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Grüner Westring in Coswig: "Hier werden Fördergelder mit Fördergeldern plattgemacht"

Ein Radwegprojekt, gefördert mit Bundesmitteln, stößt in Coswig auf Widerstand der Bürger. Doch dieser könnte zu spät sein.

Von Martin Skurt
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Dr. Eberhard Bröhl (r.) und Anwohner Michael Adam (l.) zeigen im Interkulturellen Garten an der Jaspisstraße in Coswig auf den nördlichen Teil des Gartens, auf dem der Grüne Westring entlangführen soll.
Dr. Eberhard Bröhl (r.) und Anwohner Michael Adam (l.) zeigen im Interkulturellen Garten an der Jaspisstraße in Coswig auf den nördlichen Teil des Gartens, auf dem der Grüne Westring entlangführen soll. © Norbert Millauer

Coswig. Vor einem Jahr hat der Coswiger Stadtrat beschlossen, den Geh- und Radweg Grüner Westring zu bauen. Ende September gab es dafür den Fördermittelbescheid von mehr als 600.000 Euro aus dem Bundesprogramm "MEI-eFAIR". Das gesamte Projekt kostet fast 800.000 Euro. Ziel ist es, die Verkehrswende durch klimaneutrale Verkehrsmittel zu unterstützen, im Coswiger Fall durch den Radwegebau einschließlich der Beschilderung und einer elektronisch betriebenen Elbfähre in Coswig-Kötitz. Doch nicht alle Einwohnerinnen und Einwohner in Coswig sind davon begeistert. So wie die inoffizielle Gruppe der Freunde des Interkulturellen Gartens in Coswig. Denn ein Teil des Radwegs quert die naturbelassene Grünfläche, die zwar der Stadt gehört, aber ein Verein seit 15 Jahren betreut.

Grundsätzlich: Die Idee, einen weiteren Radweg in Coswig zu etablieren, sei nicht verwerflich. "Ökologisch bedeutet das aber einen Verlust. Denn so verschwinden 5.000 Quadratmeter an Grünraum, und es wird die Chance vergeben, einen ökologischen Begegnungsort zu erhalten", sagt Dr. Eberhard Bröhl, sachkundiger Einwohner im Stadtentwicklung- und Wirtschaftsausschuss der Fraktion Bündnis für ein nachhaltiges Coswig. "Es ist ein Unding, unter Nutzung des Förderprogramms 'Klimaschutz durch Radverkehr – MEI-eFAIR' ein wesentliches Stück Natur zu verbauen."

Nicht nur Garten, sondern auch Begegnungsstätte

Ein weiteres Problem erkennt er im 3,50 Meter breiten Radweg, der eine erhebliche Gefahr für die im Interkulturellen Garten lebende Eidechse darstelle. Ähnlich bedrohlich sei auch die geplante Beleuchtung auf dem Radweg. Denn diese sorge für den Tod von Insekten. Infolgedessen sorgt das für einen Rückgang der Fledermäuse, Vögel und Igel, die Insekten fressen, so Eberhard Bröhl.

Anwohner Michael Adam erhalte zudem den Eindruck, dass das ehrenamtliche Engagement im Garten dem Erdboden gleichgemacht werde. "Es war einmal eine Brachfläche und wurde in jahrelanger, mühseliger Arbeit hergerichtet", sagt er. Es hätte viele Begegnungen zwischen Menschen gegeben, die sonst nichts mit dem Gärtnern zu tun hätten. Allein schon der Gemüseverkauf von April bis Oktober lockt Coswiger an, sich beim Kauf gleichzeitig über das Konzept des Interkulturellen Gartens zu informieren. "Doch das ist egal. Hier werden Fördergelder mit Fördergeldern plattgemacht", sagt Michael Adam, der selbst kein Vereinsmitglied ist, genauso wenig wie Eberhard Bröhl.

Cornelia Obst, Vereinsvorsitzende des Interkulturellen Gartens, möchte sich zudem öffentlich nicht dazu äußern. Kein Wunder, immerhin gehört die Fläche der Stadt Coswig, und damit ist der Verein abhängig von der Stadtverwaltung. Rein theoretisch könnte diese jederzeit den Pachtvertrag mit dem Verein kündigen und die Fläche anderweitig nutzen.

Grüner Westring: ein attraktives Großprojekt

Die Stadt Coswig bezeichnet den geplanten Rad- und Gehweg als attraktiv. Er soll vom Hirtenweg und Bürgerpark vorbei am Interkulturellen Garten Coswig zu den Sportanlagen an der Weinböhlaer Straße und dem geplanten Bike-Areal führen. Damit entstehe eine verkehrssichere Radwegeverbindung abseits der stark befahrenen Weinböhlaer Straße, die insbesondere für den Schülerverkehr und die Naherholung für alle Coswiger von Bedeutung sei, teilt die Stadtverwaltung in einer aktuellen Pressemitteilung mit.

Die entlang des Radwegs liegenden städtischen Grünflächen erfahren wiederum eine Aufwertung durch zusätzliche Bepflanzungen, und erforderliche Artenschutzmaßnahmen werden dabei berücksichtigt. "Mit dem Grünen Westring wird ein Großprojekt realisiert, das nicht nur Touristen, sondern auch den Menschen zugutekommt, die hier zu Hause sind und das Rad im Alltag nutzen", heißt es in der städtischen Mitteilung weiter. Die Vorarbeiten einschließlich der artenschutzrechtlichen Maßnahmen sollen im kommenden Frühjahr starten. Der eigentliche Bau des Rad- und Gehweges folgt ab Sommer 2024. Schließlich werde der Grüne Westring voraussichtlich im Herbst 2025 befahrbar sein.

Die Zeit drängt für die Gartenfreunde

Bevor der Bau allerdings starten könne, müssen verschiedene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durch die Untere Naturschutzbehörde bestätigt werden. Diese Bestätigung wurde nun zumindest in Aussicht gestellt, teilt Pressesprecherin Ulrike Tranberg mit. Dazu zählen die Schaffung von Ersatzhabitaten für die Eidechsen, Aufbau von Schutzzäunen für Reptilien, Baum- und Gehölzrodungen sowie Neupflanzungen außerhalb der Radwegtrasse. Diese Maßnahmen werden in den nächsten Wochen ausgeschrieben und teilweise bereits bis Ende Februar 2024 abgeschlossen. Andere Maßnahmen laufen bis etwa Juni 2024.

Viel Gestaltungsmacht haben die Freunde des Interkulturellen Gartens also nicht mehr, denn der Radweg wird nach derzeitigem Stand gebaut. Sie wollen sich vorbehalten, ein Bürgerbegehren zu starten, um das Bauvorhaben noch zu stoppen. Eberhard Bröhl und Michael Adam wünschen sich aber, dass die Menschen selbst in den Garten kommen und sich informieren. So zum Beispiel am Sonnabend zum Tag des Streuobstes, den der Verein gemeinsam mit der Nabu-Regionalgruppe Meißen organisiert hat. Da soll die Fläche, die nördlich und südlich im Garten durch den Grünen Westring wegfallen werde, markiert werden. Daran könnten Besucher erkennen, wie weitreichend der Eingriff durch das Projekt sei, so Eberhard Bröhl.