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Riesa: Ein Dorf baut seine Kirche wieder auf

Vor wenigen Jahren standen nur die Grundmauern des markanten Gebäudes in Riesa-Canitz. Jetzt ist es nicht mehr wiederzuerkennen.

Von Stefan Lehmann
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Die Canitzer Kirche war 2017 noch eine Ruine (links) - jetzt ist das Gebäude fast fertig restauriert.
Die Canitzer Kirche war 2017 noch eine Ruine (links) - jetzt ist das Gebäude fast fertig restauriert. © Sebastian Schultz

Riesa. An der Grundstückseinfahrt hat der Bagger ganze Arbeit geleistet. Für Blitzschutz, Entwässerung und Strom haben die Mitarbeiter von Opti-Bau einen Graben ausgehoben, der von der Einfahrt bis kurz vor den Eingang der Canitzer Kirche führt.

Ortsvorsteher Ralf Zscherper öffnet die Bautür und bittet hinein. Nicht zu weit: Der Sandsteinboden ist gerade erst verlegt, nur die alten Steine im Eingangsbereich dürfen betreten werden. Viel Licht dringt durch die gläserne Fassade am hinteren Ende. Dort sorgen senkrechte Holzelemente für eine zusätzliche optische Trennung. Auch die übrigen Fenster sind mittlerweile eingesetzt. Was noch fehlt, sagt Zscherper, sind die Wände. Die werden erst noch verputzt.

17 Jahre lang für den Wiederaufbau eingesetzt

An der Außenfassade ist das schon im Februar geschehen. Beim Weg um das Gebäude herum deutet Ralf Zscherper noch auf einen etwas dunkleren Fleck an der Wand. Da scheint offenbar das Mauerwerk noch durch die Farbe. Ein Makel - mit dem Zscherper aber leben kann. Er habe sich anfangs nur schwer vorstellen können, dass das alte Mauerwerk überhaupt noch zu verwenden ist.

Als vor bald fünf Jahren die ersten Pläne zur Notsicherung des Gebäudes Gestalt annahmen, da war von dem Gotteshaus nicht mehr viel übrig gewesen. Ein Teil der Grundmauern stand noch, mehr oder weniger verwittert. In den 1960er-Jahren war die Kirche zunächst wegen Einsturzgefahr geschlossen und später in Teilen abgerissen worden. Sie war danach dem Verfall preisgegeben; aus ursprünglichen Plänen, sie als Sommerkirche zu nutzen, wurde damals nichts. Bis sich 2005 der Verein zum Wiederaufbau der Canitzer Kirche gründete.

Gut fünf Jahre ist diese Aufnahme her: Im März 2017 standen von der Kirche nur noch die Grundmauern.
Gut fünf Jahre ist diese Aufnahme her: Im März 2017 standen von der Kirche nur noch die Grundmauern. © Archiv/Sebastian Schultz
Die Blickrichtung ist dieselbe, aber das Gebäude nicht mehr wiederzuerkennen. Mittlerweile sind der Sandstein-Fußboden und die Fenster drin, es fehlt noch der Anstrich für die Wände.
Die Blickrichtung ist dieselbe, aber das Gebäude nicht mehr wiederzuerkennen. Mittlerweile sind der Sandstein-Fußboden und die Fenster drin, es fehlt noch der Anstrich für die Wände. © Sebastian Schultz
Blick vom Eingang in Richtung des kleinen "Hofs": Die gläserne Fassade sorgt für viel Licht in der Kirche.
Blick vom Eingang in Richtung des kleinen "Hofs": Die gläserne Fassade sorgt für viel Licht in der Kirche. © Sebastian Schultz
Vor dem Gebäude finden noch Tiefbauarbeiten statt. Ende Juni soll die Eröffnung gefeiert werden.
Vor dem Gebäude finden noch Tiefbauarbeiten statt. Ende Juni soll die Eröffnung gefeiert werden. © Sebastian Schultz
Der neu errichtete Bau fällt kleiner aus als die Kirche zu DDR-Zeiten. Die Mauer rechts lässt die ursprünglichen Maße erahnen.
Der neu errichtete Bau fällt kleiner aus als die Kirche zu DDR-Zeiten. Die Mauer rechts lässt die ursprünglichen Maße erahnen. © Sebastian Schultz

Das Ziel ist jetzt, 17 Jahre später, zum Greifen nah. Geht alles gut mit den Restarbeiten, dann könnte Ende Juni die Einweihung erfolgen, sagt Zscherper, der auch dem Kirchenverein vorsteht. Bis dahin gibt es - neben der erwähnten Fassade im Innenraum - vor allem im Außenbereich noch einiges zu tun. Einige alte Steinplatten liegen noch auf der Wiese in Richtung Friedhof. Auch ein paar alte Mauerreste, Überbleibsel vom Abriss aus DDR-Zeiten, werden in der nächsten Zeit noch weggeräumt.

Außerdem sind zwei Mitarbeiter der Firma Pfennig-Bau aus Oschatz im ehemaligen Altarraum beschäftigt. Der liegt weiterhin im Freien: Die wiederaufgebaute Kirche fällt eine Nummer kleiner aus als zuletzt. Sie entspricht in ihren Ausmaßen eher denen aus der Frühzeit der Kirche. Es war der Kompromiss, den die Canitzer eingehen mussten, um den Wiederaufbau zu finanzieren.

Maximilian Gabriel von Pfennig-Bau arbeitet an den Überresten des früheren Kirchenaltars in Canitz.
Maximilian Gabriel von Pfennig-Bau arbeitet an den Überresten des früheren Kirchenaltars in Canitz. © Sebastian Schultz

Wo einst der Altar stand, blickt man nun also gen Himmel. Die alten Grundmauern bekommen noch eine Sandsteinabdeckung, verputzt sind sie bereits. Wie der kleine "Hof" genutzt werden soll, der dadurch nun hinter der Kirche entstanden ist, das ist laut Ralf Zscherper noch offen. Die Überbleibsel des Altars werden derweil vermauert. Das eigentliche Objekt steht mittlerweile in einer Kirche in Niedersteinbach im Landkreis Mittelsachsen, erzählt er.

Gerade erst habe Jochen Kinder, der früher als Pfarrer fürs Kirchspiel zuständig war, ihm ein Foto aus eben dieser Kirche geschickt. "Beim Abriss ging fast alles als Dauerleihgabe an andere Kirchen", sagt der Ortsvorsteher. "Verkauft wurde damals nur die Orgel." Ambitionen, diese Leihe zu beenden, gebe es nicht. "Die holt man nicht mehr zurück." Orgelmusik soll indes künftig wieder in Canitz erklingen können. Im Eingangsbereich wird noch eine Treppe entstehen, die auf eine kleine Empore im Saal führt. Dort wäre dann zumindest Platz für eine Elektro-Orgel.

Einen mittleren sechsstelligen Betrag wird der Wiederaufbau am Ende gekostet haben, finanziert durch Fördermittel, unterstützt auch durch die Landeskirche - aber eben auch durch Spenden, die der Verein selbst zusammengetragen hat. Selbst bei einer Sondersendung von "Mach dich ran" nahmen die Canitzer teil, um Geld für ihre Kirche zu sammeln. Irgendwie sei man jetzt auf der Zielgeraden, sagt Ralf Zscherper und lächelt. "Ich bin froh, dass das geworden ist."

Das hat neben dem Engagement der vielen Beteiligten auch mit einem günstigen Zeitfenster zu tun. Mit Blick auf die durch Corona leeren Fördertöpfe und gestiegenen Baupreise sagt er nur: "Jetzt würde das so nicht mehr klappen."