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Olaf Scholz besucht Sachsen: Der Tag zum Nachlesen

Es war ein straffes Programm, das Bundeskanzler Olaf Scholz in Sachsen abarbeiten musste. Er besuchte aber nicht nur Unternehmen, sondern bewies auch eine ruhige Hand und kam mit einigen Sachsen ins Gespräch.

Von Annette Binninger & Henry Berndt & Dominique Bielmeier & Maik Brückner & Alexander Schneider & Carlotta Böttcher
 7 Min.
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Olaf Scholz war bei seinem Besuch in Sachsen auch bei den Elbe Flugzeugwerken zu Gast.
Olaf Scholz war bei seinem Besuch in Sachsen auch bei den Elbe Flugzeugwerken zu Gast. © Ebrahim Noroozi/AP Pool/dpa

Dresden. Was könnte man den Bundeskanzler fragen, wenn man einmal die Möglichkeit dazu hat? „Welche Superkraft hätten Sie gern, wenn Sie sich eine aussuchen könnten“, fragt die Mitarbeiterin mit den langen, schwarzen Haaren. Die Idee zu der Frage sei zu Hause am Frühstückstisch entstanden. Der Bundeskanzler lächelt, aber er bleibt der Bundeskanzler: „Ich würde mir mehr Zusammenhalt wünschen“, sagt er.

Olaf Scholz' Tour durch Sachsen, Station 1: Elbe-Flugzeugwerke in Dresden

Am Donnerstagmittag ist Olaf Scholz zu Gast bei den Elbe Flugzeugwerken Dresden (EFW). Es ist die erste Station eines vollgepackten Tages in Sachsen. Er ist mit dem Hubschrauber gelandet und trägt jetzt eine blaue Mütze, die in Wirklichkeit eher ein Helm ist und in den Fertigungshallen zur Sicherheitsausrüstung gehört.

Das Traditionsunternehmen ist Weltmarktführer im Umbau von Airbus -Passagier- zu Frachtflugzeugen. Außerdem ist EFW der größte Hersteller von Bodenpaneelen für Flugzeuge. In Dresden beschäftigt das Unternehmen rund 2.000 Mitarbeiter und ist damit eines der größten Industrie-Unternehmen Sachsens.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht die Elbe Flugzeugwerke in Dresden. Die Mützen sind im übrigen Helme.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht die Elbe Flugzeugwerke in Dresden. Die Mützen sind im übrigen Helme. © Matthias Schumann

Scholz hat ein minutiöses Programm. Zusammen mit CEO Jordi Boto und Arbeitsdirektor Kai Mielenz besichtigt der Kanzler zuerst einen zum Frachtflugzeug umgerüsteten Airbus A330, der bereit für die Auslieferung ist. Boto sagt: "Für uns ist der Besuch eine große Ehre. Ich hoffe, dass wir mit dem Bundeskanzler darüber sprechen können, wie die bürokratischen Verfahren für die Einstellung ausländischer Fachkräfte vereinfacht werden könnten."

Im Anschluss spricht er mit einigen Mitarbeitern und dem Betriebsrat. Dieses Gespräch - wie auch der Besuch des Militärtechnik-Bereiches - sind nicht öffentlich. Scholz sagt danach im Pressgespräch: "Wirtschaftlicher Aufschwung gelingt in einem Land, das zusammenhält, das sich nicht spalten lässt. Und deshalb ist es ganz wichtig, dass wir auch denen widersprechen, die unser Land auseinandertreiben wollen", Scholz bekommt noch ein wenig überraschendes Abschiedsgeschenk als praktisches Handgepäck für den Rest des Tages: das Modell eines A330.

Gegen 13 Uhr hat Scholz seine Reise fortgesetzt in Richtung Glashütte. Mittagessen gibt es im Auto: Für seine Fahrt nach Glashütte bekommt er eine Lunchbox mit Gummibärchen. Gegen 14 Uhr wird Scholz dort eintreffen.

Station 2: Nomos in Glashütte

Von Dresden aus fuhr Scholz mit seinem Tross nach Glashütte, wo er um 14.10 Uhr eintraf. Kurz vor der Ankunft des Bundeskanzlers kreiste ein Hubschrauber über der Stadt. Um 14.10 Uhr traf der Tross mit zehn Minuten Verspätung ein. Scholz verzichtete auf eine Ansprache an die zehn Journalisten (Zeit, Handelsblatt, SZ...), hob nur kurz die Hand zum Gruß. Im Gebäude, der Chronometrie, in der der Uhrenhersteller Nomos Glashütte seine Uhrwerke montieren lässt, ging es dann streng nach Protokoll zu. Das Bundespresseamt hat den Termin genau inszeniert und festgelegt, wo die Journalisten stehen sollen.

Nach dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Glashütte, zu dem auch Bürgermeister Sven Gleißberg (parteilos) anwesend ist, führen die Geschäftsführer Uwe Ahrendt und Judith Borowski Scholz durch die Räume. In allen wird konzentriert gearbeitet. Hier entstehen Uhren, die für 1.300 bis 4.500 Euro verkauft werden. Die Uhrmacher schauen nur kurz auf, als der Kanzler den Raum betritt. Sie montieren die Uhrwerke zusammen, so, als passiere nichts Besonderes. Man sei schon aufgeregt, sagt eine Uhrmacherin auf Nachfrage. Für sie sei es eine Anerkennung, dass der Kanzler vorbeischaue. Mit einigen Uhrmachern kommt der Kanzler ins Gespräch. Er hörte zu, lächelte und nickte. Von den Gesprächen sind nur Wortfetzen zu hören.

Scholz wurde in Glashütte durch Uwe Ahrendt und Judith Borowski empfangen.
Scholz wurde in Glashütte durch Uwe Ahrendt und Judith Borowski empfangen. © Egbert Kamprath

Für die Uhrmacherin Katrin Miersch, die in der Werkmontage arbeitet, nimmt sich der Bundeskanzler etwas mehr Zeit. Hier darf er sich selbst als Uhrmacher versuchen. Er setzt sich auf ihren Platz, um ein Teil, die Reglage, in das Uhrwerk einzusetzen. Das sei eine der schwierigsten Arbeiten, sagt die Uhrmacherin. Die Glashütterin, die ein bisschen Lampenfieber hat, ist begeistert: Nach wenigen Sekunden hat Scholz es geschafft. Er steht auf, fasst der Uhrmacherin kurz an den Arm und bedankt sich.

Katrin Mierisch gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) heute einen Crashkurs im Uhrenmachen.
Katrin Mierisch gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) heute einen Crashkurs im Uhrenmachen. © Maik Brückner

"Das hat er ohne Lupe gemacht, perfekt", sagt Katrin Miersch. Das Teil ist zwar etwas schief. Aber mit einem kleinen Schubs wird es gerade. "Der hat Talent." Scholz setzt seinen Rundgang fort, trifft sich später hinter verschlossenen Türen mit Geschäftsführung und Belegschaft.

"Es wurden Themen besprochen, die uns bewegen", sagt Unternehmenssprecher Florian Langenbucher. Details wollte er nicht nennen. Das sei den Mitarbeitern zugesichert worden. "Das waren keine Spaßfragen", versichert er. Um 15.40 Uhr verlässt Scholz die Uhrenmanufaktur, um zum nächsten Termin nach Dresden zu fahren.

Nach dem Gespräch sagt Uwe Ahrendt: Als die Anfrage vor drei Wochen kam, habe man nach kurzer Prüfung zugesagt: „Es ist toll, dass der Kanzler kommt. Das kann ich später meinem Enkel erzählen“, sagt Geschäftsführer Uwe Ahrendt. „Wir wollten ihm unbedingt die Uhrmacherei zeigen. Das ist das, was Glashütte ausmacht.“

Station 3: Metro_Polis Projekt der DVB in Dresden

Nachdem sich Scholz in Glashütte im Uhrenmachen versuchte, kam er mit etwas Verspätung in der Trachenberger Straße im Betriebshof der DVB an. Vor der geparkten Straßenbahn warteten bereits die DVB-Vorstände Lars Seiffert und Andreas Hemmersbach sowie Kristina Krömer.

Krömer hat 2019 das Demokratieprojekt metro_polis ins Leben gerufen. Die Idee dahinter: Fahrgäste sollen im normalen Linienbetrieb zufällig aufeinandertreffen und ins Gespräch kommen. In der heutigen Diskussionsrunde mit prominentem Gast sollte es um Demokratie gehen. Nach einer kurzen Begrüßung nahm Scholz auf einem Viererplatz in gemütlicher Runde mit dem Team von metro_polis Platz. Sie stellten das Projekt vor und erzählten von ihren verschiedenen Begegnungen bei den Straßenbahnfahrten. Scholz hörte aufmerksam zu, stellte zwischendurch Fragen, machte gelegentlich eine witzige Bemerkung.

Olaf Scholz beim Demokratieprojekt "metro-polis".
Olaf Scholz beim Demokratieprojekt "metro-polis". © AP Pool/dpa

Und er wurde auch mit seiner Politik konfrontiert. Projektleiterin Krömer sagte dem Bundeskanzler, es wäre sicherlich hilfreich gewesen, das Heizungsgesetz mal mit in die Bahn zu nehmen und darüber zu diskutieren, um für mehr Akzeptanz bei den Menschen zu sorgen. Scholz antwortete, es seien im Zuge der Heizungsdebatte viele Behauptungen verbreitet wurden, die frei erfunden waren. Das sei generell ein großes Problem in der heutigen Gesellschaft. Sein Appell: „Wir müssen uns Räume und Wege erkämpfen, in denen mehr Leute sagen: Ey Alter, das hast du dir selbst ausgedacht.“ So locker hört man den Bundeskanzler selten.

Nach einer halben Stunde wechselte Scholz noch einmal den Platz. Auf dem Vierer im hintersten Teil der Bahn warteten drei Fahrgäste auf ihn, die an den Gesprächen von metro_polis bereits teilgenommen haben. Ein junger Mann fragte Scholz, ob er das Bahnfahren vermisse. Scholz antwortete: „Ehrlich gesagt vermisse ich es, mal selbst Auto zu fahren und nicht nur hinten drin zu sitzen.“ Das letzte Mal Bahn gefahren sei er, als er Finanzminister wurde. Vor sechs Jahren.

Eine halbe Stunde war nun rum, der Kanzler musste weiter zum nächsten Termin. Krömer fragte zum Abschluss, ob die Presse noch fragen habe. Scholz antwortete: „Nö, die dürfen sonst immer, die sind jetzt mal nicht dran.“ Die Runde lachte ein letztes Mal, dann gab es noch ein Gruppenfoto und der Bundeskanzler fuhr weiter ins Kraftwerk Mitte, wo 150 Bürgerinnen und Bürger auf ihn warteten.

Ein Zusammentreffen mit Ministerpräsident Michael Kretschmer hat es übrigens nicht gegeben. Der CDU-Regierungschef hat sich in den vergangenen Wochen als einer der schärfsten Ampel-Kritiker profiliert. Heute morgen aber ist er, während Scholz sich auf den Weg nach Dresden macht, zur Konferenz der Ost-Ministerpräsidenten nach Berlin gereist.