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Vierfach-Mama und Triathletin: Wie eine Dresdnerin das schafft

Nach der Geburt von Kindern bleiben die Hobbys der Eltern oftmals auf der Strecke. Julia Ott aus Dresden meistert den Spagat zwischen Familie und Sport - und verrät, wie sie das schafft.

Von Simon Lehnerer
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Körperlich am Ende, aber glücklich: Julia Ott beim Zieleinlauf des Ironman in Frankfurt 2023.
Körperlich am Ende, aber glücklich: Julia Ott beim Zieleinlauf des Ironman in Frankfurt 2023. © sportograf.com

Dresden. 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42 Kilometer Laufen: Das ist beim Triathlon die Langdistanz, oder Ironman-Distanz, benannt nach dem weltberühmten Wettkampf. Für Untrainierte scheint das unmöglich zu bewältigen. Nicht so für Julia Ott aus Dresden. Je länger und extremer ein Triathlon, desto besser, lautet das Credo der 35-jährigen Lehramtsreferendarin. Beim Sport ist sie ganz bei sich und kann ihre Gedanken ordnen - denn der Alltag mit vier Kindern und Beruf ist nicht immer leicht.

Drei Rennräder und zwei weitere, die mit aufgebockten Hinterrädern zu Hometrainern umfunktioniert wurden, stehen im Wohnzimmer der Dachgeschosswohnung in Dresden-Löbtau. An der Wand dahinter ist ein langes rustikales Holzschild angebracht, das auf Knopfdruck durch eine LED-Leiste beleuchtet wird. Die Begriffe "Iron Mom", "Iron Kids" und "Iron Dad" prangen in großen Lettern darauf. Abgetrennt in drei Gruppen baumeln rund 25 Medaillen von dem Holzschild herunter - sie gehören Julia Ott, ihrem Mann Michael und ihren Kindern.

Julia Ott kommt gebürtig aus Russland und lebt seit zwölf Jahren in der sächsischen Landeshauptstadt. Ihre Leidenschaft für den Sport kommt aber nicht aus Kindheits- oder Jugendtagen. Vor gut vier Jahren brachte ihr Mann sie darauf. "Michael trainiert schon länger und als er mir von Wettkämpfen, wie dem "Ironman" erzählt hat, wusste ich noch nicht mal, was ein Marathon ist", sagt sie.

"You are an Iron(wo)man"

Julia begann mit dem Laufen und ab Februar 2020 folgten regelmäßige Radtouren - Michael hatte glücklicherweise schon zwei Rennräder. Nun fehlte noch das Schwimmtraining, das zu Corona-Zeiten wegen der geschlossenen Bäder allerdings ziemlich schwierig war. Abhilfe schafften Ausflüge an die Malter und YouTube-Videos zu Schwimmtechniken und der richtigen Atmung beim Kraulen.

Im August 2020, knapp ein halbes Jahr nachdem sie das erste Mal für einen Triathlon trainiert hat, ist es schon so weit. Ihr erster Wettkampf ist der Lausitzer "KnappenMan" in olympischer Distanz, also 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10 Kilometer Laufen.

Seitdem ist Julia Ott vom Fieber gepackt. "Davor hatte ich nicht einmal daran gedacht Joggen zu gehen. Jetzt bekomme ich Gänsehaut und Schmetterlinge im Bauch, wenn ich daran denke, die Worte "You are an Ironman" beim Zieleinlauf zu hören", dachte sich die Sportlerin damals.

Sportlicher Urlaub: Julia Ott mit ihrem Mann Michael im slowakischen Teil der Tatra.
Sportlicher Urlaub: Julia Ott mit ihrem Mann Michael im slowakischen Teil der Tatra. © Julia Ott

Mittlerweile kam sie schon in den Genuss dieses Satzes. Vergangenes Jahr beim Ironman in Frankfurt. Der Zieleinlauf war ein Moment voller Euphorie. "Einerseits war ich physisch und mental müde, andererseits habe ich mich unglaublich stark, fast schon unsterblich gefühlt. Da wusste ich, dass ich alles schaffen kann und mit jeder Schwierigkeit im Leben klarkomme", erzählt sie begeistert.

Neben dem Sport bestimmt vor allem die insgesamt sechsköpfige Familie den Alltag der Otts. Die beiden älteren Kinder Mischa und Stephanie, neun und siebeneinhalb Jahre alt, stammen aus einer früheren Beziehung von Julia und leben im Wechselmodell zur Hälfte bei den Otts und zur Hälfte bei ihrem Vater. Wenige Monate nach ihrem ersten Wettkampf wird die Dresdnerin mit Zwillingen schwanger. Sie trainiert noch etwa 60 Prozent ihres normalen Pensums - bis zum sechsten Schwangerschaftsmonat noch zwei bis dreimal pro Woche.

Auf dem Fahrrad quer durch Dresden zur Zwillingsgeburt

Sport und Bewegung in der Schwangerschaft sind keineswegs verboten. Laut Sachsens größter Krankenkasse "AOK Plus" könne regelmäßige Bewegung sogar typische Beschwerden, wie Übelkeit, Rückenschmerzen und Kreislauf-Probleme, lindern oder dafür sorgen, dass sie gar nicht erst auftreten. Trotzdem sollte Sport immer mit dem Arzt oder der Ärztin abgesprochen werden. Julia Ott radelt also weiter. "Wir sind sogar zum Geburtstermin ins Dresdner Uniklinikum mit dem Fahrrad gefahren", sagt ihr Mann Michael lächelnd. "Da hatte ich natürlich noch keine Wehen", fügt sie hinzu.

Als dann die Zwillinge Emilia und Fabian auf die Welt kommen bleibt für das Triathlon-Training erstmal keine Zeit mehr - könnte man denken. Bereits eine Woche nach der Geburt schwang sich Julia wieder aufs Rennrad und nach ein paar Monaten trainierte sie wieder normal. Zudem zeigte sich: Sport und Familie lassen sich überraschend gut verbinden, denn "die Kinder schlafen sowieso am besten im Buggy". So entwickelte sich das Joggen mit Kinderwagen und das Radfahren mit Anhänger zum Standard.

"Viele wissen nicht, wozu sie fähig sind"

Trotzdem ist es nicht immer leicht, die richtige Balance zwischen Sport und Familie zu halten. Aber "wir kriegen das so hin, dass die Kinder nicht darunter leiden", sagt die 35-Jährige. Sie und Michael würden zwar nur noch sehr selten gemeinsam trainieren, dafür schätzen sie die Zeit jetzt ganz anders, wenn sie es einrichten können.

Julia Ott ist es wichtig, anderen zu zeigen, dass jeder über sich hinauswachsen kann. Sie selbst hatte überhaupt keine Erfahrung im Triathlon, fing an zu trainieren und schaffte plötzlich Dinge, die sie sich nie zugetraut hätte. "Ich glaube, viele wissen nicht, wozu sie fähig sind", sagt die Dresdnerin.

Was sie am Triathlon besonders mag? "Es ist so abwechslungsreich - Schwimmen in Seen, Flüssen und Meeren, Radtouren durch Berge und Flachland mal auf Asphalt mal im Wald, Laufen im Sprint und dann wieder langsamer. An die eigenen Grenzen gehen und darüber hinaus - das liebe ich daran".