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Massive Probleme bei Flüchtlingsaufnahme in Sachsen

43.709 Geflüchtete sind in Sachsen registriert. Für die Kommunen sorgt das für extrem hohe Belastungen. Dresden will die Aufnahme nun stoppen. Sachsens Ausländerbeauftragter kritisiert die überbordende Bürokratie.

Von Sandro Pohl-Rahrisch & Gunnar Saft
 5 Min.
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Die Koordinierung der Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine stellt Behörden vor Herausforderungen
Die Koordinierung der Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine stellt Behörden vor Herausforderungen © Robert Michael/dpa (Archiv)

Die Unterbringung und Integration von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sorgt in Sachsen zunehmend für Probleme. Die Landeshauptstadt Dresden kündigte jetzt an, ab dem 16. Mai die Registrierung von Kriegsflüchtlingen einzustellen. Neuankömmlinge aus dem Kriegsgebiet müssen dann in die Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates ausweichen.

Für die betroffenen Kriegsflüchtlinge bedeutet das eine zusätzliche Verzögerung, da sie nur über eine Registrierung in einer Kommune Zugang zu einer eigenen Wohnung erhalten oder der Schulbesuch organisiert werden kann. In den Erstaufnahmeeinrichtungen sind zurzeit bereits 2.679 Ukraine-Flüchtlinge untergebracht. Dazu kommen 2.643 Asylbewerber. Insgesamt verfügen alle Erstaufnahmeeinrichtungen zusammen über 8.903 Plätze. "Wir arbeiten daran, so viele Flüchtlinge wie möglich, so bald wie möglich von dort auf die Kommunen zu verteilen", erklärt der Sprecher der Landesdirektion, Holm Felber. Seinen Angaben nach wurden bisher 43.709 Ukraine-Flüchtlinge im Freistaat registriert. Dazu kommt eine nicht bekannte Zahl von unregistrierten Geflüchteten im Land.

Für Sachsens Kommunen sorgt das für extrem hohe Belastungen. So melden auch Landkreise wie Görlitz, Bautzen oder Mittelsachsen massive Probleme. Die Landeshauptstadt zieht nun als erste die Notbremse. Laut Felber gibt es bisher aber keine Ankündigung weiterer Städte oder Landkreise, auch Aufnahmestopps zu verhängen.

Dresdens Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) sagte, man habe bereits mehr als 2.000 Menschen zusätzlich aufgenommen, als es das Flüchtlingsaufnahmegesetz für ihre Stadt vorsieht.

So seien mit Stand vom Mittwoch mehr als 7.400 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Dresden gemeldet. Hinzu gekommen seien in den letzten Wochen zudem Tausende sogenannte Transit-Flüchtlinge, also Ukrainer, die in Dresden nur einen Zwischenstopp einlegten und für ein oder zwei Nächte eine Bleibe suchten. In der Summe betreue die Stadt derzeit über 10.000 Flüchtlinge. Hinzu kämen die regulären Aufgaben des Sozialamtes, etwa für mittellose Dresdner. "Dies alles stellt die Stadtverwaltung nicht nur vor große Herausforderungen, sondern bringt uns an die Grenzen unserer Kapazitäten."

Städtische Unterkunft nur noch für ein oder zwei Nächte

Um die Lage in den Griff zu bekommen, stellt die Stadt ab dem 16. Mai die Registrierung und die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen ein. Das heißt, dass Dresden ihnen auch keine dauerhaften Unterkünfte mehr zur Verfügung stellen wird. Vorübergehend, wie es aus dem Rathaus heißt. Die Regelung solle so lange bestehen bleiben, bis wieder so viele Geflüchtete der Stadt zugewiesen werden, wie es rechtlich einmal festgelegt wurde. "Registrierungsanfragen, die ab dem 16. Mai eingehen, verweist die Ausländerbehörde konsequent an die sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen auf die Stauffenbergallee." Dies sei so mit der zuständigen Landesdirektion abgestimmt. "Wir kehren damit zum regulären Zuweisungsverfahren zurück", so Kaufmann.

Grundsätzlich abgewiesen werden sollen Ukrainer aber nicht, die neu in Dresden ankommen. Wer am Abend oder in der Nacht ankommt, werde weiterhin durch die Bahnhofsmission am Hauptbahnhof Dresden und die Stadt versorgt. Die sogenannten Transitunterkünfte bleiben bestehen. "Zu dieser humanitären Verpflichtung stehen wir ohne Wenn und Aber", so Kaufmann weiter. Wer jedoch nach dem 15. Mai mehr als nur über Nacht in Sachsen bleiben möchte, müsse sich an die Erstaufnahmeeinrichtungen wenden. Das Land verteilt die Menschen dann auf die sächsischen Landkreise beziehungsweise die Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz.

Ukrainer müssen Geld alle zwei Monate neu beantragen

Um das Warte-Problem vorm Sozialamt zu lösen, hat die Behörde kurzfristig 70 zusätzliche Stellen erhalten. Dort bilden sich fast täglich lange Schlangen. Die ersten neuen Mitarbeiter sollen Ende Mai/Anfang Juni eingestellt werden. Gleichzeitig würden 36 Mitarbeiter des Jobcenters im Sozialamt aushelfen. Aus anderen Ämtern sollen noch im Mai 26 weitere Mitarbeiter abkommandiert werden.

Wie kommt es zu den Warteschlangen? Die mehr als 7.400 Kriegsflüchtlinge haben laut Kaufmann alle mindestens einmal Geld bekommen. Das Gesetz sehe aber vor, dass nach spätestens zwei Monaten eine erneute Vorstellung im Sozialamt erforderlich ist. Das Sozialamt vergebe Termine, auch außerhalb der Sprechzeiten. Neben der Auszahlung würden aber auch viele Menschen kommen, um Krankenbehandlungsscheine abzuholen oder über Mietangebote und Mietzahlungen zu sprechen. Kaufmann: "Die Betreuung der Geflüchteten ist immer individuell, denn fast jeder Fall ist anders gelagert. Dies erfordert Zeit und entsprechende personelle Kapazitäten."

Man dürfe allerdings nicht vergessen, dass nicht nur das Sozialamt mit den Folgen des Ukraine-Krieges beschäftigt ist, fügt Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hinzu. Auch die Ausländerbehörde, das Jugendamt, das Gesundheitsamt, das Schulamt und der Kita-Eigenbetrieb seien stark gebunden. "Und durch die vergangenen zwei Jahre Pandemie sind in vielen Ämtern Aufgaben im Sinne der Prioritätensetzung liegengeblieben. Die Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung sind unter den schwierigen Rahmenbedingungen extrem engagiert."

Verzögerungen bei Zuschuss-Auszahlung an Vermieter

Ein weiteres Problem: Viele private Vermieter warten derzeit immer noch auf Zuschüsse. Dasselbe gilt für Dresdner, die privat Ukrainer bei sich aufgenommen haben. Sie sollten eine Gastfreundschaftspauschale erhalten. Die Anträge würden derzeit auch bearbeitet, so Kaufmann. Aufgrund der hohen Fallzahlen könne es aber Verzögerungen geben. "Wir bitten die Vermieter um etwas Geduld und darum keine Mahnverfahren einzuleiten. Mit Ausstellung der Angemessenheitsbescheinigung wird die Zusage erteilt, dass die laufenden Mietkosten im Zuge der Leistungsberechnung als Bedarf anerkannt werden." Somit bestehe für Vermieter die Sicherheit, dass sie im Fall des Leistungsbezugs ihrer Mieter die laufenden Mietkosten sowie die Kaution von ihren Mietern bzw. von der Behörde bezahlt bekommen.

Mackenroth kritisiert überbordende Bürokratie

Bisher seien rund 1.000 Anträge auf die Auszahlung der sogenannten Gastfreundschaftspauschale an private Unterkünfte eingegangen. Diese würden ebenfalls bearbeitet, die ersten Auszahlungen seien schon erfolgt.

Kritik an der schleppenden Versorgung der Kriegsflüchtlinge kommt von Sachsens Ausländerbeauftragtem. Geert Mackenroth warnt in dem Zusammenhang besonders vor überbordender Bürokratie. "Wir haben eine Ausnahmesituation und die erfordert eine klare Organisation und zügiges Verwaltungshandeln auf allen Ebenen."