Bob-WM 2021
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"Bobfahren ist immer noch Adrenalin pur"

Auch für Olympiasieger Harald Czudaj und Rainer M. Jacobus ist Altenberg eine Heim-WM. Als Spurbob sind sie am Start.

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Bob-WM 2020 in Altenberg: Vor dem dritten Lauf der Vierer-Entscheidung verpasst Rainer M. Jacobus den Einstieg, Harald Czudaj fährt den Spurbob allein ins Ziel.
Bob-WM 2020 in Altenberg: Vor dem dritten Lauf der Vierer-Entscheidung verpasst Rainer M. Jacobus den Einstieg, Harald Czudaj fährt den Spurbob allein ins Ziel. © privat

Altenberg. Mit einem Corona-Test hat die Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaft in Altenberg am Montagnachmittag begonnen. Ohne negatives Ergebnis darf niemand an die Bahn, keiner aus den 51 Zweierbob-Teams, die diese Woche gefordert sind, kein Trainer und Betreuer der insgesamt 25 Nationen, aber auch kein Bahnarbeiter. Und am Donnerstag müssen alle zum nächsten Test antreten.

Für Harald Czudaj, Viererbob-Olympiasiager von 1994, und seinen Anschieber Rainer M. Jacobus, gelten die strengen wie umfassenden Schutzmaßnahmen ebenso. Denn auch sie sind bei der WM dabei und das nicht nur als Führungsduo des BSC Sachsen Oberbärenburg, dem derzeit erfolgreichsten Kufenklub der Welt. Czudaj und Jacobus fahren wieder einen der sogenannten Spurbobs. Was ihre Aufgabe ist und was diesmal besser klappen soll als bei der WM im Vorjahr, erzählen beide im SZ-Interview.

Herr Czudaj, Herr Jacobus, Altenberg sorgt coronabedingt in diesen Tagen mit der zweiten Bob- und Skeleton-WM in Folge für ein Novum. Wie groß ist Ihre Vorfreude?

Jacobus: Stark eingeschränkt, um ganz ehrlich zu sein. Unsere amerikanischen Freunde in Lake Placid, wo die WM eigentlich stattfinden sollte, tun uns schon sehr leid. Die haben unheimlich viel Energie in die Vorbereitungen gesteckt.

Czudaj: Wir wollten auch dort vor Ort sein und hatten sogar ein Häuschen gemietet. Jammerschade.

Organisatorisch ist die WM mehr denn je ein Kraftakt, gerade jetzt in Zeiten der Pandemie. Wie sehr ist der BSC Sachsen Oberbärenburg in Vorbereitung und Durchführung eingebunden?

Jacobus: Das machen im Wesentlichen das Bahnteam um Jens Morgenstern und der Verband, wir sichern nur die Spurbobs ab.

Welche Aufgaben hat der Spurbob?

Jacobus: Der prüft vor jedem Rennlauf, ob die Bahn in Ordnung ist, ob die Sicht passt und dass zum Beispiel keine Eisnasen gewachsen sind. Insbesondere bei Nebel und Schnee muss die Jury danach abwägen, ob ein Rennen gestartet wird.

Welche Geschwindigkeiten erreichen die Spurbobs?

Czudaj: Gar nicht so viel langsamer als die Renncrews, vielleicht drei bis vier km/h weniger. Um die 120 km/h erreichen wir in Altenberg auch.

„Wir“ ist das Stichwort. Sie beide fahren zusammen einen der Spurbobs, und das schon seit Jahren. Wie kam es dazu?

Czudaj: Ja, seit 15 Jahren fahren wir zusammen. Das hat sich aus einem Firmenevent ergeben, dann haben wir es zusammen bei der Senioren-EM probiert und seitdem fahren wir Spurbob in Altenberg. Nach 2008 und vergangenes Jahr ist das jetzt unsere dritte Heim-WM.

Jacobus: Und bevor die Frage kommt: Harald wird am 14. Februar, dem Schlusstag der WM, 58 Jahre alt. Ich bin deutlich jünger – sechs Wochen.

Unvergessen ist das Malheur im Vorjahr, als Sie, Herr Jacobus, als Anschieber den Einstieg verpasst haben. Wie konnte das passieren?

Jacobus: Das war doch geplant. Der Bundestrainer René Spies hat sofort gemerkt, dass es ein Marketing-Gag war. (lacht)Czudaj: Immerhin bist du jetzt am Start verewigt. Die Mechaniker des deutschen Verbandes haben nach der WM ein Schild gebastelt. Der Startbereich in Altenberg heißt jetzt „Jacobusweg“.

Privat befreundet und auch im Eiskanal seit Jahren ein Team: Harald Czudaj (links) und Rainer M. Jacobus.
Privat befreundet und auch im Eiskanal seit Jahren ein Team: Harald Czudaj (links) und Rainer M. Jacobus. © privat

Sie gehen locker damit um und können lachen, aber sind solche Situationen nicht auch gefährlich?

Czudaj: Bobfahren ist Rennsport. Man darf keine Angst, aber man muss immer Respekt haben. Der Schlittencheck ist bei uns vor jedem Start standardisiert und eingeübt. Da haben wir automatisierte Abläufe. Die Situation bei der letzten WM hat nur ein paar blaue Flecke bei Rainer erzeugt. Kein Problem.

Wie liefen Ihre persönlichen WM-Vorbereitungen ab, gibt es auch für die Spurbob-Besatzungen im Vorfeld ein Trainingslager?

Jacobus: Man kann nicht Bob fahren ohne Training. Wir haben im Herbst begonnen und haben zum Europacup Anfang Januar hier in Altenberg fünf Trainingseinheiten mit Start- und Laufbestzeit durchgezogen. Danach waren wir ganz schön platt.

Altenberg gilt als die anspruchsvollste Bahn der Welt. Bobfahren verlernt man offenbar nicht, oder?

Czudaj: Das überrascht mich selbst. Ganz ehrlich, wir haben zwar eine große Routine, aber am Start ist immer noch die alte Anspannung da, Bobfahren ist immer noch Adrenalin pur.

Abschließend bitte Ihr Expertentipp: Dass Lokalmatador und Überfahrer Francesco Friedrich zweimal Gold gewinnt, ist ausgemachte Sache. Oder?

Jacobus: Nein, das würde der Franz klar verneinen und das sehe ich auch nicht so. Bei vier Läufen pro Disziplin kann unheimlich viel passieren. Er ist klarer Favorit, aber das wird eine harte Nummer, wie man auch letztes Jahr gesehen hat.

Wer sind seine größten Kontrahenten?

Czudaj: Maier aus Österreich ist sehr deutlich im Aufwind, Hansi Lochner wird alles geben und die Kanadier habe ich auch auf dem Zettel, speziell im Vierer, und vielleicht auch Kibermanis aus Lettland.

Das Interview führte Tino Meyer.