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Wieso findet die Stadt Radeberg kaum noch Handwerker?

In diesen Ferien können in den Radeberger Schulen dringend notwendige Sanierungen nicht stattfinden, weil sich keine Handwerker finden. Warum ist das so? Was Stadt und Handwerker sagen.

Von Verena Belzer
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Die Silberdiele in Liegau wird teurer, weil die Angebote der Handwerker teils deutlich über dem lagen, was die Stadt erwartet hatte.
Die Silberdiele in Liegau wird teurer, weil die Angebote der Handwerker teils deutlich über dem lagen, was die Stadt erwartet hatte. © René Meinig

Radeberg. Die Stadt muss den Gürtel enger schnallen, das Geld sitzt nicht mehr so locker - große Projekte wurden vom Stadtrat gestrichen. Dazu gehört beispielsweise der Schulcampus in Liegau-Augustusbad. Andere Projekte sind jedoch bereits so weit fortgeschritten, dass ein Abbruch im Grunde nicht mehr möglich ist. Dazu gehört die Silberdiele.

Die Sanierung der Silberdiele kostet die Stadt entgegen erster Annahmen nicht 2,5 Millionen Euro, sondern wohl das Doppelte. Die Gründe sind dafür sind vielfältig. Einer davon ist die Tatsache, dass die Stadt Radeberg bei ihren Ausschreibungen - wenn überhaupt - nur wenige Angebote von Handwerksunternehmen erhält.

Beispiel: Für den Rohbau bekam die Stadt nur ein einziges Angebot. Und das lag 60 Prozent über den Schätzungen. Und auch für die Elektrotechnik wurde nur ein Angebot abgegeben. Statt geplanten 230.000 Euro wurden knapp 400.000 Euro fällig. Eine Kostensteigerung von über 70 Prozent.

Im Stadtrat wurde damals heftig darum gerungen, ob man dieses Angebot überhaupt annehmen sollte, was dann schließlich mit zwölf zu zehn Stimmen doch geschah.

Erhebliche Wartezeiten auf Handwerker

In diesen Sommerferien wollte die Stadt an Grund- und Oberschulen diverse Arbeiten durchführen lassen. Putzarbeiten, Kabelverlegungen, Dachsanierungen. Manche dieser Projekte werden aktuell realisiert, bei anderen fanden sich keine Handwerker, wie die Stadt Radeberg mitteilt.

"Es ist teilweise schwierig, erst einmal überhaupt ein Handwerksunternehmen für eine Baumaßnahme und die Teilnahme an einer Ausschreibung gewinnen zu können", erklärt Sarah Günther, Pressesprecherin der Stadt Radeberg. "Ist dies gelungen, heißt das dann aber auch noch nicht, dass es sofort losgeht."

Volle Auftragsbücher verbunden mit Fachkräftemangel, Nachfolgeproblemen und langen Lieferzeiten würden für erhebliche Wartezeiten sorgen. "Dies ist sehr herausfordernd, vor allem bei Projekten, die gefördert werden, da hier oftmals ein Rahmen vorgegeben wird, in dem die Umsetzung zu erfolgen hat."

Verspäten sich Projekte, müssen im schlechtesten Fall Fördergelder zurückgegeben werden

Die generelle Gefahr sei, dass Fördermittel zurückgegeben werden müssen und in Folge dessen ein Projekt insgesamt eingestellt werden könne. "Bei Schulen kommt hinzu, dass Baumaßnahmen, da sie den Schulbetrieb nicht beeinflussen sollen, größtenteils nur in den Ferien durchgeführt werden können", erläutert Sarah Günther. "In diesen Zeiträumen fehlen jedoch wiederum in den Betrieben urlaubsbedingt viele Mitarbeiter."

Eine weitere Schwierigkeit in diesem Jahr sei gewesen, dass die Ausschreibungen - offiziell - erst sehr spät ausgelöst werden konnten. Nämlich erst dann, als der Haushalt bestätigt war. Man habe aber auch durchaus davor bereits bei den Handwerksbetrieben angefragt und die Situation geschildert.

Der Ausgang ist bekannt: Einige Projekte müssen auf die nächsten Ferien verschoben werden. Es fanden sich keine Betriebe, die die Arbeiten übernehmen wollten oder konnten.

Hoher bürokratischer Aufwand für Unternehmen

"Grundsätzlich sind öffentliche Aufträge natürlich wichtig für unsere Handwerksbetriebe, vor allem im Bau- und Ausbaubereich", sagt Sabine Gotscha-Schock, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Bautzen.

"Die meisten Handwerksbetriebe haben jedoch ihre Schiene gefunden: Entweder sie beteiligen sich regelmäßig an Ausschreibungen oder sie haben sich auf private und gewerbliche Auftraggeber spezialisiert."

Probleme mit öffentlichen Ausschreibungen könnten der Geschäftsführerin zufolge unterschiedlicher Natur sein.

"Manche scheuen den Aufwand, da immer der 'wirtschaftlichste' gewinnt, und das sind nicht immer tarifzahlende Betriebe, manche haben teilweise schlechte Erfahrungen gemacht, die Qualität der Ausschreibungen oder der bürokratischer Aufwand im Verhältnis zum Auftragsvolumen."

Radebergs OB Frank Höhme fordert schnelle Reform des Vergabegesetzes

Diesen Aspekt sieht auch Radebergs Oberbürgermeister Frank Höhme (parteilos) kritisch. "Es ist wirklich nicht immer leicht, Handwerker zu finden", sagt der OB. "Das liegt aber zum Großteil auch daran, dass die öffentliche Hand als Auftraggeber nicht sonderlich attraktiv ist."

Das Vergabegesetz müsse dringend reformiert werden, fordert OB Höhme. "Die Summe der Vorgaben, die Unternehmen erfüllen müssen, um einen Auftrag zu erhalten, muss reduziert werden. Diese sollten auf den berühmten Bierdeckel passen. Nur so finden mehr Unternehmen Berücksichtigung."

Außerdem müsse der bürokratische Aufwand einer Ausschreibung für Unternehmen und die Verwaltung eingedämmt werden. "Die Regierungskoalition hat zwar mittlerweile einen Gesetzesentwurf in der Tasche, doch fehlt es in vielen Punkten an der notwendigen Einigkeit, sodass es nicht zum Beschluss kommt. Hier geht es eindeutig viel zu langsam voran."

Handwerkerschaft: soziale Verantwortung für Mitarbeiter

Sabine Gotscha-Schock von der Kreishandwerkerschaft nennt Kriterien, wonach sich Handwerker die Aufträge aussuchen: "Zuerst Machbarkeit in Bezug auf Termine, Material und Personal, und natürlich die Wirtschaftlichkeit des Auftrags".

Ihre soziale Verantwortung sähen die Handwerker vor allem ihren Mitarbeitern gegenüber. "Die Zahlung fairer Löhne, kurzer Wege durch ortsnahe Baustellen und familienangepasster Arbeitszeiten stehen da im Vordergrund", erläutert die Geschäftsführerin.

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