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Viele offene Fragen nach Infoabend zu Gewerbegebieten bei Radeberg

Rund 100 Bürger wollten Infos zum Gewerbegebiet haben - doch die meisten verließen nach drei Stunden enttäuscht das Radeberger Rathaus. Woran das lag und welche Einwände gegen das geplante Areal vorgetragen wurden.

Von Verena Belzer
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An der S177 zwischen Radeberg und Arnsdorf könnte ein Gewerbegebiet entstehen.
An der S177 zwischen Radeberg und Arnsdorf könnte ein Gewerbegebiet entstehen. © Christian Juppe

Radeberg/Arnsdorf. Im Grunde war es wohl ein Missverständnis. Die Bürger wollten Infos - verständlicherweise, denn der Termin am Donnerstagabend im Radeberger Rathaus war als Infoveranstaltung zum Gewerbegebiet bezeichnet worden. Doch weder die Stadtverwaltung noch Oberbürgermeister Frank Höhme (parteilos) noch der Beauftragte der Sächsischen Staatskanzlei für Großansiedlungen, Dirk Diedrichs, konnten viele Antworten liefern.

Sie konnten nicht sagen, wie sich Naturschutz und Gewerbegebiete vertragen. Wer eines Tages für die Erschließung eines möglichen Gewerbegebietes bezahlen werde. Ob die aktuellen Eigentümer ihre Flächen verkaufen wollen. Wer sich an der S177 ansiedeln möchte. Und ob sich in Zeiten von massivem Fachkräftemangels überhaupt Firmen finden, die in Radeberg investieren wollen - um nur einige der zahlreichen Fragen zu nennen.

OB Frank Höhme: "Verfahren ist ergebnisoffen"

Doch dass die Stadt all diese Fragen zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten kann, das ist dem Verfahren geschuldet. "Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit" - so nennt sich der aktuelle Schritt, bei dem Bürger Einwände gegen die Pläne einreichen können. Nur worauf sollten sie sich konkret beziehen, wenn es überhaupt keine Pläne gebe? Das fragten einige am Donnerstagabend. Wie solle man sich beteiligen, wenn man nichts weiß - außer dass es sich um zwei Gebiete mit einer Gesamtfläche von 137 Hektar zwischen Radeberg und Arnsdorf an der S177 handelt?

Und so war Enttäuschung und Frust bei den Bürgern spürbar, die sich wohl mehr erhofft hatten. Und gleichzeitig war auch eine gewisse Hilflosigkeit beim OB zu spüren, der wieder und wieder erklären musste, dass alle Fragen der Einwohner berechtigt seien und im Laufe des Verfahrens geklärt und beantwortet würden.

Und wie bereits im großen Interview mit Sächsische.de, sagte er auch am Donnerstag mehrmals: "Das Verfahren ist ergebnisoffen." Er sagte allerdings auch: "Wir bekommen immer mehr Anfragen nach Gewerbeflächen. Einerseits von einheimischen Firmen, die sich erweitern wollen. Und andererseits von Firmen aus dem Großraum Dresden. Und das schon vor der Ankündigung der Ansiedlung von TSMC im Dresdner Norden." Eine Stadt lebe nun einmal von Steuern. "Und zwar zum größten Teil von Gewerbesteuern."

Behörden bewerten Pläne zu Gewebegebiet nun fachlich

Und es war ja nicht so, als seien die meisten der Fragen und Einwände der Bürger nicht schon einmal gehört worden. Bereits zur Stadtratssitzung Ende Januar, bei der die Räte knapp, aber mehrheitlich, dafür gestimmt hatten, ins Prüfverfahren für die Gebiete einzusteigen, waren viele Anwohner anwesend gewesen. Schon damals hatten sie ihre Sorgen um die Landwirtschaft, zu viel Verkehr, zu viel Lärm, zu wenig Frischluft, Umweltschutz, Naturschutz und vieles weitere vorgetragen.

OB Höhme erklärte nun zum weiteren Vorgehen: "Nach diesem Verfahrensschritt werden Pläne ausgearbeitet, und die werden dann wieder der Öffentlichkeit vorgestellt." Wie sich beispielsweise der Vogelflug bestimmter Arten mit einem Gewerbegebiet verträgt oder eben nicht verträgt, das ist nun Sache der Behörden. Sie geben Stellungnahmen ab, die dann wiederum den Stadträten präsentiert werden. Die Behörden entscheiden fachlich, die Stadträte politisch.

Hier könnten zwei Gewerbegebiete entstehen.
Hier könnten zwei Gewerbegebiete entstehen. © SZ Grafik/Gernot Grunwald
Reges Interesse: Der Ratssaal war zur Infoveranstaltung voll.
Reges Interesse: Der Ratssaal war zur Infoveranstaltung voll. © SZ/Verena Belzer

Sollte die Entscheidung von allen Bürgern getroffen werden?

Stichwort Stadträte: Grüne/SPD-Fraktionschef Ulrich Hensel musste im Laufe der Veranstaltung am Donnerstagabend einen kleinen Crashkurs in Politikwissenschaft geben. Warum eine so wichtige Entscheidung wie die über die geplanten Gewerbegebiete nicht von allen Bürgern getroffen werden könne, fragte ein Einwohner. "Weil wir in einer repräsentativen Demokratie leben, und nicht in einer Basisdemokratie", lautete die Antwort Hensels.

Und auch CDU-Fraktionschef Frank-Peter Wieth verteidigte die Entscheidung des Stadtrates: "Wir müssen für 20.000 Einwohner entscheiden, dafür wurden wir gewählt." Und so wehte auch ein wenig Wahlkampf-Luft durch den Ratssaal.

OB Frank Höhme brachte noch die Variante ins Spiel, die derzeit auch in Arnsdorf vorbereitet wird: "Wenn Sie den gewählten Stadträten nicht vertrauen, dann können Sie einen Bürgerentscheid anstreben", sagte er.

Auch in Arnsdorf blieben viele Fragen unbeantwortet

In Arnsdorf hatte die Infoveranstaltung bereits am Dienstag stattgefunden. Auch hier war der Saal voll, die Stimmung und die Temperaturen war eher eisig. Auch hier hatten die Verwaltung, Bürgermeister Frank Eisold (CDU) und Dirk Diedrichs gesprochen.

Themen wie die Auswirkungen auf die Umwelt wurden auch in Arnsdorf nicht näher besprochen, sondern auf das sowieso erforderliche sogenannte "Zielabweichungsverfahren" verwiesen, das sich mit diesen Fragen beschäftigen werde. Wann das Thema Gewerbegebiete im Gemeinderat in Arnsdorf auf die Tagesordnung kommt, steht derzeit noch nicht fest.

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