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Droht dem sächsischen Wald dasselbe Schicksal wie dem Harz?

Im Harz stirbt der Fichtenwald großflächig. Durch Dürre, Waldbrände und Käfer könnte das auch so in Sachsen kommen.

Von Ulrich Wolf & Luisa Zenker
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Der Wald im Harz liegt bereits großflächig im Sterben.
Der Wald im Harz liegt bereits großflächig im Sterben. © SZ-Archiv

Dresden. Dem sächsischen Wald geht es nicht gut. „Wir klettern auf neue Höchststände an Schäden im Wald“, erklärt Forstminister Wolfram Günther (Bündnis 90/Grüne) mit Blick auf den Waldzustandsbericht für 2022. Katastrophale Bilder, wie sie derzeit im Harz zu sehen sind, könnten zukünftig auch im Erzgebirge zur Realität werden, warnt der Landesforstpräsident Utz Hempfling. In dem Gebirge Sachsen-Anhalts haben Borkenkäfer und Dürre bereits 80 Prozent des Waldes vernichtet.

Auch in Sachsen schlagen Klimakrise und Borkenkäfer tiefe Wunden in den Forst. Für den Waldzustandsbericht haben die Waldarbeiter die Kronen von 6.800 Bäumen per Fernglas begutachtet. Das Ergebnis: Nur rund jeder fünfte Baum weist keine Schäden auf.

Borkenkäferbefall: Dreiviertel aller Fichten

Die trockenen Sommer seit 2018 führen zur massiven Austrocknung der Waldböden. Ein ganzer Jahresniederschlag fehlt in den sächsischen Wäldern. Das löst Stress beiden Bäumen aus, was sie anfällig für Stürme und Schädlinge macht. Das bekannteste Beispiel: der Borkenkäfer, der sich durch die Rinde knabbert und den Baum nach und nach absterben lässt. Knapp eine Million, also Dreiviertel aller sächsischen Fichten hat er in diesem Jahr besonders im Osten von Sachsen beschädigt. Zwar ist das ein deutlicher Rückgang zu den Vorjahren 2020 und 2019, in denen jeweils mehr als 1,5 Millionen Bäume betroffen waren, doch Minister Günther erklärt: „Auf den kahlen Flächen findet der Käfer nichts mehr.“ Dort hat der Schädling bereits zugeschlagen. Außer der Fichte leiden auch Kiefer, Eiche und sogar die Buche unter den Schädlingen.

Hinzu kommen die Feuer: Die langanhaltende Trockenheit seit März dieses Jahres hat zu 179 Waldbränden in Sachsen geführt. Insgesamt 782 Hektar sind vom Feuer betroffen gewesen. Darunter die zwei Großbrände in Gohrischheide mit 553 Hektar und der Sächsischen Schweiz mit 113 Hektar. Landesforstpräsident Hempfling bleibt dennoch optimistisch. „Wir hatten schon deutlich größere Einzelbrände.“ Er erinnert an den Waldbrand 1992 in Weißwasser, dort haben mehr als 1.600 Hektar gelodert. „Waldsterben gibt es nicht. Die Natur holt sich die Brandfläche zurück“, so der Förster, der vielmehr fragt, welche Natur die Menschen haben möchte. Denn die vielen kahlgeschlagenen Flächen bieten auch Potenzial, den Wald für die Zukunft umzubauen.

Sachsen investiert 13 Millionen Euro in den Waldumbau

Fünf Millionen Bäume hat der Sachsenforst deshalb in diesem Jahr gepflanzt, um den Wald gegen den Klimawandel zu rüsten. 34 verschiedene Baumarten finden sich darunter. Auf Platz eins hält sich die Buche, dicht gefolgt von Weißtanne, Stieleiche und Traubeneiche sowie dem Bergahorn. Mehr als 13 Millionen Euro wurden für den Waldumbau auf den Staatsflächen in diesem Jahr investiert. Geld, das zur Hälfte aus dem Staatshaushalt und zur Hälfte aus der Bewirtschaftung stammt. Und für den Verkauf hat sich die Lage deutlich verbessert: Denn obwohl Fichtenholz derzeit wegen der Schäden den Markt überschwemmt, besteht eine hohe Nachfrage von Bauindustrie und Energiewirtschaft. Steigende Holzpreise sind die Folge.

Doch wer Bäume pflanzt, muss sie auch schützen. Denn die knospenliebenden Rehe und Hirsche stehen dem Waldumbau im Weg, sie nagen die frisch gepflanzten Bäumchen an, die dann verkümmern. Wegen der zunehmend angebauten Energiepflanzen wie Raps sowie Mais auf den Ackerflächen sind die Wildbestände seit den 1960er-Jahren stark angestiegen. Um sie zu dezimieren, hofft der Minister auf den Wolf. Doch allein würden es die derzeit 31 in Sachsen lebenden Rudel nicht schaffen. Er setzt deshalb auf die Jäger und Jägerinnen, die das Wild schießen und somit die jungen Bäume schützen.

Mehr Totholz gegen Waldbrände

Schützen möchte der Minister auch das Totholz im Wald. Denn: Wenn ein Baum stirbt, wird er entweder vom Förster aus dem Wald geholt oder er bleibt liegen. Wird von Würmern, Käfern, Ameisen gefressen und langsam zu neuem Boden umgewandelt. Ein natürlicher Prozess, der politisch geworden ist. Denn nach den Waldbränden in der Sächsischen Schweiz wurde die Nationalparkverwaltung kritisiert, zu viel Totholz im Wald liegenzulassen und damit die Brände zu befeuern. Wolfram Günther weist diese Kritik scharf zurück: „Totholz ist ein Wasserspeicher und wirkt wie ein Schwamm.“ Damit könnten die Waldbrände sogar reduziert werden. Durch Totholz gebe es mehr Arten im Wald, was zur Biodiversität beitrage und somit den Wald resilienter mache. Durch die Humusbildung könne viel Kohlenstoffdioxid gespeichert werden. Denn die Treibhausgase speichere zu zwei Drittel der Boden im Wald, nicht der Baum.

„Was brennt, sind Bodenstreu und Feinreisig“, ergänzt der Forstpräsident. „Und die haben wir überall, egal wie der Wald bewirtschaftet wird. Man geht nicht mit einer Harke durch den Wald.“ Demzufolge hat die Art der Bewirtschaftung keine Folgen auf die Waldbrände. Vielmehr müsse man sich fragen, warum Menschen den Wald anzünden.

Der Zustand des sächsischen Waldes im Detail:

  • Insgesamt wiesen 35 Prozent der Bäume eine deutliche Schädigung auf, 43 Prozent eine schwache Schädigung und nur 22 Prozent keine erkennbare Schädigung.
  • Bei der Fichte nahm der mittlere Nadelverlust mit 30 Prozent den höchsten jemals ermittelten Wert ein. Besonders in unteren Berglagen und im Hügelland wirkten sich die langen Phasen von Trockenheit bis Dürre in Kombination mit günstigen Bedingungen für Schadinsekten negativ aus. Rund 75 Prozent aller Fichten weisen eine Schädigung auf.
  • Der Nadelverlust der Kiefer sank leicht auf 23,9 Prozent, lag damit aber deutlich über dem langjährigen Wert von 17 Prozent. Lediglich 18 Prozent der Bäume weisen keine Kronenschäden auf. Der Befall durch Borken- und Prachtkäferarten ist noch immer überdurchschnittlich hoch.
  • Von den Kronen der sonstigen Nadelbäume sind 21,3 Prozent zu licht. Das ist der zweithöchste je ermittelte Anteil. Diese Gruppe umfasst in Sachsen die Baumarten Europäische Lärche, Serbische Fichte sowie Japanische Lärche.
  • Zurückgegangen ist der Blattverlust bei der Eiche, auf 32,8 Prozent. Jedoch sind noch immer 59 Prozent dieser Bäume als geschädigt klassifiziert. Die Baumart ist geschwächt, Forstexperten sprechen von "überwiegend zwischen- und unterständigen Eichen".
  • Die Kronenverlichtung der Buche hat sich mit 20,7 Prozent kaum verändert.
  • Der Blattverlust der Birke hingegen hat mit 26,6 Prozent hat im Vergleich zum Vorjahr um rund zwei Prozentpunkte zugenommen.