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Wo ist eigentlich Richard Freitag?

Richard Freitag war mal die große deutsche Skisprung-Hoffnung. Danach folgte ein steiler Abstieg. Mit dem Heimweltcup in Klingenthal hat er nichts zu tun.

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Geht da noch mal was? Skispringer Richard Freitag glaubt weiter an sein Weltcup-Comeback.
Geht da noch mal was? Skispringer Richard Freitag glaubt weiter an sein Weltcup-Comeback. © Archiv: dpa/Hendrik Schmidt

Klingenthal. Vor Olympia 2018 war er Deutschlands bester Skispringer, vier Jahre später ist er völlig abgetaucht. So kam die Frage, die ein Zuschauer am vergangenen Weltcup-Wochenende an die Sportschau der ARD richtete, nicht überraschend: „Wo ist eigentlich Richard Freitag?“ Moderator Tom Bartels erklärte vor Millionen Zuschauern, der 30-Jährige sei „leider außer Form.“ Man hoffe, „dass er nicht über das Ende seiner Karriere nachdenkt.“ Doch so weit ist der Olympia-Medaillengewinner, Ex-Team-Weltmeister und Weltcupsieger trotz seiner schwierigen sportlichen Phase nicht.

„Nein. Auf lange Sicht muss man irgendwann sicher drüber nachdenken. Das schiebe ich aktuell aber mal ganz weit weg“, sagt Freitag. Noch Ende Oktober hatte er im Gespräch mit Sächsische.de erklärt: „Wenn die Leistungen mit Beginn des neuen Sommers wieder ausbleiben, überlegt man sich schon, wie es weitergeht.“ Dennoch: Den bemerkenswerten Abstieg von der im Rampenlicht stehenden Spitzenkraft zum Springer im drittklassigen Fis-Cup erträgt der Sachse tapfer.

Am Wochenende ist er nicht beim Weltcup in Klingenthal am Start, sondern zwei Ligen tiefer in Kandersteg in der Schweiz. „Es wäre der Optimalplan, bei der Vierschanzentournee in der nationalen Gruppe zu sein“, sagt Freitag, der vor vier Jahren noch als Topfavorit in die Tournee gestartet war. Der ehemalige Weltklassespringer Sven Hannawald kommentierte: „Das ist leider von außen traurig mit anzusehen. Ich weiß, dass Richard eines der großen Talente ist im Skispringen. Am Ende liegt es aber am Einzelnen, ob er es rumkriegt.“

Wie weit sich Freitag vom A-Team um die Topflieger Karl Geiger und Markus Eisenbichler entfernt hat, zeigten Aussagen von Bundestrainer Stefan Horngacher. Auf den ehemaligen Spitzenathleten angesprochen, sagte der Tiroler: „Es läuft soweit alles okay, aber es fehlt ihm einfach der letzte Kick. Aber so genau kann ich das gar nicht beurteilen, weil ich schon länger nicht mit ihm trainiert habe.“ Unter den acht Kandidaten für sechs Weltcupplätze war Freitag nicht mehr.

Gegenüber sächsische.de sagte er dazu vor wenigen Wochen: „Ich weiß, wie es ist, wenn man oben mitspielt. Der Sport ist sehr hart, man braucht die Kraft für sich und kann nicht groß nach rechts und links schauen.“ Dennoch fühle er sich „nicht aufs Abstellgleis“ gestellt. Weil im zweitklassigen Continental Cup Jüngere die Chance kriegen sollten, ging es für Freitah im Fis-Cup weiter – mit wenigen Wettbewerben und noch weniger öffentlichem Interesse.

Oftmals zerstören schwere Knieverletzungen im Skispringen Karrieren. Doch bei Freitag liegt der Fall anders. „Die Hüfte merke ich manchmal noch ein bisschen, vom Sturz in Innsbruck damals. Ich habe sonst leider nichts Körperliches, auf das ich es schieben könnte“, sagte Freitag. Stattdessen spricht er von der psychischen Komponente und einer passenden Bewegung, die er „in einem Bruchteil von Sekunden“ bringen müsse. „Das hat sich irgendwie verloren.“

Schwester Selina in Klingenthal dabei

Freitag träumt davon, noch einmal bei Großereignissen zu starten, mit vielen Zuschauern. In diesem Winter wird das schwierig: Zum einen ist er davon leistungsmäßig weit weg, zum anderen werden die Fans gerade pandemiebedingt wieder ausgeschlossen. „Aktuell brauche ich mich da weniger mit zu befassen, was möglich sein könnte. Das bringt alles nichts“, sagte Freitag.

Die Familie wird beim Heimspiel von Klingenthal trotzdem nicht fehlen. Richards zehn Jahre jüngere Schwester Selina, die früher im Kinderwagen schon an der Schanze dabei war, ist fester Teil des Frauen-Teams und gilt als eines der größten deutschen Talente. „Ich fiebere auf jeden Fall mit. Sie hat sich super hingekämpft, das ganze Team hat eine tolle Dynamik. Ich hoffe, dass sich das weiter so entwickeln kann“, sagte der große Bruder Richard.

Die Geschwister hatten früher mal den Traum, bei einem olympischen Mixed gemeinsam für Deutschland anzutreten. Tatsächlich steht die Disziplin in Peking erstmals auf der Wettbewerbsliste. Selina Freitag könnte dann dabei sein, Richard Freitag eher nicht. Den Glauben an den großen Bruder hat sie trotzdem nicht verloren. „Er kämpft auf jeden Fall. Er will das schon noch schaffen. Aufgeben ist bei ihm eher nicht so eine Option.“ (dpa, mit SZ)