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Riesa: Stadt voller Garagen

Über einen Baustopp für einen neuen Komplex in der Pausitzer Delle gehen die Meinungen auseinander. Manch anderes scheint beim Thema Garagen unstrittig.

Von Eric Weser
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Ob am Karl-Marx-Hof (gr. Foto), am Alten Pausitzer Weg (links), am Gucklitz (Mitte) oder nahe der Harbigstraße (unten): Überall in Riesa gibt es Garagengemeinschaften. Die Unterstellplätze sind gefragt.
Ob am Karl-Marx-Hof (gr. Foto), am Alten Pausitzer Weg (links), am Gucklitz (Mitte) oder nahe der Harbigstraße (unten): Überall in Riesa gibt es Garagengemeinschaften. Die Unterstellplätze sind gefragt. © Fotos: Eric Weser/Montage: SZ

Riesa. "Die sind alle voll", sagt der Senior und deutet gleichzeitig in Richtung der Metalltore um ihn. Dutzende davon reihen sich im Garagenkomplex nahe der Rudolf-Harbig-Straße in Gröba aneinander – alle sind im selben Farbton gestrichen. Was sich hinter ihnen verbirgt, ist nicht zu sehen. Nur hin und wieder ergibt sich ein Blick ins Innere der Bauten, wenn ein Besitzer vorbeikommt und eins der Schwingtore öffnet. Wie einen Weg weiter, wo an diesem Vormittag jemand an seinem Quad werkelt.

Wer sich durch Riesa begibt, kann sie in fast jedem Stadtteil finden, der zur Kernstadt gehört: Garagenkomplexe. Jener zwischen der Allee- und der Hans-Beimler-Straße in Gröba dürfte zu den größten in Riesa zählen. Nur wenig entfernt liegt ein weiterer großer Garagenhof an der Alleestraße. Weida weist einen großflächigen Komplex nahe dem Freibad auf, in der Pausitzer Delle existieren mehrere Exemplare verschiedenen Ausmaßes in einem 500-Meter-Umkreis um den Humboldtring.

In dieser Gegend könnte demnächst sogar noch einer hinzukommen. Eine bayerische Firma plant den Bau 50 neuer Garagen auf einer Freifläche neben der Gaststätte Am Humboldtring, auf der bis voriges Jahr ein Wohnblock gestanden hatte. Die Wohnungsgenossenschaft hatte das Grundstück nach dem Gebäudeabriss an die auf Garagenbau, -vermietung und -vermarktung spezialisierte Firma Future Construct aus Markt Schwaben bei München verkauft. Nach einem durch die Stadt Riesa verhängten Baustopp ist allerdings offen, ob deren Vorhaben umgesetzt wird und die Delle einen weiteren Garagenkomplex bekommt. Derzeit überprüft die Landesdirektion den Fall.

So oder so macht es den Eindruck, als sei Riesa eine Stadt voller Garagen. Allein die Zahl der Garagengemeinschaften beläuft sich nach Angaben des Riesaer Rathauses auf 53 Stück, sie sich auf 24 Garagenstandorte im Stadtgebiet verteilen. Insgesamt gehören 3.755 Garagen dazu.

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. © Grafik: SZ

Im Gegensatz zu dem geplanten neuen Mietgaragenhof in der Delle handelt es sich dabei um Eigentumsgaragen, die wiederum auf städtischem Grund stehen. Entstanden sind die Bauten in der DDR-Zeit.

Ihrer Beliebtheit bis heute tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil. Einen nennenswerten Leerstand gibt es nach Angaben der Stadtverwaltung nicht. Das deckt sich mit dem, was Mitglieder verschiedener Garagengemeinschaften berichten. Viele Garagen werden von ihren Besitzern liebevoll gehegt und gepflegt. Was mitunter als Manko genannt wird: Für manch modernes Auto sind die DDR-Typenbauten inzwischen etwas klein.

Genutzt werden die Garagen derweil nicht in jedem Fall als Unterstellplatz für Autos. Manchem dienen die rund zwölf oft fensterlosen Quadratmeter als Lager. Andere verwenden sie als Hobbyraum.

Gewollt ist das offenbar nicht: Eine anderweitige Nutzung der Garagengebäude, etwa als Aufenthaltsraum, Verkaufsstätte, Sammel-, Lager- oder Hobbyraum sei genauso untersagt wie eine sonstige gewerbliche Nutzung und werde von der Stadt nicht geduldet. So steht es in einem Schreiben des Rathauses von Ende Juni 2021, das in Schaukästen verschiedener Garagenhöfe aushängt. Das Bauamt fordert darin die Vorstände der Garagengemeinschaften auf, sicherzustellen, dass die Gemeinschaftsmitglieder die vertraglich vorgeschriebene Nutzungsweise der Gebäude einhalten. Zuvor hatte die Stadt "vermehrt Informationen zu nicht erlaubten Nutzungen von Garagengebäuden auf städtischem Grund und Boden" erhalten, wie es in dem Schreiben ebenfalls heißt.

Gegen eine Nutzung als Lager hat das Unternehmen Future Construct, das in der Delle Neubaugaragen errichten und vermieten will, nichts einzuwenden. Allerdings müssten sich die Garagennutzer über die rechtlichen Regeln für Garagen im jeweiligen Bundesland selbst informieren, so das deutschlandweit tätige Unternehmen auf seiner Internetseite.

Während die Zukunft des Garagenprojekts in der Delle aktuell in den Sternen steht, haben die Nutzer der Garagenkomplexe auf städtischem Boden derweil für die nächsten Jahre Sicherheit. Nachdem es noch 2019 Sorge um einen möglichen Abriss gegeben hatte, weil die Pachtverträge bis Ende 2021 befristet waren, ist zwischenzeitlich eine neue Regelung getroffen worden. Demnach haben sich die Stadt und die Garagengemeinschaften Änderungsverträge abgeschlossen, die bis Jahresende 2025 gelten.

Der Senior, der im Gröbaer Garagenkomplex an der Alleestraße das Schwingtor hinter seinem Pkw schließt, ist froh darüber. Und schließlich habe auch die Stadt etwas davon. "Wo sollen denn die ganzen Autos sonst stehen? Auf der Straße?"