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Nach Diebstahlserie: Deutscher Direktor des British Museum tritt zurück

An einer der wichtigsten Kultureinrichtungen Großbritanniens sind etliche Kunstschätze verschwunden. Nach und nach werden neue Details bekannt. Nun zieht Direktor Fischer die Konsequenzen.

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Der deutsche Direktor des British Museums in London, Hartwig Fischer, hat wegen der Diebstahlsserie seinen Posten aufgegeben.
Der deutsche Direktor des British Museums in London, Hartwig Fischer, hat wegen der Diebstahlsserie seinen Posten aufgegeben. © Benedict Johnson/British Museum/dpa (Archiv)

London. Der Direktor des British Museum, Hartwig Fischer, tritt angesichts der kürzlich an die Öffentlichkeit gekommenen Diebstahlserie mit sofortiger Wirkung zurück. Das teilte die Londoner Institution am Freitag mit. Der Deutsche wollte eigentlich erst im kommenden Jahr seinen Posten abgeben.

Innerhalb der letzten Tage habe er im Detail die Ereignisse rund um die Diebstähle am British Museum und deren Untersuchung geprüft, teilte er in der Stellungnahme mit. Es sei offensichtlich, dass das Museum auf die Warnungen im Jahr 2021 und auf das Problem, das nun vollständig zu Tage getreten sei, nicht so umfassend reagiert habe wie es nötig gewesen wäre. "Die Verantwortung für dieses Versagen muss letztlich beim Direktor liegen", sagte Fischer laut Mitteilung.

Das British Museum hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass mehrere Objekte gestohlen oder beschädigt worden seien. Unter anderem gehe es um Goldschmuck, Juwelen aus Halbedelsteinen und Glas. Die Gegenstände stammen den Angaben nach teilweise aus dem 15. Jahrhundert vor Christus bis zum 19. Jahrhundert nach Christus.

Im Verdacht steht ein früherer Mitarbeiter, der im Zusammenhang mit den Vorfällen entlassen wurde und gegen den rechtliche Schritte eingeleitet wurden. Medienberichten zufolge sollen deutlich mehr als 1.000 Objekte über einen Zeitraum von mehreren Jahren gestohlen worden sein. Zudem soll es schon 2021 Hinweise gegeben haben - etwa, dass Objekte aus dem Museum auf einer Online-Auktionsplattform zum Verkauf angeboten wurden. Die Hinweise seien jedoch ignoriert worden.

Nicht erstes wichtiges Museum unter Fischers Leitung

Die Institution in London gehört zu den wichtigsten Museen der Welt. Es beherbergt einige der bedeutendsten Kulturschätze der Menschheit. Dazu gehören ein erheblicher Teil der Parthenon-Skulpturen, der Stein von Rosetta und ägyptische Mumien.

Fischer hatte vor seinem Posten in London bedeutende deutsche Museen geleitet. Er war von 2006 an Direktor des Museums Folkwang in Essen. Im Jahr 2012 wurde er Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Dann wurde er nach London berufen. Ende Juli gab er bekannt, den Posten im Jahr 2024 abzugeben.

Wie der "Telegraph" schrieb am Dienstag, ist es "zunehmend wahrscheinlich", dass das Museum nie wissen werde, was genau gestohlen wurde. Es gebe "Lücken im Inventar". Beschäftigte seien schockiert über das Ausmaß. Die Zeitung berichtete, der Druck auf Museumschef Hartwig Fischer steige, zurückzutreten. Der Deutsche hatte zuletzt seinen Abschied für 2024 angekündigt - bevor der Diebstahl publik wurde.

Stück im Wert von 50.000 Pfund für 40 Pfund bei Ebay

Nach Angaben des Museums handelt es sich bei den vermissten Gegenständen um kleine Stücke wie Goldschmuck, Juwelen aus Halbedelsteinen und Glas aus dem 15. Jahrhundert vor Christus bis zum 19. Jahrhundert nach Christus. Die Objekte seien in einem Lagerraum aufbewahrt und vorrangig für Forschungszwecke aufbewahrt worden.

Nach Recherchen des "Telegraph" hätte der Diebstahl schon deutlich früher auffliegen müssen. Ein Antiquitätenexperte habe das Museum bereits vor drei Jahren informiert, dass Gegenstände aus der Sammlung auf Ebay verkauft würden. Darunter war demnach ein römisches Objekt mit einem Schätzwert von bis zu 50.000 Pfund (58.570 Euro), das für 40 Pfund auf der Plattform angeboten worden sei. Das Museum wollte sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äußern.

Das British Museum gilt als eines der wichtigsten Museen weltweit. Es beherbergt einige der bedeutendsten Kulturschätze der Menschheit. Dazu gehören ein erheblicher Teil der Parthenon-Skulpturen, der Stein von Rosetta und ägyptische Mumien.

Kritik an Sicherheitsvorkehrungen

Direktor Hartwig Fischer, der erste Deutsche an der Spitze des British Museum, beteuert: "Das ist ein höchst ungewöhnlicher Vorfall." Er spreche im Namen aller Kollegen, wenn er sage, dass sie den Schutz der Gegenstände sehr ernst nähmen. Seit Bekanntwerden des Falls steht allerdings die Frage im Raum, wie gut manche Objekte geschützt sind. Manche sprechen von einem peinlichen Fall.

Es ist fraglich, ob je3 das ganze Ausmaß der Diebstähle im British Museum aufgeklärt werden.
Es ist fraglich, ob je3 das ganze Ausmaß der Diebstähle im British Museum aufgeklärt werden. © Yui Mok/PA Wire/dpa

Der Jurist Christopher Marinello, der sich etwa mit der Wiederbeschaffung von Raubkunst beschäftigt, sagte der Nachrichtenagentur PA: "Es reicht nicht, Kameras an den Wänden zu haben. Man muss seine Mitarbeiter ordentlich überprüfen." Es müsse auch die Pflicht geben, genau zu erfassen, wann jemand anfange, ein Objekt zu untersuchen, und wann er dann wieder aufhöre.

Dass bisher keine Bilder veröffentlicht wurden und keine detaillierte Liste, lässt manche spekulieren, ob das Ausmaß vielleicht noch nicht klar ist, oder ob die Polizei einen Einsatz plant oder andere ermittlungstaktische Gründe hat.

Wie reagieren deutsche Museen auf den Londoner Fall?

Die Vorkommnisse werden auch in deutschen Ausstellungshäusern beobachtet. Beim Deutschen Museumsbund sollen sie in einem Arbeitskreis besprochen werden, wie Remigiusz Plath vom Arbeitskreis Gebäudemanagement und Sicherheit sagte.

Plath, auch bei der Hasso Plattner Foundation in Potsdam für Sicherheitsfragen zuständig, empfiehlt, auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in gehobenen Positionen beim Zugang zu Kunstwerken zu reglementieren. "Das bedeutet konkret, dass diese Personen nie alleine ins Depot gehen und immer begleitet werden müssen von Leuten, die nicht dieselbe Position haben, sondern aus einem ganz anderen Bereich kommen." Es müsse ein Vier- oder Sechs-Augen-Prinzip geben.

Eine Rolle spielt auch die Größe der Museen. "Häuser wie das Britische Museum, die eine riesige Sammlung haben, die haben natürlich die Herausforderung, dass die meisten Artefakte und Kunstwerke sowieso nicht ausgestellt werden", sagte Plath der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Die Depots sind Hunderte Male größer als die Zahl der ausgestellten Stücke. Da hat niemand einen täglichen Überblick."

Griechenland spricht von "ernstem Vorfall"

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die in Berlin die Museumsinsel verwaltet, will sich den Londoner Fall ebenfalls ansehen. Mit der "Taskforce Risikomanagement" werde der Fall jetzt ausgewertet und das Prozedere der Risikominimierung gegebenenfalls angepasst, teilte ein Sprecher mit. Aus den vergangenen Jahrzehnten sei dort kein Fall von Objektdiebstahl durch Mitarbeiter bekannt.

25.11.2019: Zwei Mitarbeiter der Spurensicherung stehen vor dem Dresdner Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe, wo eingebrochen worden war.
25.11.2019: Zwei Mitarbeiter der Spurensicherung stehen vor dem Dresdner Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe, wo eingebrochen worden war. ©  Sebastian Kahnert/dpa (Archiv)

Tatsächlich wird eher selten berichtet, dass Gegenstände aus Museen verschwinden. In Deutschland machten zuletzt vor allem zwei Einbrüche Schlagzeilen - der Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden und der Raub einer Goldmünze im Berliner Bode-Museum. Die Nachrichtenagentur PA listete einige Fälle am British Museum aus der Geschichte auf. Darunter war ein Cartier-Diamantring - angeblich 750.000 Pfund wert.

Die griechische Kulturministerin Lina Mendoni äußerte sich besorgt über den rätselhaften Fall in London. Es sei ein "äußerst trauriger und ernster Vorfall", betonte sie. Athen verfolge die Angelegenheit "sehr genau". Griechenland dürfte auch deswegen auf die Ereignisse schauen, weil im British Museum ein erheblicher Teil der Parthenon-Skulpturen ausgestellt wird.

Athen fordert seit Jahrzehnten die Rückgabe sämtlicher Friesteile. Das Museum lehnt ab. Ein Argument ist, dass Objekte, die im Museum ausgestellt werden, sicher seien. (dpa)