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Feralpi Stahl: "Die Zeichen stehen gut"

Das Stahlwerk Riesa ist ein großer Arbeitgeber - und ganz großer Stromverbraucher. Zum Jubiläum kündigt man erhebliche Investitionen an.

Von Christoph Scharf
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Uwe Reinecke ist Werksdirektor bei Feralpi Stahl in Riesa. Der 56-Jährige ist seit einem Jahr bei Feralpi und war zuvor bei der Georgsmarienhütte-Gruppe tätig.
Uwe Reinecke ist Werksdirektor bei Feralpi Stahl in Riesa. Der 56-Jährige ist seit einem Jahr bei Feralpi und war zuvor bei der Georgsmarienhütte-Gruppe tätig. © Feralpi Stahl

Riesa. Am 14. Januar 1992, vor genau 30 Jahren, war Feralpi Stahl in Riesa gestartet. Seitdem gehört das Riesaer Traditions-Stahlwerk mit rund 730 Mitarbeitern zum italienischen Konzern Feralpi, der aus Schrott neuen Baustahl fertigt. Ein Gespräch mit dem Werksdirektor.

Herr Reinecke, 30 Jahre Feralpi in Riesa: Ist das eine Erfolgsgeschichte?

In der Stahlindustrie gab es natürlich immer Höhen und Tiefen, aber wenn man das zusammenfasst, ist 30 Jahre Feralpi in Riesa durchgehend eine Erfolgsgeschichte! Für den Standort, die Gesellschafter, die Mitarbeiter und das Umfeld.

Laut Unternehmensangaben wurden in der Zeit 24 Millionen Tonnen Schrott zu 21 Millionen Tonnen Stahl verarbeitet. Wie läuft denn das Geschäft unter Corona-Bedingungen?

Wir haben trotz aller Vorkehrungen positive Corona-Tests und Krankheitsfälle gehabt. Wir konnten es aber Gott sei Dank immer so hinbekommen, dass die Produktion so gut wie nie negativ beeinträchtigt war. Ende 2021 mussten wir allerdings im Stahlwerk einmal eine ganze Schicht rausnehmen, sodass wir 14 Tage lang den Schichtbetrieb reduzieren mussten. Aber das war die einzige negative Einschränkung. Jetzt hoffen wir, dass wir durch die nächste Welle mit Omikron auch einigermaßen unbeschadet durchkommen.

Das Foto erinnert an die erste von Feralpi in Riesa produzierte Stahl-Charge - am 13. April 1994.
Das Foto erinnert an die erste von Feralpi in Riesa produzierte Stahl-Charge - am 13. April 1994. © Feralpi Stahl

Corona trifft nicht nur die Menschen, sondern auch die Wirtschaft insgesamt. Wie wirkt sich das auf die Nachfrage von Baustahl aus?

Die Baukonjunktur ist relativ covidrobust gewesen. Die Zeichen für eine weitere gute Konjunktur für 2022 und die Folgejahre stehen gut, auch mit der neuen Bundesregierung und den vielen zentralen öffentlichen Bauvorhaben. Ich gehe davon aus, dass wir für die nächsten Jahre im Baubereich mit einer ähnlich guten Konjunktur rechnen können. Was eher auf die Stimmung drückt, ist die Unsicherheit in den Beschaffungsketten - also beim Einkauf.

Was meinen Sie damit: eher Schrott oder eher Zuschlagstoffe?

Schrott wird künftig knapper werden, zumal auch die integrierten Stahlwerke mit Hochöfen verstärkt ihren Betrieb mit der Erzeugung von Wasserstoff auf E-Ofen-Betrieb umstellen wollen. Damit werden auch diese perspektivisch mehr Schrott zukaufen. Aktuell sehe ich aber eher Probleme bei Stahlwerksmaterialien: Da merken wir, wie Preise steigen und die Beschaffbarkeit schwieriger wird. Und Investitionen und Anlagengüter sind ein Thema. Elektronikbauteile etwa, wir kennen das ja von den Chips in der Automobilindustrie. Auch bei uns in den Steuerungen sind viele Elemente verbaut - da bemerken wir genauso, dass es bei der Beschaffung viele Verzögerungen gibt.

Sie sprachen das Thema Investitionen an: Was ist aktuell geplant?

In den nächsten vier Jahren haben wir mehrere Großprojekte: Wir wollen ein neues Walzwerk bauen - mit einem neuen Endprodukt für die Bauindustrie, einem gespulten Draht. Das neue Walzwerk wird auch CO2-reduziert arbeiten, nicht mehr unbedingt mit gasbetriebenen Öfen, sondern mehr mit induktiv erwärmten. Für zwei Walzwerke brauchen wir auch mehr Stahl-Kapazität, müssen also dort ausbauen. Die Kapazität wollen wir auf 1,25 Millionen Tonnen im Jahr erweitern, aktuell liegen wir bei knapp unter einer Million. Damit werden weitere Projekte nötig, etwa ein neues Umspannwerk auf dem Gelände. Das jetzige reicht nicht mehr aus. Die dritte große Investition ist die neue Schrottaufbereitung: Wir wollen den Schrott stückiger und sauberer in die Körbe einführen und damit die Befüllung des Elektro-Lichtbogen-Ofens optimieren, das spart Energie beim Schmelzprozess. Und viertens wollen wir die logistischen Abläufe in unserem Werk mit den ganzen Lkw-Bewegungen besser und sicherer gestalten. Dafür ordnen wir alle Straßen- und Parkflächen neu.

In welchen Größenordnungen will Feralpi investieren?

Insgesamt wollen wir rund 150 bis 160 Millionen Euro investieren. Und dazu brauchen wir in der Endausbaustufe auch noch mehr Arbeitskräfte - 80 bis 100 Stellen entstehen zusätzlich. Fachkräfte zu bekommen, ist neben den Themen Energie und Klima eine große Herausforderung: Wie jedes Unternehmen müssen wir Mitarbeiter ersetzen, die in den Ruhestand gehen - dazu aber noch bis 100 neue Fachkräfte finden. Das wird spannend.

Sie sprachen das Thema Energie an. Feralpi Stahl dürfte einer der ganz großen Stromverbraucher Sachsens an. Wie viel brauchen Sie pro Jahr?

Wir benötigen im Jahr mehr als 500.000 Megawattstunden Strom. Die zuletzt explodierenden Energiepreise haben uns ebenfalls getroffen. Bei den astronomischen Strompreisen, die wir vor Weihnachten hatten, mussten wir das Stahlwerk auch mal einen halben Tag oder ganzen Tag rausnehmen, weil bei Preisen von über 500 Euro pro Megawattstunde es sich betriebswirtschaftlich nicht mehr lohnte, Stahl zu schmelzen.

500.000 Megawattstunden: Unter der Menge kann man sich schwer was vorstellen. Wie viele Haushalte könnte man denn damit versorgen?

Wir verbrauchen mehr Strom als 120.000 Vier-Personen-Haushalte und mehr Erdgas als 11.000 Vier-Personen-Haushalte.

Oha! Das entspricht ja fast der Einwohnerzahl von Dresden. Wie beziehen Sie den Strom?

Wir haben mit den großen Stromversorgern Verträge. Und Gas ist für uns genauso wichtig, da verbrauchen wir mehr als 250.000 Megawattstunden im Jahr. Aktuell sind wir dabei, unser Energiebeschaffungsmodell zu überarbeiten: Es geht darum, wie wir künftig unsere Energie einkaufen - und welche Einsparpotenziale wir noch nutzen können. Das ist nötig! Zum Glück macht es derzeit der Markt noch mit, einen großen Teil der Energiepreissteigerungen über den Verkaufspreis an die Kunden weiterzureichen.

Ein Blick aus der Luft auf das Unternehmen in Gröba. Zu DDR-Zeiten arbeiteten dort viele Tausend Menschen.
Ein Blick aus der Luft auf das Unternehmen in Gröba. Zu DDR-Zeiten arbeiteten dort viele Tausend Menschen. © Lutz Weidler

Was die Zukunft der Energieversorgung angeht, fällt immer wieder das Stichwort grüner Wasserstoff. Was bedeutet das für Feralpi?

Wir haben hier in der Region eine Gemeinschaft gebildet - mit Wacker Chemie, dem Schmiedewerk Gröditz, Vallourec Zeithain und Ervin in Glaubitz. Wir zusammen wären alle interessante Wasserstoffverbraucher und versuchen politisch, näher an die geplante Pipeline ranzukommen. Die soll 40 Kilometer nördlich von unserem Standort verlaufen und würde uns damit abkoppeln. Wir sind mit der Landesregierung im Gespräch, dass die Pipeline näher an uns ranrückt. Wasserstoff ist für uns ganz wichtig - für die Pfannenöfen und unseren großen Ofen im Walzwerk. Und auch der Elektroofen besitzt eine Gasbefeuerung. Damit könnten wir beträchtlich sparen, wenn wir perspektivisch von Gas auf Wasserstoff umstellen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass Wasserstoff preisgünstig angeboten wird.

  • Das Jubiläumsjahr 2022 soll gefeiert werden - sollte es die Pandemielage erlauben. Für den 9. Juli lädt Feralpi Stahl zum Familienfest "Bella Gröba" ein. Am 9. September ist ein Tag der offenen Tür im Stahlwerk geplant.