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Darum hört die Dresdnerin Tina Punzel mit 27 auf

Um Medaillen hätte Tina Punzel weiter kämpfen können. Doch Deutschlands beste Wasserspringerin beendet ihre Karriere und freut sich auf ein Leben, das sie nun selber planen kann.

Von Daniel Klein
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Eine Werbeträgerin fürs Wasserspringen hört auf: Tina Punzel konzentriert sich nun aufs Studium.
Eine Werbeträgerin fürs Wasserspringen hört auf: Tina Punzel konzentriert sich nun aufs Studium. © dpa/Picture Alliance/Jo Kleindl

Dresden. Es ist ein Gedanke, an den man sich erst gewöhnen muss: Ein großer Wassersprungevent und Tina Punzel ist nicht dabei. In den vergangenen zwölf Jahren war das quasi unvorstellbar. Egal ob EM, WM oder Olympia: Die Dresdnerin stand stets auf dem wackligen Dreimeter-Brett. Sie war das erfolgreiche Gesicht ihrer Sportart, sammelte aber nicht nur zuverlässig Medaillen, sondern trat auch als sympathische Werbeträgerin fürs Wasserspringen auf. All das gehört nun der Vergangenheit an, am Montag verkündete die 27-Jährige ihren sofortigen Rücktritt.

Überraschend kam der nicht, doch bis zuletzt, das lässt sie durchblicken, haben sie und ihr Trainer Boris Rozenberg mit diesem Entschluss gerungen und nach Lösungen gesucht: Nur noch eine statt zwei Einheiten am Tag, oder den Wiedereinstieg ins Training auf Sommer verschieben. „Aber letztlich wollte ich keine Kompromisse eingehen. Wenn ich etwas mache, dann richtig oder gar nicht“, erzählt sie beim Pressegespräch, und in ihrem Rücken steht ein Bildschirm, auf dem sie mit der olympischen Bronzemedaille in der Hand lächelt. Der dritte Platz bei den Spielen 2021 in Tokio an der Seite ihrer Synchronpartnerin Lena Hentschel war der Höhepunkt ihrer Karriere. Es hätte auch der Schlusspunkt sein können. Danach dachte sie erstmals laut über einen Rücktritt nach, hängte aber noch eine Saison dran, in der sie zwei EM-Titel gewann. „Ich wollte das mit diesem Erfolg im Rücken einfach noch mal genießen, ganz ohne Druck“, sagt sie.

Die Anfänge: Als Elfjährige mit einem Medaillensatz von den Landesjugendspielen.
Die Anfänge: Als Elfjährige mit einem Medaillensatz von den Landesjugendspielen. © SZ/Robert Michael

Das Genießen wurde mitten in der EM durch die Freistellung von Bundestrainer Lutz Buschkow gestört, dem vorgeworfen wird, im Missbrauchsfall Jan Hempel geschwiegen zu haben. Die Frage, ob die Entlassung Einfluss auf ihre Entscheidung hatte, beantwortet Punzel nicht direkt. Sie sagt nur: „Ich habe mit Herrn Buschkow telefoniert und ihm von meinem Rücktritt erzählt. Das war mir wichtig.“

Nun also ist Schluss, der Spaß an der Schinderei kehrte in den vergangenen Monaten nicht mehr zurück. „Ich spüre keine Lust mehr, täglich um 7.30 Uhr in der Halle zu stehen, und bin nicht mehr bereit, bis zu Olympia 2024 in Paris 100 Prozent zu geben“, erklärt sie. „Vielleicht wäre das anders gewesen, wenn ich in Tokio nicht Bronze gewonnen hätte.“ Nach 19 internationalen Medaillen und der Auszeichnung zu Europas Wasserspringerin des Jahres ist mit den Zielen auch der Antrieb abhanden gekommen.

Wer das ansatzweise verstehen will, muss wissen, dass Punzel bisher ein Leben geführt hat, das sich vorrangig zwischen Sprungturm, Becken und Athletikhalle abgespielt hat. Mit 15 Jahren war sie das erste Mal bei einer WM dabei, mit 17 holte sie ihren ersten großen Titel. Bei der EM in Rostock gewann sie völlig überraschend Gold und schlug dabei die italienische Ausnahmespringerin Tania Cagnotto. Rückblickend war das für sie ein Schlüsselmoment. „Ich habe da gemerkt, was möglich ist, wenn ich mein Potenzial voll ausschöpfe. Das hat mir für die Zukunft viel Selbstvertrauen gegeben.“ Damit schafft sie es nicht nur immer wieder aufs Podest, sondern sogar in die 20-Uhr-Tagesschau. Zehn Jahre nach der EM-Premiere tritt sie mit zwei EM-Goldmedaillen ab. Der Kreis hat sich geschlossen.

Bei Sportlergalas war Tina Punzel quasi Stammgast - hier bei der Sächsischen Sportgala 2016.
Bei Sportlergalas war Tina Punzel quasi Stammgast - hier bei der Sächsischen Sportgala 2016. © Matthias Rietschel

Auf das Leben nach dem Hochleistungssport, das spürt man deutlich, freut sie sich. Endlich könne sie ihre Tage nun selbst planen und müsse sich nicht ständig nach Plänen richten, erzählt sie. „Dazu gehört zum Beispiel, mal in die Uni zu gehen und ein Blockseminar in Präsenz zu besuchen“, sagt sie. Punzel studiert an der TU Dresden Wirtschaftswissenschaften – bisher vor allem aus der Ferne. Im Frühjahr möchte sie ihre Bachelorarbeit abgeben und dann mit dem Master weitermachen.

Was danach folgt, weiß sie noch nicht. Dank der Überbrückungszahlungen der Bundeswehr, als Sportsoldatin hat es Punzel bis zur Unterfeldwebel-Anwärterin geschafft, kann sie sich das in Ruhe überlegen. Eins weiß sie aber schon: Als Wassersprung-Trainerin wird sie wohl nicht arbeiten. Diesen Weg ist der Dresdner Martin Wolfram gegangen, der im Mai seine Karriere beendet hatte. Fast zeitgleich trat auch Patrick Hausding zurück, quasi das männliche Pendant zu Tina Punzel. Es fehlen nun also einige bekannte Namen.