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Neuer Bundeswehrstandort für Sachsen: Pistorius spricht von "kriegstüchtig" - Kretschmer gefällt das nicht

Pistorius und Sachsens Ministerpräsident Kretschmer gaben den symbolischen Startschuss für den Aufbau des Logistikbataillons 471. Die Politiker wollten Einheit demonstrieren - und waren sich doch in der entscheidenden Wortwahl uneins.

Von Henry Berndt
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Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer besuchten am Mittwoch den zukünftigen Bundeswehrstandort in Bernsdorf.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer besuchten am Mittwoch den zukünftigen Bundeswehrstandort in Bernsdorf. © HY-photo Gernot Menzel

Damit die Symbolik passt, ist die Hilfe des städtischen Bauhofs nötig. Der sorgte dafür, dass an den richtigen Stellen zwei Löcher in die Betonplatten gebohrt wurden, in die genau zwei Fahnenstangen passen: eine in Schwarz, Rot und Gold und eine in Grün und Weiß.

Die Fahnenträger sind Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), die an diesem Mittwochmittag ein durchaus historisches Projekt in Gang setzen: den Aufbau des ersten neuen Bundeswehrstandortes in Deutschland seit Jahrzehnten.

Auserkoren wurde ein Waldstück im Bernsdorfer Ortsteil Straßgräbchen, in dem zu DDR-Zeiten schon die NVA Stellung bezogen hatte. Zu Beginn des Auswahlprozesses hatte der Freistaat der Bundeswehr mehr als 20 Areale angeboten. Die Entscheidung für Bernsdorf war im vergangenen Jahr kurz vor Weihnachten bekannt gegeben worden.

Vom Parkplatz eines Klimaanlagenherstellers aus geht es etliche hundert Meter weit über einen antik anmutende Plattenweg in den Wald hinein. Hier draußen ist Platz. Viel Platz. Rund 320 Hektar hat die Bundeswehr für den neuen Standort ihres Logistikbataillon 471 zur Verfügung, wobei etwa ein Drittel der Fläche unter Naturschutz steht. Das Bataillon wird gerade aufgestellt und für eine Übergangszeit im niedersächsischen Osterheide untergebracht.

Einig in der Sache, uneins in der Wortwahl: Pistorius und Kretschmer.
Einig in der Sache, uneins in der Wortwahl: Pistorius und Kretschmer. © HY-photo Gernot Menzel

Eines Tages soll es nach Bernsdorf umziehen und hier bis zu 800 Soldaten beherbergen. Wann dieser Tag sein wird, ist allerdings völlig offen. Weder der Freistaat noch die Bundeswehr wagen derzeit eine zeitliche Prognose. Mit Priorität solle das Projekt behandelt werden, heißt es nur, wobei die Investitionen in die anderen wichtigen Bundeswehrstandorte in Sachsen (Delitzsch, Zeithain und Dresden) darunter nicht leiden würden.

Konkret gebaut werden sollen in Bernsdorf eine Kaserne, ein Übungsplatz und eine Schießanlage. Bisher gibt es in Deutschland sieben dieser Logistikbataillone, die im Einsatzfall unter anderem für die Versorgung mit Munition, Verpflegung und Ersatzteilen verantwortlich sind. Weniger als Lager, mehr als "hauseigene Speditionsfirma", wie es ein Bundeswehrsprecher formuliert.

Versprechen von 2021 erfüllt

Der neue Standort in der Oberlausitz soll den Strukturwandel voranbringen, heißt es: neue Menschen, neue Arbeitsplätze, neue Aufgaben. Die Idee dazu stammt bereit aus dem Jahr 2021. Damals hatten die damalige Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Kretschmer einen neuen Bundeswehr-Standort in Sachsen angekündigt.

Der Termin an diesem Mittwoch ist nun kein erster Spatenstich, sondern - einige Planungsstufen davor - eine Werbeveranstaltung, die zeigen soll, wie gut Bund und Land im Sinne der Verteidigung des Landes Hand in Hand arbeiten. Abgesehen davon zeigt sich Kretschmer natürlich gern an der Seite des momentan mit Abstand beliebtesten Bundespolitikers Pistorius.

Ganz so harmonisch hatte es zuletzt allerdings nicht geklungen, als Kretschmer den Bundesverteidigungsminister bei einem Bürger-Forum in Neugersdorf für dessen Wortwahl kritisierte. „Das funktioniert nicht, wenn Sie mit Worten wie ‚kriegstüchtig‘ arbeiten“, sagte Kretschmer dort. Er bevorzuge die Ausdrücke "verteidigungsbereit" und "abwehrbereit".

Beim Treffen am Mittwoch im Wald wird diese Debatte fortgesetzt. Pistorius spricht erneut von "kriegstüchtig" - und Kretschmer betont erneut, dass er dieses Wort nur sehr ungern hört.

In Bernsdorf traf Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius auf Oberst Popielas, den Kommandeur des Landeskommandos Sachsen.
In Bernsdorf traf Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius auf Oberst Popielas, den Kommandeur des Landeskommandos Sachsen. © HY-photo Gernot Menzel

Ausnahmsweise ist der Ministerpräsident nicht mit seiner grünen "So geht sächsisch"-Jacke angereist, sondern im weißen Hemd mit blauem Sakko. Fast eine halbe Stunde lässt der Bundesminister ihn warten, bis dessen schwarze Fahrzeugkolonne um die Ecke biegt. Dem freundlichen Handshake folgt ein kurzes Gespräch in einem eigens aufstellten Bundeswehr-Tipi, das so olivgrün ist wie der Pistorius-Pullover.

Auch Udo Witschas, Landrat des Landkreises Bautzen, und Harry Habel, Bürgermeister der Gemeinde Bernsdorf, sind gekommen. Außerdem Oberst Popielas, der Kommandeur des Landeskommandos Sachsen. Gemeinsam mit Kretschmer und Pistorius starten sie zu einer Besichtigung des Geländes, die allerdings nur etwa 50 Meter den Weg entlangführt. Außer Bäumen, Vögeln und einem Zitronenfalter gibt es hier eben noch nicht allzu viel zu sehen.

Das soll sich nun möglichst schnell ändern, hofft Pistorius. "30 Jahre lang hat die Bündnisverteidigung für Deutschland keine Rolle gespielt. Jetzt müssen wir umsteuern." Allein in die Infrastruktur in Sachsen werde die Bundeswehr daher in den kommenden zehn Jahren rund 700 Millionen Euro investieren.

Es gehe darum, das Land so schnell wie möglich in die Lage zu versetzen, "jeden potenziellen Aggressor abzuschrecken und zu sagen: Wir können und wir werden uns verteidigen". Die Logistik spiele dabei eine große Rolle.

Am Abend wollte sich Pistorius in Dresden mit Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) treffen und mit ihr über die politische Lage sprechen.