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Nicht jedes Krankenhaus soll seine Notaufnahme behalten

Patienten in Sachsen sollen künftig über eine Leitstelle in neue Notfallzentren vermittelt werden. Kritiker der Krankenhausreform fürchten längere Wege.

Von Stephanie Wesely
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Im Zuge der Krankenhausreform werden die Notaufnahmen neu strukturiert.
Im Zuge der Krankenhausreform werden die Notaufnahmen neu strukturiert. © dpa

Leipzig. Derzeit bieten alle 78 Krankenhäuser in Sachsen eine ambulante Notfallversorgung – deutschlandweit sind es 1.200 von 1.700 Kliniken. Das soll nicht so bleiben. Mit der geplanten Krankenhausreform werden an bundesweit mehr als 400 Krankenhäusern integrierte Notfallzentren gebildet. Sie bestehen aus der Notaufnahme des Krankenhauses, einer kassenärztlichen Notfallpraxis und einer zentralen Entscheidungsstelle, die Hilfesuchende entsprechend der Schwere ihrer Erkrankung oder Verletzung entweder in die Notaufnahme oder in eine Praxis weiterleitet.

Gleichzeitig soll ein neues Leitsystem für Notrufe installiert werden. Wer künftig die 112 oder die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117 wählt, kommt bei einer Leitstelle an. Medizinisch qualifizierte Fachkräfte schätzen dort die Schwere des Notfalls ein und vermitteln die Patienten. Auch der Rettungsdienst erhält mehr Kompetenzen, um vor Ort zu entscheiden, ob der Patient ins Krankenhaus muss oder auch zu Hause adäquat versorgt werden kann.

Nur jeder Zweite ist wirklich ein Notfall

Notfallmediziner und Krankenkassen erhoffen sich davon eine bessere Steuerung der Patientenströme. „Denn nicht jeder Patient in der Notaufnahme ist heute wirklich ein Notfall“, sagt Professor André Gries, Leiter der Zentralen Notaufnahme am Uniklinikum Leipzig. „Etwa jeder zweite kann am gleichen Tag wieder nach Hause, weil seine Behandlung auch beim niedergelassenen Arzt möglich ist.“ Von den Unfallpatienten treffe das auf 95 Prozent zu. Ihre ambulante Versorgung scheitere aber oft an der fehlenden Ausstattung, zum Beispiel mit Röntgentechnik, so Gries, der Sprecher der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin ist. Für ihn sind die Pläne des Bundes eine Chance für eine qualitativ bessere und wirtschaftlichere Notfallversorgung.

Krankenhäuser befürchten Verschlechterung

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft dagegen sieht die Pläne kritisch, denn damit haben künftig nicht mehr alle Kliniken eine Notaufnahme. Das bedeute für Patienten längere Wege und für das Personal eine höhere Belastung. Friedrich R. München, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen, befürchtet auch im Freistaat eine Verschlechterung der Versorgung, weil die Zahl der Menschen, die eine Notfallversorgung nutzen, seit Jahren steige. „Besonders während saisonaler Infektionswellen kommen Notaufnahmen regelmäßig an ihre Grenzen“, sagt er.

Prozess kritisch beobachtet

Notfallmediziner Gries zufolge könne das künftig durch eine Steuerung der Patientenströme verhindert werden. Damit kämen letztlich weniger Patienten in die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Auch die wichtige Ressource Personal würde dann effizienter eingesetzt. „Die Umstrukturierung ist ein Prozess, der 10 bis 15 Jahre dauern kann“, sagt er. In dieser Zeit müssten Veränderungen mit Augenmaß getroffen werden. Im Freistaat wollen unter anderem Krankenkassen, Landesärztekammer und Sozialministerium deshalb darauf achten, dass Sachsen nach der Reform über wirklich zukunftsfähige Strukturen verfügt. Auch sie sehen in den Reformplänen eine Chance zur Verbesserung der Versorgungsqualität.