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Studie: Kitas in Sachsen haben viel zu wenig Personal

Ausreichend Personal gilt als Schlüssel für gute Betreuung in Kitas. Sachsen kann da nicht mithalten - doch es gibt auch positive Entwicklungen.

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In Sachsens Kitas mangelt es an Personal.
In Sachsens Kitas mangelt es an Personal. © Symbolfoto/dpa

Gütersloh. In Sachsens Kitas mangelt es an Personal. Eine Erzieherin oder ein Erzieher muss viel mehr Kinder betreuen als von Experten empfohlen und im bundesdeutschen Durchschnitt praktiziert. Nach einer am Dienstag von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichten Analyse kommen in sächsischen Kinderkrippen auf eine Erzieherin 5,5 Kinder (bundesweit im Schnitt: 4,1). Die Empfehlung liegt bei einem Verhältnis von 1 zu 3. In Kindergärten beträgt in Sachsen die Quote 1 zu 11,7 (bundesweit: 8,7). Hier empfehlen die Fachleute ein Betreuungsverhältnis von 1 zu 7,5.

Nach der Analyse stand 2020 in Sachsen für 95 Prozent der Kinder in amtlich erfassten Kita-Gruppen nicht genügend Fachpersonal zur Verfügung. "Dies ist bundesweit neben Mecklenburg-Vorpommern der höchste Anteil unter allen Bundesländern. Die nicht kindgerechte Personalausstattung betreffe die unter und ab Dreijährigen zu fast gleichen Teilen (98 Prozent und 94 Prozent)", hieß es. Allerdings wird dem pädagogischen Personal in Sachsen im bundesweiten Vergleich ein hohes Qualifikationsniveau bescheinigt.

"Für den weiteren qualitativen Ausbau braucht Sachsen eine Gesamtstrategie. Vor dem Hintergrund der erheblichen Personalkapazitäten, die zusätzlich erforderlich sind, empfiehlt sich ein Stufenplan, der auf verbindliche Ausbauziele ausgerichtet ist", empfehlen die Autorinnen. Damit in allen Kitas eine kindgerechte und landesweit einheitliche Personalausstattung sichergestellt werden könne, bedürfe es verbindlicher Regelungen zur Personalbemessung - vorzugsweise durch Landesrecht.

"Um dem Personalmangel zu begegnen, ist es darüber hinaus dringend erforderlich, attraktive Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen zu schaffen, eine angemessene Bezahlung durchzusetzen und berufsbegleitend Unterstützungs- und Beratungsstrukturen anzubieten", lautet eine weitere Empfehlung.

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Die Bildungsgewerkschaft GEW appelliert dringend an die Politik, die Weichen für einen besseren Personalschlüssel in sächsischen Kindertageseinrichtungen zu stellen. „Gerade angesichts der Corona-Folgenbekämpfung ist es dringend geboten, den Personalschlüssel in den frühkindlichen Bildungseinrichtungen zu verbessern", sagt Sachsens stellvertretende Landesvorsitzende Astrid Axmann. "Nur in kleineren Gruppen gelingt eine qualitativ hochwertige Bildung, die das einzelne Kind in den Blick nimmt.“

Die rückläufigen Kinderzahlen bei anhaltend hohen Ausbildungskapazitäten in Sachsen würden günstige Voraussetzungen für eine kindgerechte Personalausstattung bieten. Die müsse auch im Gesetz über Kindertageseinrichtungen verankert werden.

Zusätzliche Erzieherstellen in Sachsen

Sachsen hat die Situation in den Kitas in den vergangenen Jahren schon verbessert. Der Betreuungsschlüssel wurde erhöht und die Erzieher entlastet. Die Vor- und Nachbereitungszeit wird mittlerweile angerechnet. Insgesamt sind dafür etwa 4.000 neue Vollzeitstellen geschaffen worden. Nach Angaben des Kultusministerium kostet das pro Jahr insgesamt knapp 200 Millionen Euro mehr.

Ziel der Koalition aus CDU, Grünen und SPD ist, ein "ehrlicher Betreuungsschlüssel", der auch Zeiten für Urlaub, Krankheit und Weiterbildung für die Personalplanung berücksichtigt. Außerdem wurden die für Erzieher stetig erweitert. So befanden sich im Schuljahr 2020/2021 insgesamt rund 1.350 Schülerinnen und Schüler mehr in einer Erzieherausbildung als im Schuljahr 2017/2018. Der Freistaat erstattet nun allen das Schulgeld, die an privaten Schulen eine Ausbildung zum Erzieher machen.

Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) hat die Studie der Bertelsmann-Stiftung, die jährlich erscheint, schon mehrfach kritisiert. Er nannte die Forderungen einer kindgerechten Personalausstattung nach wissenschaftlichen Empfehlungen "völlig überzogen und an der Realität vorbei". Eine Verbesserung von 1:5 auf 1:4 in der Krippe würde fast 150 Millionen Euro zusätzlich kosten und etwa 2.600 neue Vollzeitstellen bedeuten. "So viele Fachkräfte gibt es auf dem Arbeitsmarkt leider nicht."

Es sei außerdem falsch, lediglich den Blick auf den Personalschlüssel zu richten und die Betreuungsquoten außer Acht zu lassen. In den ostdeutschen Bundesländern besuchen weit mehr Kinder unter drei Jahren eine Kita. Während der Betreuungsgrad in Krippen in Westdeutschland 32 Prozent beträgt, liegt er in Sachsen bei 53 Prozent. Bundesweiter Durchschnitt sind 35 Prozent.

Bundesweit fehlen mehr als 230.000 Erzieher

Mit Blick auf die Gesamtsituation in Deutschland kommt die Analyse zu folgendem Fazit: "Im Westen gibt es zu wenig Plätze und im Osten betreut eine Fachkraft zu viele Kinder." Von gleichwertigen Lebensverhältnissen in der frühkindlichen Bildung sei Deutschland nach wie vor weit entfernt. Während im Osten 53 Prozent der Kinder unter drei Jahren eine Kita oder Kindertagespflege besuchen, sind es im Westen nur 31 Prozent. Kitas im Westen würden gemessen am Personalschlüssel dagegen eine höhere Qualität bieten.

Eine schnelle Besserung scheint nicht in Sicht. Für eine kindgerechte Personalausstattung fehlen der Studie zufolge bis 2030 bundesweit mehr als 230.000 Erzieherinnen und Erzieher. Die Lücke zwischen voraussichtlichem Angebot an Fachkräften und dem prognostizierten Bedarf lasse sich dieses Jahrzehnt nicht vollständig schließen, hieß es. (dpa, SZ/sca)