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Wohnen im Tiny House: Winzige Häuser mit großer Zukunft

Ein Radebeuler Baudesigner möchte für Minimalismus im Tiny House begeistern: Eine Probenacht im Mini-Paradies kostet so viel wie ein Hotelzimmer. Dabei geht es um mehr als um kleine Häuser.

Von Marvin Graewert
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So schnell die eigene Wohnung entrümpelt ist, so schnell hat sich wieder ganz viel angesammelt. Auf einem 20 Quadratmeter großen "Tiny-House" kann das nicht passieren.
So schnell die eigene Wohnung entrümpelt ist, so schnell hat sich wieder ganz viel angesammelt. Auf einem 20 Quadratmeter großen "Tiny-House" kann das nicht passieren. © Tiny Lofts

Radebeul. Als Sänger ist Florian Hartfiel bereits sein ganzes Leben unterwegs. Mit 40 Jahren entdeckte er das Reisen neu: Inspiriert von seinen Kindern, bereist er Asien, schläft auf einmal in Hostels statt Hotels, kommt enger mit den Menschen in Kontakt und mit einem Trend im Rucksack zurück: "Ich fand es sehr spannend, dass wirklich viele Menschen auf engstem Raum leben und ich rede jetzt gar nicht von Slums – sondern von kleinen Häusern, die dazu noch transportabel sind."

Für den Baudesigner Florian Hartfiel geht es um mehr als den Bau von kleinen Häusern, sondern einer neuen Form des Zusammenlebens.
Für den Baudesigner Florian Hartfiel geht es um mehr als den Bau von kleinen Häusern, sondern einer neuen Form des Zusammenlebens. © Norbert Millauer

Hartfiel geht es nicht nur darum, die "Tiny-Houses" zu bauen – es geht um eine ganz neue Form des Zusammenlebens. Vor vier Jahren schließt sich der Baudesigner dafür mit Marius Drauschke und Hermann Fliegel zusammen, um ein Musterhaus zu konzipieren: Zwei Jahre später steht sein erstes Tiny-House. Wer mit dem Gedanken spielt, sich radikal zu verkleinern, kann in Klipphausen Probewohnen.

Unter seinen Gästen sind junge Menschen mit wenig Eigenkapital genauso wie Mitte-40-Jährige, die ihr Leben umkrempeln wollen, aber auch Rentnerinnen und Renter: "Fast alle sind geflasht – dass eine frei stehende Badewanne in ein Minihaus passt. Das erwarten die meisten Gäste nicht." Bad, Küche und Schlafkoje – alles auf 20 Quadratmetern. Mit den hohen Decken kämen trotzdem fast Altbaugefühle auf. "Doch erst durchs Probewohnen wird den Gästen bewusst, wie viel sie für so ein Leben zurücklassen müssten. Im Prinzip gibt es einen Schrank und das war's." Allerdings versteckt sich im ganzen Haus Stauraum – zum Beispiel in einem Zwischenboden neben dem Bett: "Wer dort einzieht, muss Minimalismus-Fan sein und sich bewusst verkleinern wollen", stellt Hartfiel klar.

Florian Hartfiel, Marius Drauschke und Hermann Fliegel vor ihrem Musterhaus. Der Bau hat sechs Monate gedauert.
Florian Hartfiel, Marius Drauschke und Hermann Fliegel vor ihrem Musterhaus. Der Bau hat sechs Monate gedauert. © Tiny Lofts

Vor vier Jahren kostete der Bau des luxuriösen Minihauses etwa 85.000 Euro, aufgrund der Baustoffkrise wären es mittlerweile sicherlich 100.000 Euro. "Für mich sieht so die ideale Zukunft aus: Auf einer Fläche für fünf Häuser gäbe es Platz für zehnmal so viel Tiny-Houses, die auch noch gemeinschaftlich genutzt werden könnte", sagt Hartfiel, der sich allerdings noch nicht von seinem normalen Haus in Radebeul trennen konnte. Der Umzug in eine gemeinschaftliche Tiny-House-Siedlung ist im Alter geplant. Viele ältere Menschen würden nach dem Auszug der Kinder nämlich in viel zu großen Häusern wohnen, die sie nur noch schwer bewirtschaften könnten.

95 Euro für eine Nacht im Tiny House

Mit den steigenden Grundstückpreisen hat die Tiny-House-Bewegung eine neue Dynamik bekommen. Die Pandemie hat ihr Übriges getan. Sogar Hoteliers denken aufgrund von Abstandsregeln über Minihaus-Siedlungen nach.

Eine Dynamik, mit der die Behörden und Genehmigungsverfahren nicht mithalten können. Während Hartfiels Postfach an Anfragen überquillt – sogar eine Anfrage aus den Arabischen Emiraten war einmal dabei – schrillen bei vielen Zulassungsbehörden die Alarmglocken. Das liege daran, dass viele selbstgebaute Häuser mit kultigen Dächern und einem Anhänger daneben im Kopf hätten. Hartfiel baut einfach kleine Häuser: "Unsere Tiny Lofts sind für Dörfer und Städte attraktiv: Eine Siedlung von 15 Häusern fügt sich in jedes Stadtbild ein – schon allein durch die giebelständigen Dächer."

Trotzdem gilt für die Tiny-Häuser das gleiche Baurecht wie für ein Einfamilienhaus und somit die gleichen Abstandsregeln. So kommt es, dass Hartfiel mit seinem Team erst acht Tiny-Houses gefertigt hat – fünf davon in Sachsen. Doch das Bedürfnis zum Verkleinern gezwungen zu werden, ist deutlich größer – auch wenn es nur für ein Wochenende ist. Auf so wenigen Quadratmetern gibt es einfach nur Platz für das Nötigste.

In Hartfiels kleinem Musterhaus Probewohnen kostet mit 95 Euro pro Nacht so viel wie ein größeres Hotelzimmer. Hartfiel könnte sogar noch mehr Geld verlangen, es wäre trotzdem permanent ausgebucht: "Wir haben das Haus erst mit einem Preisfehler eingestellt. Viel zu teuer – so viel wollten wir gar nicht verlangen und trotz prasselten die Buchungen ein", sagt Hartfiel, der den Preis schnell wieder nach unten korrigierte.

Bad, Küche und Schlafkoje – alles auf 20 Quadratmetern.
Bad, Küche und Schlafkoje – alles auf 20 Quadratmetern. © Tiny Lofts

Ein Dorfplatz mit Sauna

Hartfiels Fokus hat sich durch seine neue Arbeit verschoben. Der 49-Jährige trägt zwar immer noch Hemd und eine eng karierte Anzughose, aber an der Hand ein verblichenes Festivalbändchen, dass nur noch ein hinduistisches Symbol erahnen lässt. Große Baustellen reizen ihn nicht mehr, Hartfiel möchte sich wieder mehr auf die Musik und den Bau von Tiny Houses konzentrieren: "Ich wäre ein großer Freund davon, wenn überall Tiny-House-Siedlungen entstehen würden", sagt Hartfiel.

Siedlungen, die auf spezielle Bedürfnisse eingehen. Angefangen bei der Aufteilung: In der Mitte ein Dorfplatz mit Arbeitsräumen, vielleicht einer Sauna, daneben ein Sportplatz und Gärten am Rand: "Dort könnte sich eine richtige Gemeinschaft bilden, wo Menschen zwar für sich wohnen, unter Umständen aber mit Gärten gemeinsam wirtschaften."

Wer sich für die Tiny Lofts von Hartfiel entscheidet, muss besonders viel Geld bezahlen. Je nach Ausstattung kostet der Traum vom minimalistischen Wohnen zwischen 80.0000 und 100.000 Euro. Bei der Konkurrenz gibt es die minimalistischen Häuser schon etwas günstiger. Da würde aber auch im Ausland produziert, gibt Hartfiel zu bedenken: "Unser Anspruch ist, möglichst ökologisch zu sein: Wir bauen sehr dicke Wände, genauso wie bei einem normalen Holzhaus", sagt der Radebeuler Bauorganisator. Dementsprechend haltbar wären die Häuser auch. Zwar schneide ein Tiny-House im Vergleich mit einem Hochhaus aus ökologischen Gesichtspunkten immer schlechter ab. Hartfiel: "Das hat aber auch nichts mit naturnahem Wohnen zu tun."