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Flüchtlinge: Bei Helfern wächst der Frust

In der Ukraine-Krise ist die Hilfsbereitschaft groß. Viele nehmen Geflüchtete bei sich auf - auch in Beiersdorf. Der Bürgermeister sagt, warum sich inzwischen Unmut breitmacht.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Rund 3.000 Flüchtlinge sind auch im Kreis Görlitz angekommen. Viele von ihnen sind bei Privaten untergekommen. Doch wie geht es weiter?
Rund 3.000 Flüchtlinge sind auch im Kreis Görlitz angekommen. Viele von ihnen sind bei Privaten untergekommen. Doch wie geht es weiter? © Christoph Soeder/dpa

Wenn's drauf ankommt, hält man zusammen - so ist das auf dem Dorf. Auch in Beiersdorf. Und so hatten sich, als der Krieg in der Ukraine losbrach und die ersten Hilfskonvois sich auf den Weg machten, auch die Ehrenamtlichen von der örtlichen Feuerwehr zu einer spontanen Hilfsaktion entschlossen. An einem Donnerstag Mitte März wurden Hilfsgüter und Spenden gesammelt, Freitagabend ging es auf die 700 Kilometer lange Tour in Richtung ukrainische Grenze.

"Sehr beeindruckt haben uns die vielen Hilfstransporte, die aus allen möglichen Ländern Europas über Nacht auf der Autobahn unterwegs waren", berichten die Kameraden.

Kollegen einer ukrainischen Feuerwehr holten die Spenden an der Grenze ab. "Die Dankbarkeit, die uns entgegengebracht wurde, lässt sich in Worten nicht ausdrücken. Wir geben den Dank gerne an alle Spender weiter."

Die ersten Schwierigkeiten tauchten auf, als die Beiersdorfer Kameraden Flüchtlinge mit zurück nach Deutschland nehmen wollten. "Wir wollten Leute mitnehmen, die auch hier bei uns auf dem Land bleiben und nicht in größere Städte weiterreisen wollen", erzählt Bürgermeister Hagen Kettmann (parteilos). Die Verständigung mit den Menschen vor Ort war aber schwierig.

Zudem stellte sich heraus, dass es gar nicht möglich ist, einfach Flüchtlinge mitzunehmen. Sie müssen bei der Ausreise registriert werden. Mit Übersetzungs-Apps, Dolmetschern und geringen Sprachkenntnissen kämpften sich die Beiersdorfer durch. Mehrere Familien - Frauen mit Kindern und einem kleinen Hund - konnten sie schließlich die Mitfahrt nach Beiersdorf ermöglichen. 21 Flüchtlinge werden nun hier betreut - bis heute.

Langes warten auf die Registrierung

Nach der Rückkehr begannen die eigentlichen Probleme. Wohin mit den geflüchteten Menschen? "Wir haben sie erst einmal beim Motorradklub untergebracht", erzählt Bürgermeister Kettmann. Er ist nicht nur ehrenamtlicher Ortschef, sondern auch Wehrleiter und beim Motorradverein "Red Knights" aktiv. Die Biker haben ein Domizil im Ort, den Tannenhof. Dort wurden die Flüchtlinge erst einmal von den Vereinsmitgliedern versorgt.

"Aber bis heute haben wir sie nicht offiziell anmelden können, bekommen also auch keine finanzielle Unterstützung vom Landkreis oder einer anderen Stelle für die Versorgung der Menschen", beklagt der Bürgermeister. Die Ausländerbehörde beim Landkreis sei überlastet. Über einen Monat schon werden die Menschen von Freiwilligen beherbergt und versorgt - auf deren Kosten. Familien aus Beiersdorf und Oppach haben sie bei sich aufgenommen. Eine Mutter mit achtjährigen Zwillingen lebt noch immer im Tannenhof. "Das kann ja nicht ewig so weitergehen", sagt Kettmann.

Er verweist unter anderem auf die enorm gestiegenen Energiepreise. "Das müssen die freiwilligen Helfer alles selbst tragen", sagt er. Demgegenüber zahle der Landkreis für Flüchtlinge, die offiziell angemeldet und von behördlicher Seite in Unterkünfte zugeteilt wurden. "Eine Anmeldung "unserer" Flüchtlinge war aber bisher nicht möglich", so Kettmann.

Kommen die Flüchtlinge hier an, wird eine Voranmeldung an den Landkreis übermittelt. Diese Listen arbeitet der Landkreis dann ab und lädt die Flüchtlinge zur offiziellen Anmeldung zur Ausländerbehörde ein, kennt Hagen Kettmann das Prozedere. "Wir müssen also abwarten bis wir an der Reihe sind. Wir warten aber nun schon seit dem 10. März." An der Registrierung bei der Ausländerbehörde hängt auch für die Geflüchteten vieles. Zum Beispiel könnten die Kinder erst in die Schule gehen, wenn sie angemeldet seien, schildert der Beiersdorfer Bürgermeister. Sie würden zwar inzwischen ein bisschen Deutsch lernen. "Aber es wäre doch besser, wenn sie noch mehr vermittelt bekommen würden." Und durch die Schule vor allem Beschäftigung hätten.

Landkreis stockt beim Personal auf

Beim Landkreis ist man sich des Problems bewusst. Bei einer Pressekonferenz räumte Landrat Bernd Lange (CDU) nun ein, dass die Verfahren tatsächlich sehr stocken würden. Er sieht darin auch ein Zeichen dafür, dass die Aufgabenteilung zwischen Bund, Land und Kommunen noch nicht recht funktioniere. Der Landkreis brauche mehr Kapazitäten für die Registrierung der Flüchtlinge.

Laut Daten der Kreisverwaltung leben über private Initiativen etwa 3.000 Flüchtlinge aus der Ukraine im Landkreis Görlitz in Privatunterkünften - so wie in Beiersdorf. Von diesen Menschen sind aber erst rund 600 registriert worden. Lediglich vier Mitarbeiter der Ausländerbehörde waren bislang mit der Registrierung beschäftigt.

Inzwischen sei ein Zwei-Schicht-System eingeführt und die Mitarbeiter für die Registrierung auf acht erhöht worden, so Landrat Lange. Große Städte wie Köln arbeiten nach Medienberichten bereits seit Wochen im Drei-Schicht-System, um die Flüchtlinge schnell zu registrieren.

Aber selbst der höhere Personaleinsatz wird das Problem nicht gleich beheben können. Denn es gebe nach Angaben des Landrates nur ein Gerät, einen Zugang, zur Registrierung. Ein zweiter sei gleich in der ersten Woche nach dem Beginn des Krieges bestellt, aber bislang noch nicht geliefert worden.

Finanzierungsproblem nicht gelöst

Damit der Frust nicht noch größer wird, schließt der Landkreis mit interessierten Städten nun Vereinbarungen ab. Das kündigte die Behörde in der Vorwoche an. Demnach sind nun Abschlagszahlungen an ukrainische Flüchtlinge möglich. So können Kommunen Flüchtlinge erst mal mit den wichtigsten Daten aufnehmen und Geld an sie ausgeben, heißt es vom Landkreis.

Das helfe bei dem eigentlichen Problem aber überhaupt nicht weiter, sagt der Beiersdorfer Bürgermeister. "Das Geld ist für die Flüchtlinge gedacht. Wir sollen es den Menschen auszahlen." Von 200 Euro pro Kopf spricht Kettmann. Die Freiwilligen, die Flüchtlinge bei sich beherbergen und auch versorgen, würden davon nichts bekommen. Der Frust bei den Helfern ist inzwischen groß. "Wenn sich hier nichts bewegt, wird die Hilfsbereitschaft nachlassen", ist sich Hagen Kettmann sicher.