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Dynamos Ex-Kapitän erzählt von seiner Reise um die Welt

Marco Hartmann ist mit seiner Familie auf einem einjährigen Trip rund um den Globus und überlegt, ein Reisebuch zu veröffentlichen. Bei Dynamo verfolgt er nur die Ergebnisse.

Von Daniel Klein
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Auch in Amerika trägt Marco Hartmann ein Trikot seines Ex-Vereins Dynamo.
Auch in Amerika trägt Marco Hartmann ein Trikot seines Ex-Vereins Dynamo. © privat

Es ist bald Halbzeit. Wie beim Fußball will Marco Hartmann dann eine Pause einlegen. Mit seiner Familie ist er seit dem 22. Juli unterwegs auf einer einjährigen Weltreise – erst Kanada, dann USA und derzeit Costa Rica. Das Weihnachtsfest soll aber in Deutschland gefeiert werden, die Rückflugtickets sind bereits gebucht.

Hartmann war ein besonderer Fußballer, einer, der auffiel unter den Profis. Der schon mal mit einem klapprigen Damenrad zum Training kam, der seinen Beruf und das Geschäft drumherum kritisch hinterfragt hat. Acht Jahre war der ehemalige Kapitän bei Dynamo, ist mit den Dresdnern auf- und wieder abgestiegen, wurde durch Verletzungen immer wieder ausgebremst. Aus dem aktuellen Kader kommt niemand auch nur annähernd auf eine solch lange Dienstzeit bei den Schwarz-Gelben.

Vom Ball kann Marco Hartmann auch nach seinem Abschied von der Fußballbühne nicht lassen.
Vom Ball kann Marco Hartmann auch nach seinem Abschied von der Fußballbühne nicht lassen. © privat

Ein wenig ungewöhnlich ist nun auch das, was er nach seiner Karriere, die ein Jahr früher als von ihm gewünscht endete, macht. Mit seiner Frau Jule und den Söhnen Carlie (fünf Jahre) und Mats (zwei) reist er um die Welt. Sein Referendariat am Dresdner Sportgymnasium hat der Lehrer für Sport und Mathematik dafür unterbrochen, nimmt eine Elternzeit. „Das erste Mal kam der Gedanke an solch eine Reise auf, als ich von Halle nach Dresden gewechselt bin“, sagt Hartmann. Das war vor neun Jahren. Seine Frau konnte er überzeugen, und Zeit fürs Planen hatte er reichlich. „Bei den Auswärtsfahrten habe ich mich im Bus damit beschäftigt und viel gelesen“, erzählt er im Podcast Rasengeflüster des Dresdner Sportjournalisten Jens Umbreit.

Bei der Planung der Route legt seine Frau Wert darauf, dass sie in Länder reisen, in denen es eine gute medizinische Versorgung gibt. In Anspruch nehmen mussten sie eine solche bisher nicht. Gestartet sind sie vor knapp sechs Monaten in Vancouver. An der kanadischen Westküste gab es den einzigen Kontakt zu seiner Vergangenheit als Dynamo-Spieler. „Hey Harti, was machst Du denn hier?“, wird er bei einem Spaziergang von einem überraschten Fan angesprochen. „Wir haben dann an einer Ampel fünf Minuten gequatscht. Von den Spielen habe ich keins gesehen, verfolge aber natürlich die Ergebnisse“, berichtet er. „Wie es wirklich läuft, kann ich deshalb nicht beurteilen. Aber wenn die Jungs mal aufs Parkett bringen, was sie drauf haben, dann ist einiges möglich.“

Ein Foto, das sinnbildlich für die Qualitäten des Profis Marco Hartmann stand: Nie aufgeben, immer weiter kämpfen - das zeichnete den Ex-Kapitän aus.
Ein Foto, das sinnbildlich für die Qualitäten des Profis Marco Hartmann stand: Nie aufgeben, immer weiter kämpfen - das zeichnete den Ex-Kapitän aus. © dpa/Robert Michael

Von „den Jungs“ kennt er trotz des großen Umbruchs im Kader nach dem Abstieg einige. Mit den Rückkehrern Stefan Kutschke, Niklas Hauptmann und Akaki Gogia hatte er früher zusammen bei Dynamo gespielt.

Doch Gedanken um den Fußball macht sich der 34-Jährige seit einem halben Jahr kaum. Er ist für die Planungen zuständig, muss sich um Mietwagen, Campingplätze, Unterkünfte, Flüge und die Reiserouten kümmern. „Das ist zum Teil ganz schön stressig, vor allem, wenn es – wie teilweise in Kanada – kein Internet gibt“, berichtet er. Die Kinder brauchten zudem einige Tage, um sich an den neuen Lebensrhythmus zu gewöhnen: „Es war für sie nicht so einfach, weil die Routine weg war, das Kinderzimmer, ihr Spielzeug. Außerdem haben wir die Unterkünfte häufig gewechselt.“ Der Jetlag war ein weiteres Problem. „Mit dem Kleinen bin ich nachts um drei Uhr durch Vancouver spaziert, weil er nicht schlafen konnte“, erzählt er.

Im August wurde Marco Hartmann im Harbig-Stadion verabschiedet. Er hätte gerne noch eine weitere Saison gespielt, die sportliche Leitung lehnte das ab.
Im August wurde Marco Hartmann im Harbig-Stadion verabschiedet. Er hätte gerne noch eine weitere Saison gespielt, die sportliche Leitung lehnte das ab. © dpa/Robert Michael

Besser wurde es, als es von der Hafenmetropole für drei Wochen in die Natur ging. In einem Camper. In den Rocky Mountains wanderte Familie Hartmann ausgiebig in den Wäldern. Meist war sie dabei völlig allein – abgesehen natürlich von den Tieren. „Diese absolute Wildnis hautnah zu erleben, ist absolut spannend. Überhaupt sind die Kontakte mit den frei lebenden Tieren das Größte auf unserer bisherigen Reise“, findet er. Besonders fasziniert ist er von einer Begegnung mit einem Schwarzbär. „Er hat sich nicht sonderlich für uns interessiert. Trotzdem hat man natürlich gehörigen Respekt, bewegt sich vorsichtig rückwärts. Danach haben wir einige Wanderungen vorzeitig abgebrochen, weil es ein bisschen zu viel Nervenkitzel war so ganz allein im Wald.“

In den USA besuchten sie mehrere Nationalparks, den Grand Canyon, fuhren auf der Küstenstraße Nummer 1 am Pazifik entlang, besichtigten Las Vegas und Los Angeles. In den Großstädten kam Hartmann, der große Menschenaufläufe lieber meidet, ins Grübeln. „Las Vegas mit diesem Lichtermeer ist ziemlich abstrus, wenn man überlegt, was in Europa gerade für Themen diskutiert werden“, sagt er.

Und in L.A. wurden sie mit der bettelarmen Seite der Metropole konfrontiert. „Obdachlose kennt man auch aus deutschen Großstädten, aber nicht in dieser Anzahl, nicht in diesen Dimensionen. Dort entstehen in Parks richtige Zeltstädte, in denen sie leben. Dies direkt neben dem ganzen Reichtum zu sehen, ist verstörend. Man entwickelt da auch eine Dankbarkeit gegenüber der sozialen Absicherung in Deutschland“, berichtet Hartmann.

Seit einigen Wochen sind sie in Costa Rica, wo gerade Regenzeit ist. Das bekamen sie auch zu spüren, als sie in einem Baumhaus übernachteten. Von den Fenstern ohne Scheiben aus konnten sie Papageien beobachten, Faultiere und Brüllaffen. Doch bei den Ausflügen wurden sie regelmäßig klitschnass. „Wir bekamen die Sachen einfach nicht mehr trocken. Alles war klamm, Kinderwagen und Rucksäcke fingen zu schimmeln an“, erzählt er.

Auf die Frage, was er am meisten vermisst, antwortet Hartmann im Podcast ohne groß zu überlegen: „Eine tägliche, vierstündige Betreuung im Kindergarten.“ Der Kleine braucht seinen Mittagsschlaf, beide Kinder tagsüber was zu essen – das mit den Ausflügen zu koordinieren, ist nicht so einfach. Man dürfe es nicht mit einem Urlaub verwechselt, sagt Hartmann. Derzeit sind Oma und Opa in Puerto Rico zu Besuch. „Das macht es natürlich viel entspannter.“

Familienshooting vor imposanter Kulisse: Mit seiner Frau Jule und den Söhnen Carlie (rechts) und Mats posiert Marco Hartmann im Zion-Nationalpark.
Familienshooting vor imposanter Kulisse: Mit seiner Frau Jule und den Söhnen Carlie (rechts) und Mats posiert Marco Hartmann im Zion-Nationalpark. © privat

Die positiven Erlebnisse überwiegen jedoch bei weitem. Bei seinen Schilderungen kommt Hartmann immer wieder ins Schwärmen. Es sind nicht unbedingt die spektakulären Momente, die ihm spontan einfallen, sondern die scheinbar schlichten. Wenn die Eltern ihren Jungs beim Spielen am Strand zuschauen oder wie die Kinder mit viel Ausdauer die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung beobachten. „Sie brauchen da kein Spielzeug und keine Ablenkung. Die Natur reicht.“

Die Bilder hält der ehemalige Defensivspieler in einer eigens angeschafften Kamera fest, macht Videos. Seine Frau schreibt abends auf, was sie erlebt haben. „Es liest sich schon gut. Die Frage ist, was wir daraus machen“, sagt Hartmann. Ein Buch zu veröffentlichen, wäre eine Option. Auf jeden Fall will er nach der Rückkehr Reisevorträge halten.

Vor dem Weihnachtszwischenstopp in der Heimat geht es noch nach Mexiko – und im Januar dann weiter auf der Weltreise. Wohin, steht noch nicht ganz fest. Geplant waren Thailand oder Vietnam und Neuseeland. Doch es könnten auch Mauritius und La Reunion im Indischen Ozean werden, Australien und Bali.

Einen Einfluss auf die Entscheidung könnten die Flugpreise haben. Die Reisekosten sind höher als geplant, sagt Hartmann, was auch am schwachen Kurs des Euro liegt. Den bekommen sie zu spüren, sonst aber wenig mit. „Europa ist weit weg – auch in unseren Köpfen.“

Weihnachten wird sich das ändern. Und dann beginnt die zweite Halbzeit.