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Wie werden Riesaer Mieter in Zukunft wohnen?

Längst gibt es Träume von Energie-Autarkie und automatisierten Wohnungen. Aber sind die auch realistisch? Nachgefragt bei einem Riesaer Großvermieter.

Von Stefan Lehmann
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Intelligente Technik im Eingangsbereich: Erik Findeisen, Leiter Elektrotechnik bei RDL, zeigt die Smarthome-Steuerung in einer Wohnung der Dresdner Straße.
Intelligente Technik im Eingangsbereich: Erik Findeisen, Leiter Elektrotechnik bei RDL, zeigt die Smarthome-Steuerung in einer Wohnung der Dresdner Straße. © Sebastian Schultz

Riesa. Die Zukunft steckt in einem kleinen schwarzen Kasten an der Wohnungstür. Erik Findeisen, beim Hausverwalter RDL zuständig für Elektrotechnik, demonstriert, was sich auf dem Bildschirm alles abrufen lässt: Sensortechnik misst Temperatur und Raumluft, die Heizung kann zentral von hier gesteuert werden. Über ein Menü kann Findeisen die Luftfeuchtigkeit in allen fünf Räumen kontrollieren.

Das intelligente Zuhause, das "Smart Home", ist in Riesa längst Realität. Nicht nur in dieser Wohnung an der Dresdner Straße. Schon vor fast zehn Jahren hatte die Wohnungsgesellschaft Riesa ein erstes Pilotprojekt gestartet, gemeinsam mit der Hochschule Zwickau. Die Erfahrungen beim Objekt an der Glauchauer Straße waren offenbar gut. Bei den beiden bisher mit Smarthome-Möglichkeiten ausgestatteten Objekten "haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Mieter zehn bis 15 Prozent Energieeinsparung erzielen konnten", sagt WGR-Geschäftsführer Roland Ledwa.

An der Dresdner Straße ist schon Smarthome-Technik verbaut. Vor allem bei der Heizungssteuerung lohnt sich das aus WGR-Sicht.
An der Dresdner Straße ist schon Smarthome-Technik verbaut. Vor allem bei der Heizungssteuerung lohnt sich das aus WGR-Sicht. © Sebastian Schultz

Energiekosten spielen heute für viele Mieter eine enorme Rolle, bestätigt Ledwa. Wer auf der Suche nach einer neuen Wohnung ist, der habe die aktuellen Energiepreise im Hinterkopf - und achte entsprechend auch auf den Verbrauch einer Wohnung. Da scheinen die Zukunftsvisionen vom energieautarken Haus, das sich selbst versorgt, umso attraktiver.

Eine solche Idee hatte kürzlich auch Timo Leukefeld in einem Vortrag beim Wirtschaftsball in Riesa vorgestellt. In Aschersleben hat Leukefeld bereits an so einem Vorhaben mitgearbeitet - und einen alten Plattenbau entsprechend saniert. 2023 zogen die ersten Bewohner ein. Sie zahlen nur eine Inklusivmiete, die schon sämtliche Nebenkosten einpreist. 60 Prozent des Energiebedarfs für Heizung und Strom soll das Haus selbst erzeugen. Ein zweites ist bereits in Arbeit.

Ein Zukunftsmodell auch für Riesa? Roland Ledwa ist da eher skeptisch. "Sicher wird man immer auf der Suche sein, wie sich Häuser energetisch günstig versorgen lassen. Aber bis 2045 nur noch Null-Energie-Häuser - das wird nicht passieren." Es gebe nun einmal Grenzen, ab denen das nicht mehr wirtschaftlich sei.

Roland Ledwa befürchtet, dass eine Pauschalmiete andere Probleme nach sich ziehen könnte. Er verweist da auf das Beispiel des Null-Energie-Hauses der SEEG in Meißen. Der Vermieter vermeldete im Herbst 2023, dass die Heizkosten deutlich über den ursprünglichen Berechnungen lagen. Teils wurde zu viel gelüftet, oder die Heizung stets auf Anschlag gedreht. "Was nichts kostet, ist nichts wert", sagt WGR-Chef Roland Ledwa deshalb. Einfach eine feste Warmmiete zu berechnen, sei abrechnungstechnisch einfacher. Aber er sei nicht überzeugt, dass eine Pauschale auf Dauer funktioniert.

Sensoren überwachen in der Dresdner Straße nicht nur die Luftfeuchtigkeit. Sie erkennen auch, wann etwa ein Fenster geöffnet ist.
Sensoren überwachen in der Dresdner Straße nicht nur die Luftfeuchtigkeit. Sie erkennen auch, wann etwa ein Fenster geöffnet ist. © Sebastian Schultz

Manche Ideen lohnen auch aus anderen Gründen nicht. Ledwa verweist auf ein Pilotprojekt aus der Lausitz. Da wurden elektrische Matten in der Wand verbaut, die für Wärme sorgen sollen. Doch das habe sich als energetisch uninteressant herausgestellt. Die Möglichkeiten durch Smarthome-Technik sieht man dagegen auch in Riesa - auch wenn Roland Ledwa sagt, der Begriff sei mittlerweile gehörig strapaziert.

Entscheidend sei letztlich die Frage: "Was macht für den Mieter oder Eigentümer wirtschaftlich Sinn, und was ist man bereit zu bezahlen?" Sinnvoll seien insbesondere Heizungssteuerung, Überwachung der Luftfeuchte und eine Möglichkeit, den Strom abzustellen, wenn der Mieter das Haus verlässt. "Das wird auch gerne wahrgenommen." Die Technik könne auch etwas für das Sicherheitsbedürfnis leisten. An der Dresdner Straße seien die drei Haustürklingeln - am Eingang, am Aufzug und an der Wohnung - jeweils mit Videobild geschalten. "Das halte ich für gut", sagt der WGR-Chef. Man müsse aber auch aufpassen, Wohnungen nicht mit Technik zu überfrachten. "Je mehr Technik, umso mehr Hilfestellung ist gefragt."

Dass in den kommenden Jahren künstliche Intelligenz in den Wohnungen Einzug halten könnte, glaubt der WGR-Chef eher nicht. Auch Wärmepumpen und Wasserstoff sind aus verschiedenen Gründen eher kein Thema für die Immobilienwirtschaft - oft scheitert es demnach an der Infrastruktur.

Nichts unversucht lassen

Ein Zukunftsthema dagegen ist und bleibt Mieterstrom. "Wir haben jetzt zwei Objekte, arbeiten gerade am dritten." Fotovoltaik gibt es schon seit einigen Jahren auf vielen Dächern des Großvermieters. Der Aufwand, sie für Mieterstrom umzurüsten, sei überschaubar, und das wolle man auch tun. Der WGR-Aufsichtsrat begrüße das Thema, so Ledwa. "Wir sollen das ausbauen, was ja auch im allseitigen Interesse ist."

Schon heute beschäftigen den Großvermieter aber noch ganz andere Fragen, abseits von Energiepreisen. Zum einen sei da das Wohnumfeld, speziell das Grün rings um die Häuser. Das sei nachhaltig - ziehe aber auch Kosten für die Pflege nach sich.

Eine andere Herausforderung sei die Vereinsamung der Mieter. Es gebe durchaus Angebote von freien Trägern, wie etwa dem DRK. "Aber es fällt vielen Mietern schwer, die Hemmschwelle zu überwinden und sie auch zu nutzen." Dabei dürfte dieses Thema mit dem demografischen Wandel wohl noch eher zunehmen. Von Themen wie Hausnotruf und betreutem Wohnen wollen bislang aber nur die wenigsten Mieter wissen. Diese Angebote würden kaum nachgefragt. Ähnlich sah es mit haushaltsnahen Dienstleistungen aus, die die WGR einmal im Angebot hatte. "Geld ausgeben, für Dinge, die man jahrelang selbst gemacht hat, das fällt schwer", so Roland Ledwas Vermutung.

Unversucht lassen will die WGR bei dem Thema offenbar nichts: Momentan gebe es Kontakt zu Provitus. Gemeinsam mit dem Pflegedienstleister arbeite man an einem Konzept, um möglichst lange das Wohnen in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.