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Flüchtlingsdebatte im Landtag: Minister setzt auf "Humanität und Ordnung"

Das sächsische Parlament befasst sich mit Migration. Kommen mehr Menschen, entstehen im Winter womöglich neue Zeltstädte.

Von Thilo Alexe
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Grüne und Linke im Landtag warnen vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Geflüchteten
Grüne und Linke im Landtag warnen vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Geflüchteten © dpa

Sachsens Innenminister Armin Schuster bringt den Konflikt auf den Punkt. Der CDU-Politiker setzt, wie er am Mittwoch im Landtag erklärt, in der Flüchtlingspolitik auf eine Strategie aus "Humanität und Ordnung". Dann sagt der Minister in Richtung AfD: "Sie wollen nur Ordnung." Die andere Seite, gemeint ist neben der Linken wohl vor allem der grüne Koalitionspartner, wolle nur Humanität. Er selbst, bekennt Schuster kurz vorher, sehe sich vor allem als Politikmanager. Sein Ziel: Geflüchteten eine würdevolle und sichere Unterbringung zu ermöglichen.

Bislang, so der Minister, gelinge das. Die Landesdirektion habe es geschafft, die Platzkapazität in Erstaufnahmeeinrichtungen auf 8.500 in kurzer Zeit zu verdoppeln. Aber wenn diese Plätze belegt seien, "muss ich über Zeltstädte reden". Schuster rechnet mit einem Zuwachs an ukrainischen Geflüchteten im Winter. Er verweist zudem auf das SPD-geführte Leipzig, das wieder auf Zelte setzt.

Für die Grünen ist das problematisch. Die Partei sehe Zeltstädte "äußerst kritisch", sagt die Grünenabgeordnete Petra Čagalj Sejdi. Falls sie notwendig seien, brauche es besonderen Schutz für Frauen. Familien sollten dort möglichst nicht untergebracht werden. Auch müssten die Zelte vor Angriffen geschützt werden.

Sejdi plädiert für eine möglichst dezentrale Unterbringung. Sie lobt die Milliardenhilfe des Bundes für die Länder und hebt hervor, dass auch Bundesliegenschaften für die Unterbringung genutzt werden können. Sachsen solle nachziehen und landeseigene Immobilien bereit halten.

Kritik aus der SPD

Für die ebenfalls mitregierende SPD schlägt Albrecht Pallas kritische Töne an. "Man könnte meinen, wir hätten aus 2015 nichts gelernt", mahnt der Innenpolitiker. Unterkünfte, die damals angesichts hoher Asylbewerberzahlen entstanden seien, habe der Freistaat nach Kritik des Landesrechnungshofs zurückgebaut. "Diese falsche Sparsamkeit muss enden", sagt Pallas. Nötig sei es, mittelfristig eine Grundversorgung bereit zu halten anstatt die Platzzahl zu halbieren. Dadurch ersparten sich Land und Kommunen "enorme Kraftanstrengungen".

Rund 82.000 Geflüchtete leben derzeit in Sachsen. Etwa 56.000 stammen aus der Ukraine, 26.000 sind Asylbewerber aus anderen Ländern. Nach ihrer Zeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen werden die Menschen auf die Kommunen verteilt. Von den Ukrainern leben die meisten, nämlich 80 Prozent, in Wohnungen. Minister Schuster findet, dass die Verwaltung in Sachsen das gut hinbekomme: "Wir sehen wirklich glänzend aus."

In der von den Grünen beantragten Landtagsaussprache ist auch das Differenzieren unter Flüchtlingen ein Thema. Schuster sagt, er weiche "keinen Millimeter" von seiner Haltung zurück, Ukrainern zu helfen. Das Land liege nur eine Tagesfahrt von Deutschland entfernt. Kritisch sieht er Aufnahmeprogramme der Bundesregierung etwa für afghanische Ortskräfte, von denen Sachsen 50 pro Monat aufnehmen muss. "Wir haben Limits", sagt Schuster und bekräftigt die Forderung nach einer Rückführoffensive, die die Berliner Ampel im Koalitionsvertrag festgeschrieben habe. Der CDU-Abgeordnete Ronny Wähner plädiert dafür, "die Grenzen des Machbaren" zu respektieren.

Warnung vor zweierlei Maß

Die Linke Juliane Nagel warnt vor zweierlei Maß. Man könne nicht sagen, man nehme ausschließlich weiße Menschen auf, andere aus ferneren Ländern nicht. Sejdi sagt, die Frage, ob und wem geholfen werde, sei "erschreckende Realität" geworden. Sie warnt davor, Migration vor allem als Bedrohung darzustellen: "Es sind Menschen, die ankommen."

Ist die Hilfsbereitschaft tatsächlich schwächer geworden? Mehrere Redner verweisen auf den Anschlag auf eine geplante Unterkunft in Bautzen und die Beschimpfung von Ukrainern bei einer Demonstration in Leipzig. Sejdi fragt: "Aber wo ist die Solidarität, die wir vor ein paar Monaten hatten?" Die Linke Kerstin Köditz rechnet vor, dass in Deutschland täglich zwei Migranten angegriffen werden, der "gesamtgesellschaftliche Aufschrei" bleibe aus. Pallas wirft Schuster, den er an anderer Stelle lobt, eine „Das-Boot-ist-voll-Rhetorik“ vor.

Für die AfD-Fraktion fordert Frank Peschel die Aufstellung von Containern für Geflüchtete. Sein Kollege Carsten Hütter sieht bei den Kommunen keine finanziellen Spielräume mehr und spricht sich für die Einführung von Grenzkontrollen aus.