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"Bündnis Sahra Wagenknecht" präsentiert sich in Berlin

Sahra Wagenknecht vollzieht mit einer Vereinsgründung wohl den ersten Schritt in Richtung einer neuen Partei. Die Spitze ihrer bisherigen Partei will die Abweichler rauswerfen und hofft zugleich auf ein Comeback.

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Sahra Wagenknecht will eine neue Partei gründen.
Sahra Wagenknecht will eine neue Partei gründen. © Archivbild: Claudia Hübschmann

Berlin. Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht stellt am Montag (10.00 Uhr) in Berlin ihr neues politisches Projekt vor. Das "Bündnis Sahra Wagenknecht" ist zunächst als Verein organisiert, dient aber wohl zur Vorbereitung einer eigenen Partei. Damit vollzieht die 54-Jährige den Bruch mit ihrer bisherigen Partei Die Linke. Deren Spitze will gegen die Beteiligten des Vereins Parteiausschlussverfahren einleiten. Gegen Wagenknecht läuft ein solches bereits.

Wagenknecht begründet ihren Schritt damit, es gelte eine politische Leerstelle zu füllen. Viele fühlten sich von keiner Partei mehr vertreten. Neben Wagenknecht haben sich für die Präsentation des neuen Bündnisses in der Bundespressekonferenz mehrere Mitstreiterinnen und Mitstreiter angekündigt. Auf dem Podium sollen die bisherige Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Amira Mohamed Ali, Wagenknechts Vertrauter und Fraktionskollege Christian Leye, der ehemalige Geschäftsführer der Linken in Nordrhein-Westfalen, Lukas Schön, und der Unternehmer Ralph Suikat Platz nehmen.

Einer Insa-Umfrage für "Bild am Sonntag" zufolge könnten sich 27 Prozent der Befragten in Deutschland vorstellen, eine Wagenknecht-Partei zu wählen. Wahlumfragen sind aber generell mit Unsicherheiten behaftet.

Parteiführung kündigt harte Konsequenzen an

Die Linke-Parteispitze will gegen die Wagenknecht-Mitstreiter vorgehen. Gegen die Beteiligten des Vereins BSW sollen Parteiausschlussverfahren eingeleitet werden, heißt es in einer Beschlussvorlage, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuvor hatte das ARD-Hauptstadtstudio darüber berichtet. Gemeinsam mit den zuständigen Gliederungen soll geprüft werden, wie Mitgliedsrechte entzogen werden können. Jene Abgeordneten, die sich an dem Verein beteiligt, werden aufgefordert, ihre über die Linke errungenen Mandate niederzulegen.

Die Parteispitze will zudem eine Mitgliederoffensive starten. Zugleich hat sie nach monatelangen Spekulationen um Wagenknechts Pläne, die die Linke lähmten, nun Klarheit. "Unser Comeback beginnt heute", heißt es in dem Papier.

Es soll laut ARD am Montag vom Geschäftsführenden Parteivorstand beschlossen werden. Parteichef Martin Schirdewan hat für 13.00 Uhr zu einem Statement geladen. "Es ist doch klar, dass diejenigen, die sich an der Bildung einer Konkurrenzpartei beteiligen, in unserer Partei nichts mehr zu suchen haben und rausfliegen werden", sagte der Parteichef bereits am Sonntag in der ZDF-Sendung "Berlin direkt".

Linke sieht mögliche Wagenknecht-Partei nicht als Konkurrenz

Schirdewan erwartet eine Positionierung des Wagenknecht-Bündnisses im rechten Parteispektrum. "Wenn Sahra Wagenknecht mit ihrem Projekt Erfolg haben will, wird sie sich deutlich rechts aufstellen müssen", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" (Montag). "Und alle Zeichen deuten darauf hin, dass sie genau das zu tun beabsichtigt." Das sei keine Konkurrenz für die Linke, sondern für andere, sagte Schirdewan, ohne eine Partei explizit zu nennen. "Eine linke Partei muss Menschen solidarisch zusammenführen, und sie darf sie niemals gegeneinander ausspielen."

Der Linken-Abgeordnete Gregor Gysi sagte dem ZDF, Wagenknechts Politik-Angebot sei schwierig. "Sie will Flüchtlingspolitik wie die AfD machen, Wirtschaftspolitik wie Ludwig Erhard und Sozialpolitik ein bisschen wie die Linke. Und dann hat man immer die Hoffnung, man kriegt von allen drei Wählerinnen und Wählern. Da kann man sich aber auch täuschen, das kann eine Minusrechnung werden." Er glaube, dass Wagenknecht Anfangserfolge haben werde - "und dann nicht mehr".

Für die Linke-Bundestagsfraktion wäre eine Parteineugründung ein Problem. Sie hat nur noch 38 Abgeordnete. Träten Wagenknecht und mehrere Unterstützer aus, würde es für die Linke nicht mehr für eine eigene Fraktion reichen. Sie könnte nur noch als Gruppe weitermachen mit weniger parlamentarischen Rechten.

Noch ist Dietmar Bartsch neben der Wagenknecht-Unterstützerin Amira Mohamed Ali Fraktionschef. Nach seinen Worten will sich die Linke in der Auseinandersetzung mit anderen Parteien nicht auf das Wagenknecht-Bündnis konzentrieren. "Die Wagenknecht-Partei wird nicht der Bezugspunkt für die Linke sein, sondern ganz klar die chaotische Politik der Ampel-Bundesregierung", sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag).

"Die Linke wird in den Kommunen, Ländern, außerhalb der Parlamente im Interesse der Wählerinnen und Wähler solide weiterarbeiten", kündigte Bartsch an. Er verwies auf die Beteiligung seiner Partei an den Landesregierungen in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen. Seine Partei werde wieder "auf die Erfolgsspur" kommen, zeigte sich Bartsch überzeugt.

Zustimmung aus Sachsen?

In Sachsen kann Wagenknecht auf Zustimmung hoffen. Nach einer Umfrage vom Sommer, die unter anderem von Sächsische.de in Auftrag gegeben wurde, können sich 29 Prozent der Wähler im Freistaat vorstellen, für die neue Kraft zu stimmen. Von den Mandatsträgern der sächsischen Linken in Bundestag, Landtag und dem Europaparlament dürfte Wagenknecht aber niemand folgen. Die 19 Politikerinnen und Politiker hatten im Juli erklärt, im Fall einer Abspaltung in der Linken und der jeweiligen Fraktion zu bleiben. Als prominente sächsische Unterstützerin Wagenknechts gilt die ehemalige Zwickauer Bundestagsabgeordnete der Linken, Sabine Zimmermann.

Wagenknecht war über Jahrzehnte einer der profiliertesten Köpfe der Linken. Sie trat noch vor dem Zusammenbruch der DDR in die SED ein und engagierte sich dann in der Nachfolgepartei PDS und schließlich in der Linken. Vor vier Jahren zog sie sich nach parteiinternen Kämpfen und einem Burnout vom Posten der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag zurück. Trotzdem blieb Wagenknecht das prominenteste Gesicht der Partei und stellte mit Auftritten in Talkshows und Büchern immer wieder die eigentlichen Chefs der Linken öffentlich in den Schatten. (dpa/SZ/ale)