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Der künstliche Riecher aus Sachsen

Das Freitaler Unternehmen Smart Nanotubes Technologies stellt erstmals Detektoren her, die gefährliche Gerüche früh erkennen. Für Minister Dulig ein gelungenes Beispiel der EU-Förderung, die weitergeht.

Von Georg Moeritz
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Firmengründer Viktor Bezugly und Prokuristin Birte Sönnichsen zeigen den Geruchs-Detektor, den sie in ihrem Freitaler Betrieb Smart Nanotubes Technologies GmbH entwickelt haben.
Firmengründer Viktor Bezugly und Prokuristin Birte Sönnichsen zeigen den Geruchs-Detektor, den sie in ihrem Freitaler Betrieb Smart Nanotubes Technologies GmbH entwickelt haben. © Jürgen Lösel

Freital. Sehen und hören, das kann jedes Smartphone. Aber lässt sich auch das Riechen einer Maschine beibringen? Der Physiker Viktor Bezugly und die Biologin Birte Sönnichsen haben in ihrem Freitaler Unternehmen Smart Nanotubes Technologies GmbH die ersten Schritte geschafft.

Mit ihrer Technik sollen sich künftig gefährliche Gase in Fabriken aufspüren lassen – und nicht nur das: Der künstliche Riecher aus Sachsen könnte eine Überhitzung in einem Rechenzentrum rechtzeitig erschnüffeln, noch bevor ein Brand entsteht und vom Rauchmelder entdeckt werden kann.

Geschäftsführer Bezugly betont, das die Schnüffeltechnologie noch am Anfang stehe, wie Kameratechnik im 19. Jahrhundert. Doch auf Faltblättern für mögliche Kunden haben die Freitaler schon eine Fülle von Anwendungen aufgeschrieben: Die Medizintechnik könnte menschliche Gerüche nutzen, um Risiken bei pflegebedürftigen Menschen früh zu erkennen. Reinigungsfirmen könnten per Detektor erkennen, wann ein Fitnessraum oder eine öffentliche Toilette an der Reihe sind – das könnte auch unnötige Reinigung verhindern.

Riech-Chips sollen kleiner werden - fürs Smartphone

Das elfköpfige Unternehmen hat erste Testgeräte in Umlauf gebracht und produziert im Technologie- und Gründerzentrum Freital die halbleitenden Kohlenstoffnanoröhrchen für die künstlichen Riecher. Ein Tintenstrahldrucker beschichtet das Material, auch mit Goldpartikeln.

Fürs Smartphone seien seine Chips noch zu groß, sagt Bezugly, doch an der Verkleinerung arbeite er. In fünf Jahren könne das Unternehmen womöglich 100 Millionen Euro Umsatz erreichen.

Um seine Technologie zu entwickeln und Mitarbeiter einzustellen, hat Smart Nanotubes Technologies mehrmals Fördergeld vom Staat bekommen. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) besuchte den Betrieb am Donnerstag als Beispiel für gelungene Subventionen aus der EU-Kasse.

Jens Woytkowiak beschichtet das Material für die riechenden Nanoröhrchen per Tintenstrahldruck im Technologie- und Gründerzentrum Freital.
Jens Woytkowiak beschichtet das Material für die riechenden Nanoröhrchen per Tintenstrahldruck im Technologie- und Gründerzentrum Freital. © Jürgen Lösel

Patent von der TU Dresden mit Fördergeld erworben

Vor zwei Jahren wurde die GmbH gegründet, vorher bekamen die Forscher jedoch schon Geld für „Technologietransfer“ aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Damit konnte Bezugly der Technischen Universität Dresden, an der er vorher gearbeitet hatte, das Patent abkaufen. Auch eine Investitionszulage und Zuschüsse fürs Marketing zur Markteinführung gab es.

Minister Dulig betonte, ohne EU-Fördergeld wäre Sachsen „nicht das erfolgreiche Bundesland, das es heute ist“. Er hob Mikroelektronik und Wasserstoff-Wirtschaft hervor. Sachsen habe fast 15 Milliarden Euro in den Jahren 1991 bis 2000 aus Europäischen Strukturfonds erhalten.

Nun beginnt die nächste siebenjährige EU-Förderperiode. Sie beginnt mit Verspätung, nach Brexit, Corona-Pandemie und langen Verhandlungen in Brüssel. Sachsen bekommt bis 2027 aus der EU-Kasse 2,5 Milliarden Euro, nach 2,8 Milliarden in der vorigen Siebenjahresperiode. Dass es noch einmal so viel wird, hatte Dulig nach eigenen Angaben lange Zeit nicht erwartet. Zusätzlich bekomme Sachsen 645 Millionen aus dem Just Transition Fund, der in den Kohleregionen für eine „leistungsfähige und innovative“ Wirtschaft sorgen soll.

Förderung aus ESF und Efre soll unbürokratischer werden

Referatsleiter Leopold Maier aus der Brüsseler Generaldirektion Regionalpolitik sagte in Freital, eine der größten Aufgaben sei nun der Übergang zu einer grünen und nachhaltigen Wirtschaft. In Deutschland werde die EU nicht Straßenbau fördern. Vor allem kleinere Firmen als Rückgrat der deutschen Wirtschaft bekämen Hilfe.

Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (Efre) konzentriere sich auf die weniger entwickelten Regionen – gleichzeitig sollten aber die stärker entwickelten Regionen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Die EU hat auch eine milliardenschwere Förderung der Mikrochipbranche angekündigt, aber noch nicht beschlossen.

Maier versicherte, die Förderung werde unbürokratischer. Teilweise könne mit Pauschalen statt Belegen abgerechnet werden. Brüssel hat am Dienstag das ESF-Geld für Sachsen genehmigt, laut Dulig wurde vorab schon in einigen Richtlinien mit der Umsetzung begonnen. Das Efre-Geld, der größere Anteil mit 1,95 Milliarden Euro, stehe kurz vor der Genehmigung.

Dulig räumte ein, dass zwischen den beiden Förderperioden in manchen Programmen „Lücken“ entstanden seien, wenn Geld aufgebraucht war. Sachsens Wirtschaft hatte mehr Technologieförderung gefordert. Markus Schlimbach, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Sachsen, forderte, dass die Ausschreibungen nun schnell starten. Keine Region in der EU dürfe abgehängt werden.