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Nachruf auf den Dresdner Architekt Peter Kulka: Die Lust der Formvollendung

Der Architekt Peter Kulka ist tot. Seine Bauten prägen Dresden in besonderer Weise. Der gebürtige Sachse stritt für stilvolle Projekte und litt unter der Ignoranz von Qualitätsansprüchen.

Von Peter Ufer
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Peter Kulka (1937 - 2024)
Peter Kulka (1937 - 2024) © Archivbild: Ronald Bonß

Noch am vergangenen Freitag saß er in einer Runde hinter der großen Glastür im Konferenzzimmer seines Architektur-Büros im Dresdner Industriegelände. Peter Kulka deklamierte, diskutierte, versuchte zu überzeugen, wovon er überzeugt war. Genau wie das Kämpfen für seine Konzepte gehörte es zu ihm, den richtigen Zeitpunkt für einen Konsens zu finden. Am 20. Juli wäre der gebürtige Dresdner 87 Jahre alt geworden. Doch am Montag starb er in seinem Haus in der Friedrichstadt.

Katrin Leers-Kulka konnte es nicht fassen, fand am gestrigen Mittwoch kaum Worte. „Am Wochenende ging es ihm schlecht, und dann ist er friedlich eingeschlafen“, teilte die Architektin, Gesellschafterin des Büros und Adoptivtochter von Peter Kulka, mit. Tatsächlich ist die Nachricht schwer zu fassen, denn wer den 86-Jährigen noch vor Kurzem erlebte, der begegnete einem Mann, der vital und kraftvoll sprach, der seine Entwürfe, nicht zuletzt das Projekt der neuen Gebäude am Sächsischen Landtag, vehement verteidigte. Und das mit Charme, mit Intellekt und viel Emotionen. Er scheute sich auch nicht vor Tränen, als er an einen seiner guten Freunde dachte, der gerade sein Augenlicht verloren hatte.

1994 wurde der von Peter Kulka entworfene Sächsische Landtag in Dresden eingeweiht.
1994 wurde der von Peter Kulka entworfene Sächsische Landtag in Dresden eingeweiht. © Archivbild: Matthias Rietschel

Peter Kulka war im positiven Sinne ein Streiter, ein Verteidiger seiner Idee und zugleich ein Kritiker. Erst im Mai des vergangenen Jahres beklagte er sich bei einem Debattenabend über Dresdner Architektur im Kulturpalast, dass der Postplatz danebengegangen sei, dass das neue Verwaltungszentrum, das am Ferdinandplatz gebaut wird, eine Katastrophe werde, dass Investoren die Restbaulücken zuklotzen würden, den Stadträten die Bildung fehle, um wirklich fachgerecht über Architektur entscheiden zu können und die neue Lingnerstadt nichts mehr mit seinem eigentlichen Entwurf zu tun habe. „Dresden ist meine Heimatstadt und es tut mir weh, wenn sie jemand verschandelt“, sagte der Professor erst vor wenigen Tagen.

Peter Kulka schloss 1954 eine Lehre als Maurer ab, absolvierte bis 1958 ein Ingenieurstudium, Fachrichtung Architektur. Bis 1964 studierte er Architektur an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee, arbeitete danach für einige Monate an der Deutschen Bauakademie in Ostberlin. 1965 floh er aus der DDR, begann als Mitarbeiter im Architekturbüro von Hans Scharoun in Westberlin. Seit 1979 führte Kulka sein eigenes Büro in Köln, schloss sich 1980 für einige Jahre mit Hans Schilling zusammen, feierte mit dem Entwurf für die Universität in Bielefeld einen ersten großen Erfolg.

Von 1986 bis 1992 war er als Professor für konstruktives Entwerfen an der Technische Hochschule in Aachen tätig. Zu den bekanntesten Bauten und Entwürfen von Kulka zählen das „Haus der Stille“ der Abtei Königsmünster in Meschede, das Bosch Haus Heidehof in Stuttgart sowie die Neugestaltung des Kammermusiksaals und das Foyer im Konzerthaus Berlin, dem ehemaligen Deutschen Schauspielhaus von Karl Friedrich Schinkel.

Rückkehr nach Dresden nach der Wiedervereinigung

Nach der Wiedervereinigung kehrte Peter Kulka nach Dresden zurück, gehörte zu den 30 Gründungsmitgliedern der Sächsischen Akademie der Künste, war Mitglied der Klasse Baukunst.

1991 entwarf er den neuen Sächsischen Landtag und mischte sich kraftvoll in Debatten und die Architektur in seiner Geburtsstadt ein. Er vermittelte zwischen Tradition und Moderne, was beim Wiederaufbau des Dresdner Residenzschlosses in besonderer Weise sichtbar wurde. Der Dresdner setzte dem Kleinen Schlosshof eine kühne transparente Kuppel auf.

Eine Inszenierung des Kontrastes, der scheinbar einzeln wirkt, aber letztlich modellhaft steht und vorab verbunden war mit einem heftigen Diskurs um die „Kaugummiblase“, wie die Dresdner das Membrandach schnell nannten. Auch bei seinem Entwurf um das Potsdamer Stadtschloss mit seiner nachgebauten Barockfassade gab es heftigen Streit. Als Kontrast entwarf er im Inneren einen radikal modernen Plenarsaal. Konflikte preiste Kulka immer mit ein. „Dagegen kann man wenig machen, aber man muss sich hüten gegen die Zeit zu bauen“, sagte er. Seine Ideen einer vermeintlichen Anpassung provozierten zugleich. Oft stellte sich wenig später heraus, dass seine Bauten einen zeitlosen Charakter besaßen.

Sachsens Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU) würdigte den Bau am Dienstag als "das wichtigste Baudenkmal der sächsischen Moderne nach der Friedlichen Revolution 1989". Der Bau sei das Symbol des demokratischen Neuanfangs in Sachsen. "Peter Kulka ist es gelungen mit dem gläsernen Plenarsaal und der großen Glasfassade des Bürgerfoyers die Offenheit und Transparenz unserer parlamentarischen Demokratie auszudrücken."

Die Centrum Galerie in der Prager Straße, die Peter Kulka baute, war immer wieder Auslöser von Diskussionen.
Die Centrum Galerie in der Prager Straße, die Peter Kulka baute, war immer wieder Auslöser von Diskussionen. © Archivbild: Marco Klinger

Kulka bekannte sich stets zu klaren Formen. „Sie lassen den Menschen als das Wichtigste erscheinen, und sie sind präzise“, sagte er gern. Formstreng, in menschlichen Proportionen erlebbar, funktioniert sein Architekturstil. Die Centrum Galerie auf der Prager Straße in Dresden ist eines der Beispiele, bei denen sich Peter Kulka damit verkalkulierte. Für ein Kaufhaus passte manch großzügige Linienführung im Inneren nicht. Es erfolgte ein Umbau.

Immer nahm der bekennende Sachse mit seinen Bauten bewusst einen Bezug zum Ort auf: Die Waben an der Centrum Galerie verweisen auf das ehemalige Centrum Warenhaus in der Prager Straße. Peter Kulka wird mit seinen Ideen, seiner formvollendeten Lust am Streit und vor allem seinen Entwürfen fehlen. Dresden hat in jedem Fall in besonderem Maße von ihm profitiert.