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Ex-Kapitänin will ins EU-Parlament: "Warum treten Sie in Sachsen an, Frau Rackete?"

Flüchtlingsretterin Carola Rackete will sich im Europawahlkampf der Linken dem Strukturwandel im Osten widmen. Im Interview erklärt sie ihre Kandidatur für die sächsische Linke und sagt, ob sie auch in die Partei eintritt.

Von Thilo Alexe
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Carola Rackete kandidiert für die sächsische Linkspartei für das EU-Parlament
Carola Rackete kandidiert für die sächsische Linkspartei für das EU-Parlament ©  dpa (Archiv)

Frau Rackete, Sie wollen für die sächsische Linke zur Europawahl im kommenden Jahr antreten. Warum Sachsen?

Die Dresdner Linkenabgeordnete Cornelia Ernst, die nicht mehr antritt, hat sich sehr für mich stark gemacht. Natürlich muss das demokratisch bestätigt werden, aber es war ihr Wunsch. Dazu kommt, dass das Thema Strukturwandel in der Lausitz angegangen werden muss. Wenn der gelingt, kann die Region zu einem Vorbild werden.

Bei ihrer Vorstellung sagten sie, sowohl der Osten Deutschlands als auch der globale Süden seien durch Folgen des Klimawandels besonders gefährdet. Warum?

Etwa 90 Prozent der klimaschädlichen Emissionen werden im globalen Norden durch Industrieländer ausgestoßen. Die Schäden haben wir vor allem im Süden, in ärmeren Ländern, die weniger Ressourcen haben, um damit umzugehen. Im Osten, etwa in der Lausitz, haben die Menschen Sorgen, wie es weitergehen soll. Und denken Sie an die Waldbrände im vergangenen Jahr, etwa in der Sächsischen Schweiz und Brandenburg. Das sind Folgen der Klimakrise.

Welches Politikangebot machen Sie den Menschen in der Lausitz?

Ich kann die Sorge der Menschen vor dem Wandel komplett verstehen, frühere Wandlungen im Osten sind nicht gut gelaufen und haben zu einem Verfall der Regionen geführt. Dennoch finde ich es wichtig zu sagen, dass der Kohleabbau nicht bis 2038 weitergehen kann. Unter anderem durch den Anstieg der CO2-Preise wird die Kohle zum Ende der 2020er-Jahre unrentabel werden. Es ist dringend notwendig, dass man den Menschen in der Lausitz Qualifizierungs- und Umschulungsangebote macht. Da ist der Staat in der Pflicht.

Gibt es da Vorbilder?

Es gibt erste Beispiele aus der Öl- und Gasindustrie in Schottland. Dort sind viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit, auf erneuerbare Energien umzuschulen. Das sind aber keine Kurse von einer Woche, sondern langfristige Lehrgänge. Daher ist es wichtig, dass der Staat das finanziert.

Werden Sie im Zuge des Europawahlkampfs in Sachsen präsent sein?

Ich denke, dass ich das Dresdner Büro von Frau Ernst nutze und es im Falle meiner Wahl auch übernehme. Details sind noch offen. Ich trete zwar für den sächsischen Landesverband der Linken an. Doch die Liste, die ein Parteitag im November wählt, ist eine bundesweite. Das heißt, der Europawahlkampf läuft deutschlandweit. Ich werde sowohl in Sachsen als auch in anderen Teilen des Landes unterwegs sein.

Sie sind parteilos, richten aber klare Worte an die Linke. Die müsse antifaschistisch,
antirassistisch sein und ihren Abgeordneten Nebeneinkünfte verbieten. Letzteres klingt wie eine Abgrenzung zu Sahra Wagenknecht.

Für die Glaubwürdigkeit von Parteien ist es wichtig, wie es um die Einkünfte der Abgeordneten steht. In Österreich bei der KPÖ, in Spanien bei der Linkspartei und bei der Arbeiterpartei in Belgien gibt es entsprechende Regelungen zu Nebeneinkünften. Zudem finde ich es richtig, dass die Linke gegen den Migrationspakt gestimmt und sich damit klar antirassistisch gezeigt hat. Zudem darf es nicht sein, dass gefragt wird, ob Geringverdiener oder Migranten Hilfe bekommen. Diese Fragen muss man so lösen, dass man eine Umverteilung von oben nach unten anstrebt und nicht einzelne Gruppen gegeneinander ausspielt.

Wie stehen Sie zu Klimaklebern?

Dass beim Klimaschutz nichts passiert, das liegt hauptsächlich an der Bundesregierung. Kanzler Olaf Scholz hat versprochen, dass er Klimakanzler sein wird. Gekommen ist wenig. Minister Wissing hätte ein Sofortprogramm für den Verkehrssektor vorlegen sollen. Letztlich ist das Arbeitsverweigerung der Regierung, das regt viele auf, das ist für mich nachvollziehbar.

In der Linken wurden bereits mehrere zunächst Parteilose für Europa aufgestellt, unteranderem vor Jahren Bodo Ramelow. Bleiben Sie parteilos?

Ich wurde als Parteilose angefragt, unter anderem mit dem Ziel, die Verbindung etwa zur
Klimabewegung zu stärken. Das bleibt jetzt erstmal so.