Görlitz. Die junge Frau schaut ein bisschen ungläubig drein. "Das fragen Sie doch nicht etwa jetzt im Ernst?", kontert sie auf die Frage, warum sie an der City-Center Tankstelle in Zgorzelec steht. Katrin, so heißt die Dame aus Niesky, mehr will sie zu ihrem Namen nicht sagen, arbeitet in Görlitz. In der Mittagspause tankt sie am Mittwoch jenseits der Grenze, gleich hinter der Görlitzer Stadtbrücke. 1,75 Euro pro Liter Diesel bezahlt sie hier. Das ist für polnische Verhältnisse zwar relativ teuer. Aber in Görlitz sind es zur selben Zeit um die 2,31 Euro.
Der krasse Unterschied zwischen den Spritpreisen, er ist nicht nur an der deutsch-polnischen Grenze zu spüren. Denn auch die Tschechen haben offensichtlich ihre Liebe zum Tanken bei den polnischen Nachbarn entdeckt. Mit fatalen Folgen: Autofahrer im Dreiländereck berichten der SZ, dass sie in den vergangenen Tagen immer wieder Tankstellen in Polen mit leeren Tanks vorfanden. Entwarnung allerdings an der Neiße: Hier sind die Tanks offenbar voll. Gerade als Katrin aus Niesky ihren kleinen Dieselflitzer befüllt, fährt ein Tanklastzug vor. Nachschub für die deutschen Tanktouristen. Die kommen inzwischen längst nicht mehr nur aus dem Landkreis. Hoyerswerda, Niesky, Bautzen, Zittau und natürlich Görlitz - in Zgorzelec gibt sich die Oberlausitz ein Stelldichein.
Volltanken und dann noch die erlaubten 20 Liter im Kanister mitnehmen - das ist an Zgorzelecer Tankstellen kein Problem, mit einer Ausnahme. Shell, die Tankstelle an der Straße gen Breslau, verbannt die Kanister-Tanker. Entsprechende Schilder sind an den einzelnen Tanksäulen angebracht, auf Polnisch und Deutsch. Warum ausgerechnet Shell? Die junge Frau hinterm Tresen kann das jedenfalls nicht erklären. Wahrscheinlich hängt es aber damit zusammen, dass der Konzern unter anderem kein Rohöl, keine Mineralölprodukte aus Russland mehr beziehen will. Das hatte Shell am Dienstag verkündet. Das Unternehmen protestiert auf diese Weise gegen den Krieg, schließt zudem alle Tankstellen in Russland.
Für Tankstellen in Deutschland ist die Lage prekär
So oder so: Für deutsche Tankstellen ist die Lage prekär. "Die Situation ist nach wie vor eine Katastrophe", sagt Hans-Joachim Rühlemann, Vorsitzender des Verbandes des Garagen- und Tankstellengewerbes Nord-Ost. Der Verband vertritt rund 300 Tankstellen im Osten der Republik. Der Verband hatte sich mit der Bitte um Unterstützung bereits vor dem Ukrainekrieg an die Bundesregierung, die Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen gewandt. Hintergrund waren damals die Preissenkungen beim Sprit in Polen, nachdem die Regierung dort wegen der steigenden Inflation Steuersenkungen auf den Weg gebracht hatte.
Aber der Appell des Verbandes hat wohl nicht viel gebracht. "Seitens der Bundesregierung gab es nur schöne Worte", sagt Hans-Joachim Rühlemann. Auch aus Sachsen sei nicht viel gekommen. "Sozusagen ein warmer Handschlag, mehr nicht", so der Verbandsvorsitzende.
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Auf die Forderungen, Zuschüsse für Tankstellenbetreiber in der Grenzregion, Steuersenkungen, sei niemand eingegangen. "Den Kollegen im Grenzgebiet zu Polen muss aber sofort geholfen werden", fordert Hans-Joachim Rühlemann. Er erwartet, dass die Spritpreise in Deutschland weiter steigen. "Wir sehen die 2,50 Euro schon kommen", sagt er. Hans-Joachim Rühlemann betreibt selbst eine Tankstelle in Berlin. Diesel und Super kosteten bei ihm am Mittwoch 2,28 Euro.
Handwerkskammer fordert Steuersenkungen bei Treibstoffen
Inzwischen schließt sich auch die Handwerkskammer Dresden den Forderungen des Tankstellenverbandes an. "Die Benzin- und Dieselpreise erreichen täglich neue Rekordwerte - dadurch kämpfen 120.000 Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Ostsachsens Handwerk nach zwei Jahren Pandemie mit einer neuen finanziellen Belastung. Um die Betriebe zu stärken, fordern wir umgehend eine spürbare Steuersenkung für Treibstoffe", lässt Präsident Jörg Dittrich am Mittwoch wissen.
Die Preisexplosionen haben nicht nur schon heute direkte Auswirkungen auf das Tagesgeschäft vieler Handwerksbetriebe, sondern werden sich in den nächsten Wochen auch auf regionale und überregionale Lieferketten auswirken. "Daher gilt es, jetzt zu handeln", so Jörg Dittrich.
An Zgorzelecer Tankstellen läuft das Geschäft derweil, auch Dank Kunden wie Katrin aus Niesky. "Als Pendler muss man sehen, wo man bleibt. So leid es mir für die Tankstellen in Deutschland tut." Katrin zuckt mit den Schultern und geht zum Bezahlen.