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Taxis legen den Verkehr lahm

Aus Protest legten mehr als 100 Fahrer am Mittwoch in Dresden die Arbeit nieder. Ums Geld geht es ihnen aber nicht. 

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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Taxifahrer auf ihrem Weg durch Dresden.
Taxifahrer auf ihrem Weg durch Dresden. © Sven Ellger

Michael Scheffler ahnt, ihn könnte bald dasselbe Schicksal ereilen wie viele Bäcker. „Die Backshops kamen, boten Brötchen zu günstigeren Preisen an und verdrängten die traditionellen Bäckereien“, sagt er. Nur dass der Dresdner Taxifahrer keine Billigbrötchen fürchtet, sondern Mietwagen mit Fahrern, die im Prinzip genau das machen, was er tut – Menschen von A nach B chauffieren, nur günstiger und mit deutlich mehr Freiheiten. Um zu zeigen, was er von der geplanten Lockerung des Personenbeförderungsgesetzes hält, drückte Scheffler am Mittwochmorgen kräftig und lange auf die Hupe. Rund 130 Taxis bildeten einen Korso und legten bis 10 Uhr Teile der Stadt lahm.

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Doch was fürchten die Taxifahrer genau? Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) plant zum Beispiel, dass private Chauffeurdienste auch unterwegs Fahrgäste einsammeln dürfen – wie Taxis. Bisher mussten sie nach jeder Bestellung an ihren Hauptstandort zurückkehren. Auch Sammelfahrten sollen in Zukunft möglich sein. Das heißt, auf dem Weg werden alle Fahrgäste in ein Auto eingeladen, die zur selben Zeit in dieselbe Richtung kutschiert werden wollen. Anbieter wie die Bahntochter „Clevershuttle“ dürfen dies bereits testweise praktizieren, unter anderem in Dresden. Sie werben damit, dass sich die Fahrgäste den Preis teilen. Außerdem schone man die Umwelt, indem man die Sitzplätze in den Wagen auslaste. „Clevershuttle“ ist zudem ausschließlich mit Elektroautos in Dresden unterwegs. Die Stadt hat zunächst nur 25 Wagen zugelassen, um den anderen öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu schaden. Reichen würde das nicht, so ein Sprecher. Schon jetzt könne man nicht alle Bestellungen bedienen. Da es eher unwahrscheinlich sei, dass die Gesetzesänderung in den nächsten Monaten vollzogen wird, wolle „Clevershuttle“ im Sommer mit der Landeshauptstadt über mehr Autos verhandeln.

Die Taxifahrer kritisieren einen bevorstehenden Konkurrenzkampf mit ungleichen Mitteln. „Das Korsett, in dem wir stecken, ist sehr eng“, sagt der Dresdner Taxiunternehmer Daniel Knetsch. So müsse man sich an die Tarife halten, die von der Stadt festgelegt werden. Ein Test der Sächsischen Zeitung hatte kürzlich ergeben, dass „Clevershuttle“ für eine Fahrt vom Blauen Wunder zum Haus der Presse reichlich acht Euro verlangte. Das Taxi kostete über 18 Euro. Die Dresdner Taxiordnung sieht außerdem vor, dass jeder Fahrgast das Recht auf ein Taxi hat. Darüber hinaus müssen Fahrer die kürzeste Route wählen. Das schließt Sammelfahrten wie bei „Clevershuttle“ praktisch aus. Außerdem sind die Taxiunternehmer verpflichtet, immer saubere und ordentliche Kleidung zu tragen, beim Ein- und Ausladen von Gepäck zu helfen und bei jedem Wetter und an allen Feiertag zu fahren. Alles das soll für die anderen Anbieter nicht gelten.

Man fürchte schlichtweg, nicht mehr genug Geld zu verdienen und pleite zu gehen, so Demo-Organisator Alex Noack. Immerhin vergebe die Stadtverwaltung immer nur so viele Konzessionen für den Taxibetrieb, dass sich die Unternehmen nicht kannibalisieren.

Deshalb sollte der Protest am Mittwoch spürbar sein, vor allem für Geschäftsleute, die am Klotzscher Flughafen ein Taxi suchten. Zwar parkten die etwa 130 Korso-Taxis vorm Terminal. Fahrgäste nahmen sie allerdings nicht auf. Der Rückweg führte am Neustädter Bahnhof vorbei, wo der eine oder andere Reisende auch auf der Suche nach einem Wagen in Hellelfenbein gesucht haben dürfte. Wichtige Fahrten, etwa für schwerkranke Patienten, waren dem Demo-Organisator zufolge aber abgesichert. Ein Teil der Dresdner Taxifahrer bog vorher in Richtung Berlin ab, um an der bundesweit stattfindenden Sternfahrt teilzunehmen.

 Taxis fahren in Berlin auf der Straße des 17. Juni zum Versammlungsort am Brandenburger Tor.
 Taxis fahren in Berlin auf der Straße des 17. Juni zum Versammlungsort am Brandenburger Tor. © dpa

Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) stellte sich am Mittwoch hinter die Taxifahrer. Wenn Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer den Fahrdienstmarkt weiter liberalisieren wolle, dürften die bisherigen Beförderungspflichten und Arbeitsbedingungen nicht verwässert werden. Eine Liberalisierung müsse an klare Bedingungen geknüpft sein. „Das Taxigewerbe darf nicht benachteiligt werden, denn es ist ein wichtiger Bestandteil unseres ÖPNV-Systems.“

Bereits am Dienstagabend hatte sich Scheuer mit einem Tweet an die Fahrer gewendet, in dem er allerdings keine Versprechungen machte. „Wir brauchen die Taxis, auch in Zukunft“, schrieb er. Er wolle beim Protest am Brandenburger Tor dabei sein und sich die Forderungen anhören.

Der Spiegel berichtete am Mittwoch, dass Scheuer eine Bund-Länder-Kommission einrichten wolle, die nach einer gemeinsamen Lösung suchen soll. Damit binde der Politiker auch Grüne und Liberale in die Entscheidung ein.

Nicht nur die Taxifahrer hatten am Morgen ihre Arbeit ruhen lassen. Die Gewerkschaft Verdi rief die Fahrer mehrerer Busunternehmen auf, zu streiken. Auf mehreren Linien wie der 66, 88 und 89, die von der DVB-Tochter DVS betrieben werden, kam es zu Ausfällen und Verspätungen. Straßenbahnen der DVB waren zwar nicht vom Streik betroffen, doch es kam dennoch zu Verspätungen. Grund: Ein Unfall in Alttolkewitz bremste die Linien 4, 6, 10 und 12 zeitweise aus. Die Beschäftigten der Verkehrsunternehmen fordern mehr Lohn. Die DVB selbst wurden nicht bestreikt. (mit dpa)