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Hilbert-Panne: "Diese Lässigkeit des OBs bei so einem ernsten Thema ..."

Womöglich wird sich Dresdens OB Dirk Hilbert (FDP) wegen eines Formfehlers nicht zur Wiederwahl stellen können. Hebeln Juristen damit die Demokratie aus?

Von Dirk Hein
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Formal steht OB Dirk Hilbert (FDP) auf dem Stimmzetteln für die Wahl am 12. Juni. Ob das so bleibt, daran gibt es weiter Zweifel.
Formal steht OB Dirk Hilbert (FDP) auf dem Stimmzetteln für die Wahl am 12. Juni. Ob das so bleibt, daran gibt es weiter Zweifel. © Sven Ellger

Dresden. Der Oberbürgermeister ist mindestens in der Klemme: Weil mit Stadtfest-Organisator Frank Schröder mindestens eine nicht in Dresden stimmberechtigte Person in wichtiger Rolle dabei half, dass Dirk Hilbert erneut als OB-Kandidat aufgestellt wird, gibt es jetzt juristischen Ärger. Hilbert könnte als aussichtsreichster Bewerber vom Wahlzettel für den 12. Juni fliegen. Für fast alle Mitbewerber ist das kein Grund, auf Widersprüche zu verzichten.

Valentin Lippmann sitzt für die Grünen im Landtag. Er ist dort parlamentarischer Geschäftsführer und stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Für seine Partei vertrat der Rechtsexperte die Interessen der Grünen im Gemeindewahlausschuss, der Anfang der Woche über die Zulassung der Kandidaten zur OB-Wahl abstimmte. Der Ausschuss ist paritätisch mit Vertretern aus der Politik besetzt, den Vorsitz hat Markus Blocher. Er leitet das Bürgeramt der Stadt und ist Dresdens Kreiswahlleiter.

In diesem Ausschuss brachte Lippmann mit seinen Nachfragen den "Fall Hilbert" ins Rollen. Lippmann wies darauf hin, dass eine Person eine "Versicherung an Eides statt unterschrieben, die nicht in Dresden wohnt.“ Frank Schröder hatte so für Hilberts Wahlverein "Unabhängige Bürger für Dresden"" gegenüber dem Wahlausschuss den ordnungsgemäßen Ablauf der Nominierung Hilberts bestätigt. Schröder hatte zudem für die Nominierung von Hilbert gestimmt. Formal sind beides relevante Fehler, die jetzt zum Ausschluss Hilberts von der Wahl führen könnten.

Ob Lippmann sich jetzt Gedanken macht, dass er als Auslöser den aussichtsreichsten Kandidaten bei der Wahl zumindest extrem unter Druck gebracht hat? "Dieser Wahlvorschlag war aus meiner Sicht nicht zulassungsfähig, darauf habe ich hingewiesen", so Lippmann knapp. Und: "Ja, ich bin mir der Tragweite bewusst."

Aufgrund der Aussagen Lippmanns haben bereits AfD und Piraten Beschwerde gegen die Nominierung Hilberts für die Wahl eingelegt. Die Grünen um ihre Kandidatin Eva Jähnigen folgen: "Unsere Vertrauenspersonen für die Wahl werden Beschwerde gegen den Wahlvorschlag einreichen", so Jähnigens Wahlkampfsprecher Kevin Schwarzbach.

"Hilberts Lässigkeit bei diesem ernsten Thema"

Auch Klemens Schneider, Chef der Dresdner Grünen bezieht klar Stellung: "Das Vertrauen in den korrekten Ablauf der Wahl muss erhalten bleiben", sagt er. "Mögliche Fehler müssen im Vorfeld geklärt werden."

Sein Hauptargument für die Beschwerde gegen Hilberts Nominierung: "Bei Aufstellungen für eine Wahl gelten die gleichen strengen Regeln wie für eine Wahl. Die Menschen dürfen darin nicht das Vertrauen verlieren." Das Hilbert dies quasi nebenbei "mit seinen Vertrauten angehen wollte, irritiert mich sehr. Diese Lässigkeit des OBs bei so einem ersten Thema, das passt nicht zum Anspruch an den Chef einer Großstadtverwaltung", so Schneider.

Auch die AfD sieht keinen Spielraum, aufgrund des "dämlichen Formfehlers von Herrn Hilbert" nicht Beschwerde einzulegen. "Der Fehler kann nicht ungeschehen gemacht werden. Auch ohne unsere Beschwerde wären Zweifel an der Wahl geblieben", so Joachim Keiler, Anwalt und AfD-Landtagsmitglied. Der Jurist vertritt OB-Kandidat Maximilian Krah bei dessen Beschwerde an die Landesdirektion gegen Hilberts Wahlzulassung.

Laut Keiler gibt es Parallelfälle, bei denen das Fehlen eines stimmberechtigten Zeugens zur Nichtzulassung des Wahlvorschlages führte. Die Fälle stammten zwar aus anderen Bundesländern, "der Rechtsgedanke ist aber der gleiche."

"Ein erheblicher Einschnitt in die Wahlmöglichkeiten"

Am Mittwoch teilte zudem die Linke mit, fristgemäß Beschwerde bei der Landesdirektion Sachsen eingelegt zu haben. Die Bedenken bei den Linken waren demnach jedoch größer.

"Wir haben uns dies nicht leicht gemacht und sind uns darüber im Klaren, dass wir uns in einem politischen Dilemma befinden", so die Vertrauensperson der Linken, Kristin Hofmann. Der Ausschluss eines chancenreichen Bewerbers und Amtsinhabers stelle einen erheblichen Einschnitt in die Wahlmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger dar.

Auch aus Gründen des fairen Wettbewerbs sollten "heilbare formale Fehler nicht zulasten eines Bewerbers ausgelegt werden." Hilberts Wahl-Fehler sei jedoch ein schwerwiegender Verstoß.

Sollte die Landesdirektion die Entscheidung des Wahlausschusses nicht korrigieren, drohe nicht nur ein Verlust des Vertrauens der Bürger in die Unabhängigkeit und Fairness der Wahlorgane, "sondern die Ungültigkeit der gesamten Wahl und damit eine Wahlwiederholung."

Die Vertrauensperson der SPD um OB-Kandidaten Albrecht Pallas wird ebenfalls bei der Landesdirektion Beschwerde einlegen. "Wir erhoffen eine zügige Entscheidung", sagt Jan-Ulrich Spies, stellvertretender Vorsitzender der SPD Dresden. Sein Augenmerk: Auch die Briefwahl muss im Wissen um das reguläre Kandidatenfeld stattfinden. "Wir haben ein großes Interesse daran, dass schnellstmöglich Klarheit hergestellt wird." Tatsächlich hat die Landesdirektion theoretisch bis vier Tage vor der Wahl Zeit, die Beschwerden gegen Hilberts Nominierung zu prüfen. Experten rechnen, auch mit Blick auf die Briefwähler, mit einem schnelleren Entscheid.

"Am Ziel OB zu bleiben, halte ich fest"

Im Umfeld von Hilbert will man die Situation am liebsten nicht weiter kommentieren. Frank Schröder als öffentlich benannter Auslöser der Hilbert-Panne, schweigt. Hilbert äußerte sich bereits am Dienstag per Pressemitteilung. "Auch besondere Herausforderungen sind dafür da, um sie zu meistern. Mein Ziel, Oberbürgermeister von Dresden über den Sommer 2022 bleiben zu wollen, habe ich entschlossen weiter konzentriert und fokussiert im Blick."