis

Nicht nur in der Solarbranche wird es zum Trend, Installationsbetriebe zu übernehmen. Voriges Jahr hat der schwedische Energietechnik-Konzern Aira den Glauchauer Handwerksbetrieb Garant Wärmesysteme übernommen. Dessen 75 Beschäftigte sind unter anderem auf den Einbau von Wärmepumpen spezialisiert. Aira will dort ein Schulungszentrum einrichten wie schon in Berlin und 100 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.

Manche Handwerksbetriebe schließen dagegen Bündnisse untereinander statt mit der Industrie: Der Dachdeckerbetrieb des Dresdner Handwerkskammerpräsidenten Jörg Dittrich in Ottendorf-Okrilla hat einen Verbund namens "Meisterwerke Dresden" mit drei Partnern gegründet. Daran beteiligt sind der Sanitärbetrieb Eberhard Rink, Metallbau Hans Walther sowie Felgner Sicherheitstechnik. Sie wollen ihre Fachkompetenzen vernetzen und bieten elf Ausbildungsberufe an.

Solarwatt teilte mit, die Neuerwerbung Ahrens in Bückeburg habe eine Kundenbasis von mehr als 4.500 Solaranlagen, das Geschäft dort solle weiter ausgebaut werden. Die Dresdner wollen den Installationsbetrieb mit Produkten, Marketing, Digitalisierung und Einkauf unterstützen. Ahrens solle vor allem als "One stop shop" für Kunden arbeiten, also aus einer Hand die Lösungen für Energiefragen bieten. Solarwatt stellt auch Akkus her und bietet mit dem Dresdner Softwareunternehmen Kiwigrid die Technologie zum Steuern des Stromverbrauchs.