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Politik in Sachsen – Die Morgenlage

+++ Debatte um Flüchtlinge +++ Demo-Verbot in Grenznähe +++ Starker Zuwachs bei Corona-Patienten +++ Jugendämter müssen öfter eingreifen +++

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Ein Beamter der Bundespolizei prüft die Papiere bei der Einreise nach Deutschland am deutsch-polnischen Grenzübergang in Frankfurt (Oder). In Brandenburg und Sachsen füllen sich die Aufnahmeeinrichtungen derzeit mit Flüchtlingen.
Ein Beamter der Bundespolizei prüft die Papiere bei der Einreise nach Deutschland am deutsch-polnischen Grenzübergang in Frankfurt (Oder). In Brandenburg und Sachsen füllen sich die Aufnahmeeinrichtungen derzeit mit Flüchtlingen. © dpa-Zentralbild

Guten Morgen,

es ist nicht so, dass wir nicht gewarnt worden wären. Wer nicht geimpft ist, wird sich früher oder später mit dem Coronavirus infizieren, haben Virologen gesagt. Wenn die kalte Jahreszeit beginnt, werden die Infektionszahlen wieder nach oben gehen, haben Virologen gesagt. Die Delta-Variante des Coronavirus, die mittlerweile vorherrscht, ist ansteckender, haben Virologen gesagt. Trotzdem ist das, was sich derzeit in Zahlen manifestiert, furchteinflößend. Die Zahl der Corona-Patienten in sächsischen Krankenhäusern hat sich in den vergangenen 14 Tagen verdoppelt. Die Infektionszahlen sind so hoch wie zuletzt im Januar.

Trotzdem gibt es bei dieser vierten Welle einen Unterschied zu den vorangegangenen. Während wir in den vergangenen drei Wellen bequem auf die politischen Entscheider zeigen und über zu laxe Regeln und vor allem über die nicht vorhandene oder nicht vorankommende Impfkampagne schimpfen konnten, sind wir nun eindeutig selbst verantwortlich für die Misere.

Warum ich "Wir" sage, werden Sie sich vielleicht fragen. Schließlich ist eine Mehrheit der Sachsen doch geimpft und demnach nicht verantwortlich für die stark steigenden Infektionszahlen. So einfach sollten wir es uns aber nicht machen. Die Bekämpfung der Pandemie ist weiterhin eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und dass sich viele Menschen - aus welchen Gründen auch immer - nicht impfen lassen wollen, gehört jetzt zu dieser Aufgabe dazu.

Ihr Tobias Winzer, Politikredakteur sächsische.de

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Die wichtigsten News am Morgen:

+++ Justizministerin Meier gegen befestigte EU-Außengrenze +++

Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) hat dem Wunsch von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nach einer befestigten EU-Außengrenze zu Belarus widersprochen. Der belarussische Machthaber Lukaschenko betreibe auf dem Rücken von Menschen Politik, die sich nicht freiwillig auf den Weg machten. "Wer sich darauf einlässt, indem er abschottet, macht Menschen zum Spielball politischer Interessen", sagte Meier am Donnerstag dem MDR. Kritik kommt auch von der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), wie die Leipziger Volkszeitung berichtet.

Tatsächlich ist es nicht so einfach die Zahl der Flüchtlinge zu verringern. Nur gegen wenige Fluglinien, die auf Direktverbindungen Flüchtlinge von Damaskus, Beirut, Amman und anderen Flughäfen gezielt nach Belarus bringen, gibt es bisher Sanktionen. Zu weiteren Sanktionen konnte sich die EU bisher nicht durchringen. Auch verstärkte Grenz-Patrouillen und -Kontrollen können nur begrenzt helfen. Für Zäune oder andere Grenzbefestigungen, wie sie Kretschmer vorschlägt, will das EU-Parlament derzeit kein Geld bereitstellen. Wie viele Flüchtlinge sind bislang über die Belarus-Route nach Sachsen gekommen? Wie viele bleiben? Wie voll sind die Erstaufnahmestellen? Saechsische.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

+++ Gericht verbietet Demo auf A4 in Grenznähe +++

Der sächsische Verfassungsschutz hat vor Grenzpatrouillen Rechtsextremer an der deutsch-polnischen Grenze in Sachsen gewarnt. Akteure der Szene wie die Parteien "Der Dritte Weg" und die "Freien Sachsen" würden im Internet und vor allem in den sozialen Medien aufrufen, die Grenze vor illegal nach Deutschland einreisenden Migranten zu schützen. "Das Gewaltmonopol liegt aber beim Staat und nicht bei Verfassungsfeinden", erklärte Dirk-Martin Christian, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), am Donnerstag laut einer Mitteilung.

Christian warnte davor, der rechtsextremistischen "Kümmerer-Strategie" Glauben zu schenken und sich in Aktionen dieser Art einspannen zu lassen: "Die gesellschaftliche Mitte darf derartigen Umarmungsversuchen von Rechtsextremisten nicht nachgeben und damit deren Strategien zum Erfolg verhelfen."

Derweil hat das Verwaltungsgericht Dresden das Verbot einer Demonstration der "Freien Sachsen" auf der A4 bestätigt. Das Landratsamt Görlitz hatte sie untersagt, weil aus ihrer Sicht ein erhöhtes Unfallrisiko und eine Gefahr für die Verkehrsteilnehmer besteht. Die Demonstration sollte am Freitagabend unter dem Motto "Endstation für Asyl-Schleuser" mit rund 1.000 Teilnehmern stattfinden - auf der Fahrspur Richtung Dresden, Höhe Rastplatz "An der Neiße", also fast direkt an der Grenze zu Polen. Auch der MDR berichtet.

+++ Rasante Zunahme von Corona-Patienten +++

In Sachsen steigt die Zahl der Covid-19-Patienten in Krankenhäusern rasch an. Aktuell werden im Freistaat 602 Corona-Patienten auf Normal- und 172 Erkrankte auf Intensivstationen behandelt, teilte das Gesundheitsministerium am Donnerstag mit. Mitte Oktober seien es noch 79 Patienten auf Intensivstation gewesen. Dies bedeute mehr als eine Verdopplung der Covid-19-Intensivpatienten in Sachsen innerhalb von etwa zwei Wochen, hieß es. Die Zahl der Patienten auf Normalstationen habe sich im gleichen Zeitraum mehr als verdreifacht. Erste Kliniken verschärfen bereits wieder die Besuchsregeln.

Es sei nach derzeitigem Stand davon auszugehen, dass die sogenannte Vorwarnstufe schon nächste Woche erreicht wird, so das Ministerium. Die Grenzwerte für die Vorwarnstufe liegen bei 650 Covid-19-Patienten auf Normalstation und 180 auf Intensivstation. Das würde bedeuten, dass dann nur noch zehn ungeimpfte Personen ohne Einschränkungen zusammenkommen können. Welche weiteren Regeln dann gelten, fasst sächsische.de hier zusammen. Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) nannte die Entwicklung in den Krankenhäusern "alarmierend". Allein aus Dresden werden fast 40 Klinik-Neueinweisungen vermeldet.

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche nimmt derweil in Sachsen rapide zu. Die aktuelle Übersicht des Robert-Koch-Instituts (RKI) wies den Inzidenzwert am Donnerstag mit 238,6 aus, nach 200,8 am Vortag. Der Hotspot im Freistaat ist der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit einer Inzidenz von 383,3. Dahinter rangieren der Landkreis Meißen (329,9) und der Erzgebirgskreis (319,4), wie die Karte des Gesundheitsministeriums zeigt. Das Landratsamt in Annaberg-Buchholz sieht die Ursache für die hohen Zahlen in den gelockerten Corona-Regeln mit vielen Kontakten im privaten und öffentlichen Leben, wie die Freie Presse berichtet.
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+++ Sachsens Jugendämter müssen in Corona-Zeiten öfter eingreifen +++

Sächsische Kinder sind im ersten Corona-Jahr deutlich mehr Gefährdungen in ihren Familien oder durch ihre Betreuungspersonen ausgesetzt gewesen als vor der Pandemie. Das geht aus aktuellen Angaben von Sozialministerin Petra Köpping (SPD) auf eine Anfrage der AfD-Landtagsfraktion hervor. Demnach ist 2020 die Zahl der Fälle, bei denen Jugendämter eine vermutete Kindeswohlgefährdung überprüfen mussten, um ein Drittel gestiegen. Waren 2019 noch 6.267 solcher Verfahren notwendig, erhöhte sich deren Zahl im Vorjahr auf 8.335. Noch stärker als die angeordneten Prüfungsverfahren nahmen 2020 die Fälle zu, bei denen die Kontrollen tatsächlich eine akute Kindeswohlgefährdung ergaben. Während der AfD-Abgeordnete Rolf Weigand angesichts der Zahlen die "Lockdown-Politik" kritisiert, ist das Sozialministerium bei der Ursachenbenennung noch vorsichtig.


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