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Landrat kritisiert Regel zum Wolfsabschuss

Nicht nur Stephan Meyer ist enttäuscht von der Neuregelung für Problem-Tier-Entnahmen. Auch in Krauschwitz erhoffte man sich mehr.

Von Jana Ulbrich & Sabine Larbig
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Im Landkreis Görlitz sehen sich viele Gemeinden durch die hohe Wolfspopulation überfordert und gefährdet.
Im Landkreis Görlitz sehen sich viele Gemeinden durch die hohe Wolfspopulation überfordert und gefährdet. © Bernd Weißbrod/dpa (Symbolbild)

Ständig gibt es in Krauschwitz Sichtungen von Wölfen. Die melden die Einwohner inzwischen auch oft an die Gemeindeverwaltung, die eine Art Nachweis- und Sichtungsprotokoll führt.

Momentan führt die Hammerstraße, mitten im Ortskern, die Liste an. Denn aktuell läuft hier ein Wolf, selbst am Tag, zwischen Häusern, Gärten, Autos und Anwohnern herum. „Der Wolf, ein Jungtier, ist täglich anzutreffen, er geht bis auf 60 Meter Nähe an die Menschen ran. Die Leute dort haben Angst“, erklärte Ratsmann Eberhard Ladusch (Pro Kind) erst in der Ratssitzung am Dienstabend.

Krauschwitz fordert Abschüsse

Passiert ist in der Hammerstraße glücklicherweise noch nichts. Auch nicht am Hammerlugk, wo derzeit ein sichtlich an Räude erkrankter Wolf umherläuft und mehrfach von Bürgern gefilmt wurde. Anzutreffen ist Isegrim zudem in allen zur Gemeinde gehörenden Neißedörfern. Und nicht alle Begegnungen, insbesondere zwischen dem Wolf und Haus- sowie Nutztieren, verlaufen ohne Zwischenfälle.

Erst Mitte Februar gab es in der Rothenburger Straße die inzwischen dritte Wolfsattacke auf Schafe. Deren Halter gibt nun auf. Eine Lösung, meint der Krauschwitzer Bürgermeister Tristan Mühl, könne das nicht sein. Daher setzt die Gemeinde auf Informationsveranstaltungen für Bürger sowie Gespräche mit zuständigen Behörden durch Gemeinderäte aus Krauschwitz sowie aus ebenfalls mit der Wolfsthematik kämpfenden Umlandgemeinden wie Weißkeißel, Gablenz, Bad Muskau oder Schleife und auf die eigene Sichtungskartei. Sie soll nicht zuletzt als Beweis- und Druckmittel gegenüber Behörden und Entscheidern dienen, um Vergrämungsmaßnahmen sowie Entnahmen zu erreichen.

„Die Population der Wölfe im Gemeindegebiet ist zu groß. Wir brauchen Entnahmen“, fordert der Bürgermeister – auch in einem aktuellen Schreiben an sächsische Ministerien und den Görlitzer Landrat. Noch kam keine Antwort aus Dresden. Doch im Landrat hat Mühl einen Unterstützer. Auch Meyer setzt kreisweit auf Entnahmen, hoffte daher auf die angekündigte deutsche Neuregelung.

Doch im Görlitzer Landratsamt erfuhr man nur, noch dazu aus einer Pressemitteilung des sächsischen Umweltministeriums: Die Bundesländer mit hohem Wolfsaufkommen haben sich auf eine gemeinsame Herangehensweise geeinigt, wie sie künftig mit Problem-Wölfen umgehen wollen. Ziel soll sein, eine mögliche Entnahme zu vereinfachen, praktikabler zu machen.

Das jedoch werde mit diesen neuen Regeln nur bedingt erreicht, erklärte der Görlitzer Landrat Stephan Meyer (CDU) bei einem Pressegespräch am Dienstag. Die neuen Regeln sollen in neu definierten „Gebieten mit erhöhtem Rissaufkommen“ gelten. Dort soll es künftig möglich sein, Wölfe nach vermehrten Rissen in einem 1.000-Meter-Radius um den Schadensort herum und innerhalb einer Frist von 21 Tagen bejagen zu können. Eine genetische Untersuchung, wie sie bisher vorgeschrieben ist, ist für die Entnahme nicht mehr erforderlich. Sie muss allerdings im Nachgang erfolgen.

Stephan Meyer macht keinen Hehl aus seiner Enttäuschung: „Uns stimmt zwar hoffnungsfroh, dass es jetzt in den betroffenen Bundesländern zumindest Ansätze gibt, um das bisherige komplizierte Verfahren für eine Entnahme zu beschleunigen“, sagt er. „Dennoch bin ich nicht zufrieden, denn nach wie vor ist nichts verbindlich.“ Der Landrat kritisiert vor allem, dass es weiter keine verbindliche Rechtsgrundlage für eine Entnahme gibt. Im Görlitzer Landratsamt geht man zwar davon aus, dass der gesamte Landkreis als „Gebiet mit erhöhtem Rissaufkommen“ eingestuft wird, aber welche eigenen Handlungsspielräume der Kreis habe, gehe aus den bisherigen Informationen nicht hervor.

Landrat enttäuscht von Neuregelung

„Wir wissen zum Beispiel nicht, ob wir für eine Entscheidung über eine Entnahme nach wie vor das Einvernehmen aus dem zuständigen Umweltministerium brauchen“, erklärt Meyer. Um schnell agieren zu können, könne man auch nicht erst anfangen, um Territorien zu diskutieren oder Schutzmaßnahmen von Tierhaltern auf den Zentimeter genau zu kontrollieren. Wie praktikabel die neue Regelung ist, müsse sich also erst einmal zeigen, so Meyer weiter. Zumindest wolle die Kreisverwaltung sich jetzt mit der Jägerschaft abstimmen, um im Falle einer Entnahme-Entscheidung schnell reagieren zu können. „Wir können bei einer Frist von 21 Tagen nach dem Schadensfall nicht erst lange nach einem Jäger suchen, der das übernimmt.“

Stephan Meyer selbst bleibt bei seiner seit längerem geäußerten Forderung, dass der Schutzstatus des Wolfs herabgesetzt werden müsse. „Die Population wächst stetig. Es muss möglich sein, Wölfe auch unabhängig von Schadensfällen nach bestimmten Kriterien bejagen zu können“, ist er überzeugt.

In Gebieten wie der Oberlausitz mit einer stetig wachsenden Wolfsdichte sei den Menschen der strenge Artenschutz nicht mehr zu vermitteln, so der Landrat. Wenn die Staatsregierung Anfang April zu ihrer Kabinettssitzung nach Zittau kommt, wolle er das Thema ansprechen, kündigt Meyer an. „Es geht inzwischen auch um das Tierwohl“, sagt er. „Dass Schafe aus Angst vor dem Wolf nicht mehr auf die Weide kommen und nur noch im Stall stehen, kann ja nicht die Lösung sein.“

Kritik am Beschluss der „Wolfs-Länder“ zu vereinfachten Abschuss-Regeln kommt aber auch von anderer Seite: Trotz rechtlicher Erleichterungen dürfe nicht vorschnell entschieden werden, fordert der Naturschutzbund (Nabu) Sachsen. „Nach wie vor ist jeder Wolf streng geschützt!“, heißt es in einer Pressemitteilung. Der Nabu Sachsen plädiert dafür, die Sondergebiete, in denen die Abschüsse unter erleichterten Bedingungen erfolgen dürfen, zu befristen und das gesamte Verfahren wissenschaftlich zu begleiten und auszuwerten – damit nicht zu oft „der falsche Wolf“ erschossen werde.