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Radebeul: Jugendliche wurden auf Jugendkulturforum stark vermisst

Radebeul hat für junge Leute einiges zu bieten. Doch wissen etliche von ihnen nichts davon. Und die ältere Generation weiß nicht, was die Jugend will, weil sie unterschiedlich kommunizieren.

Von Silvio Kuhnert
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Das Weiße Haus und sein Leiter Peter Heilsberg haben mehr als eine Skaterbahn zu bieten. Es gibt Proberäume für Bands, sogar ein Tonstudio und die Möglichkeit für Konzerte. Doch nicht allen Jugendlichen sind die Angebote bekannt.
Das Weiße Haus und sein Leiter Peter Heilsberg haben mehr als eine Skaterbahn zu bieten. Es gibt Proberäume für Bands, sogar ein Tonstudio und die Möglichkeit für Konzerte. Doch nicht allen Jugendlichen sind die Angebote bekannt. © Arvid Müller

Radebeul. Wo ist die Radebeuler Jugend? Laut den jüngsten Bevölkerungszahlen des Statistischen Landesamtes Sachsen leben in der Lößnitzstadt 1.041 Teenager im Alter von 15 bis 18 Jahren. Von den 18- bis 20-Jährigen gibt es 698 Mädchen und Jungs. An jungen Erwachsenen von 20 bis 25 Jahren sind 1.129 gemeldet. Doch am Montagabend wurde die Jugend schmerzlich vermisst.

Das städtische Kulturamt hatte zu einem Forum geladen. Im Rahmen der aktuellen Fortschreibung des Kulturentwicklungskonzeptes bis zum Jahr 2030 wollten Mitarbeiter der Verwaltung, Stadträte, Jugendsozialarbeiter der JuCo Soziale Arbeit und interessierte Bürger über deren Belange sprechen. "Junge Kultur in Radebeul" lautete die Überschrift.

Doch zu diesem Thema wurden gerade einmal zwei Schülersprecher vom Lößnitzgymnasium, eine 18-Jährige, die in einer Schülerband spielt, sowie ein junger Mann vom Jugend- und Kulturverein in den Kultur-Bahnhof gelockt. Und so fragte Stadtrat Uwe Wittig (Freie Wähler): "Warum sind so wenig junge Leute da, warum haben wir sie nicht erreicht?" Ohne die Beteiligung der jungen Radebeuler, "kennen wir ihre Bedarfe nicht", so Wittig.

Verschiedene Kommunikationswege

Ankündigungen zum Kulturforum standen unter anderem im Amtsblatt der Stadt, auch auf der städtischen Internetseite sind Mitteilungen zu finden. Kulturamtsleiterin Gabriele Lorenz hat E-Mails geschrieben, unter anderem an die Schulen der Stadt. Doch nur der Direx vom Lößnitzgymnasium, René Rygol, war mit den bereits erwähnten Schülersprechern des "Lögy" gekommen.

"Die Stadt ist nicht bei Facebook oder Instagram", gaben die beiden Jugendsozialarbeiter, Peter Heilsberg und Robert Kaiser, zu bedenken. Hätte jeder der Anwesenden vorher noch in diesen und anderen sozialen Kanälen auf diese Veranstaltung hingewiesen und als Post geteilt, wären vielleicht mehr junge Leute gekommen, führten sie fort. Kommunikation war somit ein Thema des Abends. Und hier ticken die Generationen, die noch mit einer Zeitung in Papierform aufgewachsen sind, also mit analogen Medien, anders, als die junge und digitale Altersklassen, für die eine Welt ohne Smartphone, Tablet und Internet unvorstellbar ist, weil sie es gar nicht anders kennen.

Kommunikation ist keine Einbahnstraße

Offizielle Stadtseiten wie auf Facebook sind aus Gründen des Datenschutzes umstritten. Hintergrund ist der Umgang von Facebook mit persönlichen Daten. Das Unternehmen sammelt Daten und steht zumindest in Verdacht, diese auch zu verkaufen. Deshalb fordern Datenschutzbeauftragte von Bund und Ländern, dass Behörden und Kommunen ihre Seiten löschen. Die Radebeuler Stadtverwaltung hat sich immer gegen einen Facebook-Auftritt entschieden. Sie hat dagegen eine eigene App, die Radebeuler Bürger-App, entwickelt.

Robert Kaiser, von der mobilen Jugendarbeit, gab an die Adresse der jungen Generation mit: "Kommunikation ist keine Einbahnstraße!" Man könne nicht warten, bis ein Post im Account der eigenen sozialen Netzwerke auftaucht. "Wenn man Informationen zu Angeboten sucht, findet man diese auch", so Kaiser. Er ist regelmäßig mit dem Radebulli, einem grünen VW-Bus, zu Jugendgruppen in Radebeul unterwegs.

Jugend im Wandel

Sein Kollege vom Weißen Haus, Peter Heilsberg, ist seit 31 Jahren als Jugendsozialarbeiter in der Lößnitzstadt tätig. Er gab einen Überblick, wie sich diese wandelte. In den 1990er-Jahren bis Mitte der 2000er-Jahre waren Treffmöglichkeiten im Stadtgebiet weit verstreut. So dienten beispielsweise alte Bauwagen als Treffpunkte. Verschiedene Cliquen hatten so ihr Domizil. Doch der Zusammenhalt untereinander hat irgendwann nicht mehr funktioniert. Es gab Streitereien, es kam zu Vandalismus. Aber auch Freiräume und Treffmöglichkeiten gingen durch das Bebauen von Brachen verloren.

2005 öffnete das Jugend- und Kulturzentrum Weißes Haus. Dieses bietet nicht nur Raum für Partys und zum Abhängen. In den vergangenen Jahren hat es sich weiter entwickelt: Skaterbahn außen sowie im Keller, Beachvolleyballfeld, Proberäume für Bands, ein Tonstudio und Multimediamöglichkeiten. Neu hinzugekommen ist ein Club für Techno-Veranstaltungen. "Angebotstechnisch sind wir breit aufgestellt", so Heilsberg.

Nicht reden, sondern machen

Jugendliche möchten laut Robert Kaiser Räume, wo sie auch mal laut sein können, ohne dass sich ein Nachbar daran stört. "Sie wollen nicht zusammensitzen und reden, sondern sie haben eine Idee und wollen machen", führt er fort. Und Peter Heilsberg ergänzt: "Jugend macht keine Konzeptarbeit." Von diesen Erfahrungen berichtet auch Felix Roßberg von der Breakdance-Formation "The Saxonz", die im Radebeuler Osten, in der Meißner Straße 21, das Zentrum für urbane Kultur "84'TIL" betreibt: "Jugendliche wollen nichts Fertiges hingestellt bekommen", sondern selbst kreativ sein. Doch für die Umsetzung für Projektideen benötigt man Geld. Robert Kaiser schlägt daher vor, dass die Stadt, vergleichbar mit den bereits existierenden Stadtteilbudgets, auch für Jugendprojekte einen jährlichen Topf im Haushalt schafft.

Doch neben Tat ist auch Rat gefragt. Susanna, 18 Jahre, spielt in einer achtköpfigen Band. Bei der Organisation von Veranstaltungen und Auftrittsmöglichkeiten fühlt sie sich mit den anderen Musikern jedoch alleingelassen. Einen Veranstalter haben sie bislang nicht gefunden. Zu Fragen über die Gema oder rechtlicher Bedingungen kennen sie sich nicht aus, wie Susanna auf dem Kulturforum berichtete.

Ansprechpartner gewünscht

"Lögy"-Schulsprecher Nicolas gestand, dass er keine Ahnung habe, was das Weiße Haus anbiete. Er schlug vor, dass es künftig im Kulturamt einen Ansprechpartner gibt, wo sich beispielsweise junge Bands über Probe- und Auftrittsräume informieren. Auch auf einem Instagram-Kanal sollten alle Jugendangebote vereint werden. Aber auch das Schaffen eines Anlaufpunktes für rechtliche Fragen oder zur Hilfe und dem Ausfüllen von Fördermittelanträgen wurde auf dem Kulturforum angeregt.

Kulturamtsleiterin Lorenz versprach, dass es im kommenden Jahr noch einmal eine Gesprächsrunde zur Jugend geben werde - allerdings zu einer jugendfreundlicheren Zeit und an einem jugendfreundlicheren Ort. Der Termin für das 4. Kulturforum steht dagegen bereits fest: Am 11. Januar 2024 um 18 Uhr dreht sich im Kultur-Bahnhof alles um das liebe Geld. Was ist der Stadt Kultur wert? Was ist der Einzelne bereit, für sie auszugeben? Und wie kann Kultur gefördert werden? - das sind Fragen, die an diesem Abend behandelt und diskutiert werden.