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Selbsttest im Ferrari: Drei Runden auf der Rennstrecke, 850 Euro

Die Emilia-Romagna lebt vom Mythos Ferrari. Doch auch mancher Restaurantbesuch ist die Reise wert - getreu dem Motto "Erst Piste, dann Pasta".

Von Andreas Rentsch
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Ferrari-Instruktor Pietro im gelben Overall nimmt auf dem Beifahrersitz Platz.
Ferrari-Instruktor Pietro im gelben Overall nimmt auf dem Beifahrersitz Platz. © Nacchio Brothers

Obwohl er gerade die Kontrolle über seinen Ferrari abgegeben hat, wirkt Pietro entspannt. „Fuß auf die Bremse!“ kommandiert er vom Beifahrersitz aus. „Rechte Hand!“ Wie befohlen, ziehe ich mit den Fingern am Schaltpaddel hinter dem Lenkrad. „Und los!“ Beherzt presse ich den rechten Fuß Richtung Bodenblech. Die 670 PS des Achtzylindermotors brüllen, es reißt meinen Kopf nach hinten, und ich packe das Lenkrad instinktiv fester. Der rote Rennwagen schießt aus der Boxengasse, auf die erste Rechtskurve zu. Eine Mahnung des Instruktors durchzuckt mich: „Das Bremspedal ist superhart. Du musst am Anfang jeder Bremszone so fest drauftreten, wie du kannst.“

Wer das Gaspedal auf der Zielgeraden des Autodromo di Modena lange genug durchdrückt, wird mit dem Ferrari 488 Challenge mehr als 200 Stundenkilometer schnell.
Wer das Gaspedal auf der Zielgeraden des Autodromo di Modena lange genug durchdrückt, wird mit dem Ferrari 488 Challenge mehr als 200 Stundenkilometer schnell. © Nacchio Brothers

Pietro ist heute für wenige Minuten eine Art Gästeführer. Getroffen haben wir uns im norditalienischen Marzaglia, in der Boxengasse des Autodromo di Modena. 2.410 Meter misst die Rennstrecke mit ihren elf Kurven, 1961 ist hier der Große Preis von Italien ausgetragen worden. Nach kurzer Einweisung auf Englisch habe ich eine Sturmhaube übergezogen, einen Helm aufgesetzt und mich ins Cockpit eines Ferrari 488 gezwängt. Seitdem höre ich Pietros Anweisungen nur noch über Funk. Adrenalin rauscht in meinen Ohren. Hoffentlich landen wir nicht im Kiesbett.

„Entdecke das Land, in dem die Geschwindigkeit geboren wurde“, wirbt der regionale Tourismusverband. Das ist nur mäßig übertrieben. Von der Rennstrecke bis nach Maranello ins Ferrari-Werk sind es 18 Kilometer. Knapp doppelt so weit entfernt liegt Sant’Agata Bolognese, der Stammsitz von Lamborghini. Um die Ecke, im Stadtzentrum von Modena, residiert Maserati. Wenn es einen Ort gibt, an dem Probefahrten in einem Supersportwagen zum touristischen Pflichtprogramm gehören, dann Italiens „Tal der Motoren“ in der Emilia Romagna.

Eingangstor des Ferrari-Werks in Maranello: Pilgerstätte von PS-Jüngern aus der ganzen Welt.
Eingangstor des Ferrari-Werks in Maranello: Pilgerstätte von PS-Jüngern aus der ganzen Welt. © Andreas Rentsch

Aus der ganzen Welt kommen Autoverrückte hierher, um sich den Kick zu holen. Möglich ist das mit fast jedem Budget. Wem zehn Minuten genügen, der kann für 120 Euro einen Ferrari Portofino buchen. Die Spritztour durch Maranello bietet zumindest auf der Ausfallstraße die Chance auf einen kräftigen Gaspedaltritt. Touristenfahrer mit Lenkrad-Ambitionen werden heftiger zur Kasse gebeten: Drei Runden auf dem im Autodromo di Modena in einem Ferrari 488 kosten 850, fünf Runden sogar über 1.000 Euro.

Der Landstrich im Dreieck Parma-Ferrara-Imola lebt gut von seinen gefeierten Automarken. Dabei sei Modena „das Zentrum von allem“, sagt Massimo Bottura. Der mit drei Michelin-Sternen dekorierte Starkoch führt das Ristorante Cavallino, nur wenige Schritte vom Ferrari-Werk entfernt. 1950 von Enzo Ferrari höchstselbst gegründet, dienten die Räume zunächst als Betriebskantine. Heute servieren Botturas Bedienstete gehobene regionale Küche: handgemachte Tortellini, kräftig gewürzte Rohwurst namens Cotechino und zum Nachtisch Zuppa Inglese, ein mit Tiramisu verwandtes Biskuit-Dessert. Von der Wandtapete grüßt das Cavallino Rampante, Ferraris ikonisch tänzelndes Pferd.

Italiens berühmtester Koch Massimo Bottura zieht eine Probe seines Aceto Balsamico.
Italiens berühmtester Koch Massimo Bottura zieht eine Probe seines Aceto Balsamico. © Nacchio Brothers

„Slow Food und schnelle Autos“, dieses Credo lebt Italiens berühmtester Koch. Vor Kurzem hat Bottura sogar ein Rezeptbuch mit diesem Titel veröffentlicht. So vernarrt er in Geschwindigkeit scheint, so viel Hingabe und Zeit widmet der 51-Jährige dem Essen und einer entscheidenden Zutat dafür: Aceto Balsamico. 1.400 Fässchen hortet er – und rechnet bei der Lagerung eher in Jahrzehnten als in Jahren. Sein ältester Balsamessig stammt von 1910.„Das ist das echte Zeug“, schwärmt er, wenn er Gästen eine Kostprobe der dunkelbraunen, vor Aromen berstenden Flüssigkeit kredenzt. Qualitäten für den Hausgebrauch verkauft er für 34 Euro pro Viertelliterflasche. „Bei der Quantität sind wir schlecht“, sagt Bottura. „Umso besser sind wir bei der Qualität.“

Im Restaurant Opera02 von Mattia Montanari kehren auch Formel-1-Fahrer gern ein.
Im Restaurant Opera02 von Mattia Montanari kehren auch Formel-1-Fahrer gern ein. © Nacchio Brothers

Ähnlich guten Treibstoff für die italienische Küche gibt es bei Mattia Montanari. In den Hügeln von Levizzano Rangone betreibt der 42-Jährige das Opera02, ein Hotel mit Gourmet-Restaurant und Bistro. Trebbiano-di-Modena-Trauben, aus denen der Balsamessig gemacht wird, wachsen auf den angrenzenden Feldern. „Ferrari und Maserati bringen ihre Klienten gern hierher, weil es von Modena aus nicht weit ist“, sagt Montanari. Selbst Formel-1-Fahrer sind schon eingekehrt. Bei solchen Anlässen ist die Location allerdings für andere Gäste tabu. Die Stars sollen von Selfie-Jägern und Paparazzi verschont bleiben.

Gut Ding will Weile haben: So füllt und faltet man in der Emilia-Romagna die Tortellini.
Gut Ding will Weile haben: So füllt und faltet man in der Emilia-Romagna die Tortellini. © APT Servizi Regione Emilia Romagna
Zuppa Inglese, wörtlich übersetzt „englische Suppe“, ist eine kulinarische Spezialität der Region. So wird Biskuitdessert im Ristorante Cavallino in Maranello serviert.
Zuppa Inglese, wörtlich übersetzt „englische Suppe“, ist eine kulinarische Spezialität der Region. So wird Biskuitdessert im Ristorante Cavallino in Maranello serviert. © Andreas Rentsch
Treibstoff nicht nur für die italienische Küche: Aceto Balsamico wird in unterschiedlichen Preiskategorien angeboten. Auch die Verpackung macht was her.
Treibstoff nicht nur für die italienische Küche: Aceto Balsamico wird in unterschiedlichen Preiskategorien angeboten. Auch die Verpackung macht was her. © Andreas Rentsch
Berberè Pizza in Bologna verkauft die Büffelmozzarella-Pizza zum Preis von 10,50 Euro.
Berberè Pizza in Bologna verkauft die Büffelmozzarella-Pizza zum Preis von 10,50 Euro. © Andreas Rentsch

Keine Berührungsängste kennt die PS-Elite beim alljährlichen Motor Valley Fest in Modena. Dann wird die Stadt für drei Tage zur Bühne für „belle macchine“, die schönen Autos. Bei der Parade auf der Piazza Roma brabbeln Ferraris, Lamborghinis, Maseratis und Alfa-Romeos, die sonst in privaten Sammlungen stehen. Massimo Bottura hat 2023 zu diesem Anlass einen schwarzen Ferrari 410 Super America pilotiert. Das fast 65 Jahre alte Coupé zählt zu den seltensten Baureihen, die die Fabrikhallen in Maranello je verlassen haben.

Vermutlich wäre das Motor Valley Fest ganz im Sinne von Enzo Ferrari. Der Firmenpatron soll mal sinngemäß gesagt haben, das beste Museum für seine Autos seien die Straßen Italiens.

Auf der Rennstrecke bei Modena dauert es mehr als eine halbe Runde, ehe meine Sorge vor einem abrupten Abflug ins Kiesbett weicht. Pietros linker Arm gibt die Richtung vor: Mit ausladenden Bewegungen dirigiert er mich durch die Kurven, hebt an Bremspunkten mahnend die Hand. Wenn ich gerade mal nicht lenken muss, trete ich das Gaspedal durch und blinzle Richtung Tacho. 150. Auf Start und Ziel schnellt die Nadel sogar auf 200 hoch, ehe sich Pietros Hand hebt. Sofort lasse ich pflichtschuldigst die Bremsen quietschen.

Nach drei Minuten ist alles vorbei, und der Ferrari rollt in der Boxengasse aus. Ich ziehe an beiden Schaltpaddeln, und der Leerlauf ist drin. Mehr als ein „Sehr schön, danke!“ bringe ich nicht heraus. Mamma mia, war das eine Stadtrundfahrt.

Das müssen Sie für Ihren Trip in Italiens Tal der Motoren wissen

  • Anreise: Mit dem Auto sind es von Dresden bis Modena auf der kürzesten Route über Österreich knapp 1.000 Kilometer, also elf Stunden Nettofahrzeit. Ein Direktflug vom Berlin (BER) nach Bologna (BLQ) schafft die Distanz in einer Stunde und 40 Minuten. Mit dem Zug benötigt man von Dresden nach Bologna mehr als zwölf Stunden, muss aber im Idealfall nur zweimal umsteigen.
  • Unterkunft: z.B. in der Albergo delle Drapperie inmitten von Bologna. Die 21 Zimmer befinden sich in einem Gebäude, das schon im 19. Jahrhundert als Gästehaus diente. Doppelzimmer für zwei Erwachsene in der Nebensaison ab 104 Euro.
  • Sportwagen selber fahren: Direkt über die Website des Autodromo di Modena können Fahrten in Ferraris (458 Challenge und 488 Challenge) und zwei Lamborghinis (Huracan und Gallardo) gebucht werden. Drei Runden im Ferrari 458 Challenge kosten knapp 760 Euro, vier Runden ca. 890, fünf Runden knapp 980 Euro. Wer nur die Rennstrecke erleben will, kann auch fünf Runden mit einem KTM X-Bow fahren (knapp 480 Euro).
  • Essen gehen: Ein Degustationsmenü im Ristorante Cavallino in Maranello (Via Abetone Inferiore, 1) kostet 62 Euro pro Person, die Weinbegleitung dazu 38 Euro. Wer es einfacher mag und Pasta liebt, sollte die Tagliatella Trattoria in Modena (Via Masone 16) besuchen. Tortelli di ricotta e spinaci als Hauptgang gibt’s für elf Euro. Unbedingt auch Gnocco fritto con prosciutto crudo probieren. Eine Portion der frittierten, gefüllten Fladen kostet neun Euro. Exzellente Pizza macht Berberè Pizza in Bologna (Via Petroni 9). Einheimische empfehlen die Bufala, eine Variante mit Büffelmozzarella (10,50 Euro).
  • Motor Valley Fest: Bei der sechsten Auflage des Fests vom 2. bis 5. Mai gibt es offene Museen, Fahrzeugparaden, Rallyes und Gastro-Events.
  • Cavallino Classic: Für die europäische Auflage eines Concorso d’Eleganza präsentieren Eigentümer ihre Ferraris vom 17. bis 19. Mai in Modena. Die Veranstaltung gilt als Hommage an die Heimatstadt von Enzo Ferrari.
  • Ferrari im Kino: In den USA, Kanada und der Schweiz hatte er Ende 2023 Premiere, in Deutschland soll „Ferrari“, ein biografischer Film über Enzo Ferrari, 2024 in die Kinos kommen. Die Hauptrollen spielen Adam Driver und Penélope Cruz.
  • Die Recherche wurde unterstützt vom Tourismusverband Region Emilia Romagna. Weitere Infos zur Region gibt es hier.