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Wer löst den Wegestreit im Nationalpark?

Landrat und Bürgermeister sehen den Tourismus in Gefahr und schreiben dem Ministerpräsidenten. Eine erste Reaktion kommt jetzt vom Nationalparkchef.

Von Dirk Schulze
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Die Richterschlüchte nahe der tschechischen Grenze: einer der unpassierbaren Wege im Nationalpark Sächsische Schweiz.
Die Richterschlüchte nahe der tschechischen Grenze: einer der unpassierbaren Wege im Nationalpark Sächsische Schweiz. © Mike Jäger

Mit einem Brief an Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) haben Landrat Michael Geisler (CDU) sowie sieben Bürgermeister aus der Sächsischen Schweiz vergangene Woche auf die aus ihrer Sicht äußerst kritische Situation in Nationalpark aufmerksam gemacht. "Lebensqualität und Erholungswert der Region sowie die touristische Wertschöpfung sind akut bedroht", erklären der Landrat sowie die Ortschefs von Sebnitz, Bad Schandau, Lohmen, Hohnstein, Rathen, Wehlen und Rathmannsdorf.

Die politisch Verantwortlichen einer ganzen Region machen damit öffentlich Front gegen die Nationalparkverwaltung - eine Behörde des Freistaats - und fordern den Ministerpräsidenten auf, von oben einzugreifen. Nach mehrmaligen - aus Sicht der Kommunen vergeblichen - Anläufen bei der Nationalparkverwaltung sehe man sich gezwungen, an höchster Stelle im Freistaat Sachsen Alarm zu schlagen, heißt es. Auch der Tourismusverband Sächsische Schweiz und der Sächsischen Bergsteigerbund (SBB) gehören zu den Unterzeichnern des Schreibens.

Es geht um die blockierten und gesperrten Wanderwege infolge der Borkenkäferschäden in der Sächsischen Schweiz. Bürgermeister und Touristiker fürchten chaotische Zustände, frustrierte Gäste und nachhaltige Schäden für den Tourismus, der vielerorts die Haupteinnahmequelle ist. Der Nationalpark tue zu wenig, um die Wege freizuhalten.

Nationalpark: Alle Bergbauden erreichbar

Eine erste indirekte Reaktion auf das Schreiben folgt nun seitens der Nationalparkverwaltung. "Wir werden trotz des fortschreitenden Zerfalls der früheren Fichtenwälder weiterhin das Wegenetz im Nationalpark mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln so weit wie möglich offen halten", erklärt Nationalparkchef Ulf Zimmermann in einer Mitteilung. Das Wegekonzept habe Bestand. Noch vor dem Himmelfahrtswochenende habe man beispielsweise am Roßsteig, einem wichtigen Abschnitt des Malerwegs, zum wiederholten Mal umgebrochene Bäume beseitigt, um den Weg begehbar zu halten.

Zimmermann verweist darauf, was vom Nationalpark beauftragte Forstarbeiter schon geschafft haben: 34 Kilometer Rettungswege und Wanderwege konnten freigeschnitten und durch vorsorgliches Fällen der toten Fichten entlang der Wege gesichert werden. Alle Bergbauden im Nationalpark seien erreichbar. Abhängig von der Corona-Situation sind einige an den Wochenenden geöffnet.

Zeughaus im Großen Zschand: Alle Bergbauden seien erreichbar, erklärt der Nationalpark Sächsische Schweiz.
Zeughaus im Großen Zschand: Alle Bergbauden seien erreichbar, erklärt der Nationalpark Sächsische Schweiz. © Mike Jäger

Landrat und Bürgermeister hatten in ihrem Schreiben auch die Gasthäuser und Herbergen angeführt. Sie sind aufgrund der Corona-Pandemie seit über sechs Monaten geschlossen. Durch versperrte Wege sei nun auch noch ihre Anbindung in Gefahr und damit letztlich die Existenz.

Vor allem am Malerweg und an wichtigen Zugängen zu Wandergebieten würden auch weiterhin Bäume beiseite geräumt, die über die Wege gefallen sind, erklärt Nationalparkleiter Ulf Zimmermann. Das schwierige Gelände und die Arbeitssicherheit setzten dem aber Grenzen. "Zwar schneiden wir laufend Wege frei, doch brechen auch immer wieder Bäume nach."

Wanderwege brechen absehbar zu

Fakt ist jedoch, dass sich die Lage in den kommenden Monaten verschärfen wird. Besonders in der Hinteren Sächsischen Schweiz stehen noch tausende abgestorbene Fichten, die in absehbarer Zeit zusammenbrechen und mehr und mehr Wege blockieren Wege. Um diesem absehbaren Szenario entgegenzuwirken hat der Sächsische Bergsteigerbund (SBB) einen Stufenplan erarbeitet, laut dem entlang bedrohter Wege schon vorsorglich gesägt werden sollte, bevor die ersten Bäume umstürzen und dann auf lange Zeit kein Forstarbeiter mehr in die Gefahrenzone darf.

Malerweg am Roßsteig: Hier wurde schon gesägt, um den Weg freizuhalten, doch es brechen immer neue Bäume nach.
Malerweg am Roßsteig: Hier wurde schon gesägt, um den Weg freizuhalten, doch es brechen immer neue Bäume nach. © Mike Jäger

Am Weg Obere Affensteinpromenade im Bereich des Friensteins ist dieser Fall nun schon eingetreten. Der SBB geht davon aus, dass der Pfad auf Jahre hinaus unpassierbar bleiben wird.

Ein vorsorgliches Fällen des Totholzes links und rechts von Wanderwegen ist im Nationalpark nur nach einer umfangreicher naturschutzrechtlicher Prüfung möglich. Für einen Teil der vom SBB vorgeschlagenen Wege hat der Nationalpark dieses Verfahren eingeleitet, an anderen sei ein Eingreifen an den felsigen Steilwänden selbst für Spezialisten zu gefährlich. "Diese Wege werden aufgeschnitten, sobald es die Gefahrenlage wieder zulässt, sprich das noch stehende Totholz in der näheren Umgebung des Weges umgefallen ist", erklärt der Nationalpark. Das kann Jahre dauern.

Brutzeit dauert bis Mitte August

Selbst an den jetzt ins Prüfverfahren gegangenen Wege wird bestenfalls im Spätsommer gesägt. Bis Mitte August dauert die Brutzeit der geschützten Vögel, bis dahin passiert nach gegenwärtigem Stand nichts.

Der Bergsteigerbund will sich bei Ministerpräsident Kretschmer dafür einsetzen, dass es schneller geht. Es handele sich um eine Katastrophensituation, ähnlich wie in der Corona-Pandemie sollten die in normalen Zeiten geltenden Regelung vorübergehend ausgesetzt werden, so die Argumentation. Beispielswiese im Heringsgrund im Schmilkaer Gebiet könnte man dann schon früher mit dem vorsorglichen Freisägen beginnen.

Die Nationalparkverwaltung empfiehlt unterdessen das Ausweichen. Im Nationalpark selbst seien noch 370 Kilometer Wanderwege außerhalb der gefährlichen Bereiche begehbar. In den Teilen der Sächsischen Schweiz, die nicht zum Nationalpark gehören, darunter der gesamte linkselbische Teil des Elbsandsteingebirges, sind es noch viele Kilometer mehr. Eine Broschüre mit zehn Wanderempfehlungen für die Sächsische Schweiz befinde sich im Druck.

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