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Aufbau der Windenergie stockt in Sachsen

Der Ökostrom-Ausbau kommt in Sachsen kaum noch voran. Aber neue Regeln sind in Sicht. Was die Energiewende bremst und was sie antreibt.

Von Georg Moeritz
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Dieses Jahr sind in Sachsen nur drei Windkraft-Anlagen gebaut worden - aber fünf wurden stillgelegt. Verbände und Politiker wollen das ändern.
Dieses Jahr sind in Sachsen nur drei Windkraft-Anlagen gebaut worden - aber fünf wurden stillgelegt. Verbände und Politiker wollen das ändern. ©  Patrick Pleul/dpa

Dresden. Während der Ausstieg aus Kernkraft und Kohleverstromung näherrückt, kommt der Aufbau der Öko-Energien in Sachsen kaum voran. Der Landesvorsitzende des BUND Sachsen, Felix Ekardt, befürchtet, dass Sachsen im kommenden Jahr „weniger Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt als bislang“.

Dabei wird der Stromverbrauch wohl künftig steigen: Mehr Elektroautos, Heizen mit Strom und die Produktion von Wasserstoff könnten den Verbrauch in den nächsten zehn Jahren um 30 Prozent erhöhen, schreibt die Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien (VEE) in Dresden. So lasse sich der Klimawandel nicht aufhalten.

Die VEE fordert vom Land ein Sofortprogramm, um den „faktischen Ausbaustopp“ zu beenden. Sachsens Landesregierung aber hat sich noch nicht auf ein neues Energie- und Klimaprogramm geeinigt, und bei Neubauprojekten für Windkraft gibt es häufig Gegenwind. Sachsen sei „Schlusslicht beim Ausbau der Windenergie“, sagt Martin Maslaton, Vorsitzender im Landesverband Sachsen des Bundesverbandes Windenergie.

Wie viele Windenergie-Anlagen stehen jetzt in Sachsen?

Nach jüngster Rechnung des Döbelner Energieexperten Hans-Jürgen Schlegel sind 896 Windkraft-Anlagen in Sachsen in Betrieb. Darunter seien 58 große mit einer Leistung von drei Megawatt oder mehr. Zum Vergleich: In Brandenburg laufen rund 3.900, Spitzenreiter ist Niedersachsen mit rund 6.400. In diesem Jahr seien nur drei neue Windenergie-Anlagen in Sachsen ans Stromnetz angeschlossen worden, sagte Schlegel bei einer Tagung der Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien (VEE) in Dresden. Fünf ältere Anlagen wurden im Jahr 2020 stillgelegt.

Wie viele neue Anlagen sind auf absehbare Zeit geplant?

Sachsens Koalitionsvertrag für diese Wahlperiode nennt zwar keine Anlagen-Zahl, aber doch ein Ausbauziel für Windkraft: In vier Jahren sollen so viele Windkraftanlagen in Sachsen stehen, dass damit mehr als zwei Terawattstunden Strom pro Jahr zusätzlich erzeugt werden können. Laut Energieminister Wolfram Günther (Grüne) sind dafür 200 bis 250 Anlagen nötig. Ihre Leistung hängt stark von der Höhe ab.

Warum werden manche Windkraftanlagen abgerissen?

Nach 20 Jahren Betrieb endet die Subvention jeder Anlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Je nach Zustand des Generators lohnt sich der Betrieb dann nicht mehr, sagen die Besitzer. Kosten fallen für Wartung und Reparaturen an. Für Strom von der Anlage zahlen die Stadtwerke nur rund drei bis fünf Cent pro Kilowattstunde, auch wenn sie ihn für rund 30 Cent einschließlich staatlicher Abgaben an der Steckdose weiterverkaufen.

Wie lassen sich die bestehenden Anlagen erhalten?

Zum neuen Jahr tritt eine Novelle des EEG in Kraft. Kurz vor Weihnachten hat der Bundesrat zugestimmt. VEE-Vorsitzender Wolfgang Daniels sagt, damit könnten Besitzer alter Windkraftanlagen zunächst noch einen Cent mehr als den üblichen Marktpreis pro Kilowattstunde einnehmen. Vorrang hat allerdings der Ersatz alter durch leistungsfähigere neue Anlagen, in der Branche Repowering genannt.

Welche Fortschritte gibt es noch für die Windenergie?

Klare Vorgaben sollen verhindern, dass bei Neubauvorhaben langwierige Streitigkeiten um Details geführt werden. Daniels hofft beispielsweise auf einen angekündigten Artenschutzleitfaden, damit nicht bei jedem Projekt wegen einzelner Vögel eine Grundsatzdiskussion losbricht. Energieminister Wolfram Günther (Grüne) verspricht „echte Bürgerbeteiligung“. Windkraft-Investoren dürfen Kommunen künftig 0,2 Cent pro Kilowattstunde anbieten. Das macht laut Daniels bis zu 30.000 Euro pro Jahr aus. Die Sächsische Energieagentur Saena soll eine Akzeptanz- und Servicestelle für Fragen zur Windkraft einrichten.

Steht der Abstand zwischen Windmühlen und Häusern fest?

Auf den ersten Blick schon. Der Bund hat in diesem Jahr vorgegeben, dass neue Windenergie-Anlagen mindestens 1.000 Meter Abstand zur nächsten Siedlung haben sollen. Das soll Klarheit schaffen und manche Streitfälle von vornherein verhindern. doch auch über einen Kilometer lässt sich freilich noch diskutieren: Die VEE schlägt vor, bei „Splittersiedlungen“ und bei Zustimmung der Kommune auch geringere Abstände zu erlauben, zum Beispiel 750 Meter.

Sachsens Minister für Regionalentwicklung, Thomas Schmidt (CDU), möchte umgekehrt den Kommunen ein Vetorecht einräumen, wenn Anlagen höher als 100 Meter sind. CDU-Minister Schmidt ist für die Landesplanung zuständig, der Grünen-Minister Günther für die Energiewende.

Was schlagen die Lobbyisten der Branche vor?

Die VEE hat Anfang Dezember Forderungen als „Sächsische Energiewendestrategie 2020“ ans Energieministerium des Wolfram Günther (Grüne) übergeben. VEE-Vorsitzender Wolfgang Daniels, ehemaliger Grünen-Bundestagsabgeordneter, hofft vor allem auf eine Beschleunigung der staatlichen Planung. „Mit Verfahrensdauern von drei bis fünf Jahren bei der Regionalplanung wird man nichts erreichen“, sagte er. In Sachsen legen die regionalen Planungsverbände fest, wo noch Platz für Windkraft-Anlagen ist - sie berücksichtigen dabei zum Beispiel Naturschutzgebiete und Bebauung.

In dem VEE-Papier wird beispielsweise gefordert, Solaranlagen zur Pflicht auf allen neuen Schulen und auf Neubauten im Sozialen Wohnungsbau zu machen. Geschädigte Waldflächen müssten für Windkraftanlagen infrage kommen, findet der Verband. Grünen-Minister Günther jedoch hat erst vor wenigen Tagen auf Nachfrage erneut darauf verwiesen, dass Windkraft im Wald laut Koalitionsvertrag ausgeschlossen ist.

Wo werden derzeit Weichen für die Energiewende gestellt?

Die EEG-Novelle bringt Erleichterungen für manche Besitzer von Solaranlagen: Sie müssen keine EEG-Umlage mehr auf Eigenverbrauch bis zu 30.000 Kilowattstunden bezahlen. Bisher lag die Grenze bei 10.000 Kilowattstunden. Diese Veränderung lobt bispielsweise der Bauernverband. Landwirte bekämen damit mehr Möglichkeiten, Energie aus eigenen Solaranlagen zu nutzen.

Minister Günther urteilt allerdings, die Novelle bringe „uns nur in wenigen Punkten weiter“. Sachsens Wunsch sei immerhin erfüllt, dass neuartige Solaranlagen auf Seen und Äckern in großem Stil getestet werden können.

Das neue Sächsische Energie- und Klimaprogramm sollte laut Koalitionsvertrag dieses Jahr in Kraft treten, doch es gab keine Einigung der Koalitionspartner. Verbänden wurde der Entwurf allerdings vorgestellt. Der BUND Sachsen hält den Entwurf nicht für ausreichend.

Der Braunkohleverband Debriv hält es für überflüssig, dass Sachsen eigene Klimaziele festlegt, nennt aber die „Bergbaufolgelandschaften“ als gute Standorte für Erneuerbare Energien. Wo bis höchstens 2038 noch Braunkohle abgebaggert wird, könnten künftig zum Beispiel Windkraftanlagen stehen - und Anlagen, die mit überschüssigen Strom Wasserstoff als Energiespeicher herstellen.