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Energiekrise: Kein Böhmisch-Bier mehr in Großerkmannsdorf

Ab März fließt kein Böhmisch-Bier mehr aus dem Zapfhahn in Müllers Gasthof in Großerkmannsdorf. Wie der Gastronom die Energiekrise trotzdem bewältigt.

Von Siri Rokosch
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Thomas Müller in einem der Gästezimmer im Müllers Gasthof in Großerkmannsdorf.
Thomas Müller in einem der Gästezimmer im Müllers Gasthof in Großerkmannsdorf. © Marion Doering

Großerkmannsdorf. Seit etwa 130 Jahren gibt es den Familienbetrieb "Müllers Gasthof" an der alten Hauptstraße in Großerkmannsdorf. Seit 1991 wird auch das Böhmisch-Bier aus Großröhrsdorf frisch vom Fass gezapft, doch die Energiekrise beendet diese Tradition. Das stimmt den Gasthaus-Inhaber Thomas Müller traurig.

Unter dem Druck der steigenden Kosten will die kleine Brauerei in Großröhrsdorf nach über 130 Jahren den Betrieb einstellen. "Die hören leider auf, weil sich die hohen Energiepreise nicht mehr rechnen. Alle Mitarbeiter sind gekündigt worden und wenn nicht der Ritter auf dem weißen Pferde käme, würde es dabei bleiben, dass die Brauerei ab Februar zu macht", sagt Thomas Müller von Müllers Gasthof.

Nun suche er nach einer neuen Biersorte für sein Restaurant mit rund 40 Sitzplätzen im Innenbereich und einem gemütlichen Biergarten. Vielleicht werde er tschechisches Bier ins Programm aufnehmen, doch das sei noch nicht entschieden, sagt Müller. Aus den drei Zapfhähnen fließe derzeit Radeberger, Felsenkeller und das Böhmisch-Bier, welches beim überwiegenden Teil der Kunden immer gut ankäme.

Fotovoltaik gegen die Preisexplosion beim Strom

Durch die Kriese käme der Gasthof noch ganz gut, denn eine Gas- oder Stromerhöhung sei noch nicht angekommen. "Vielleicht liegt es daran, dass ich einen recht neuen Vertrag habe, der im Januar 2022 begann und zwei Jahre Preisbindung hat", sagt Müller.

Vorsorglich habe er im September die Südwestseite des Gasthofes mit einer Fotovoltaikanlage ausstatten lassen, die in den nächsten Tagen in Betrieb genommen werden kann. Nach seinen Berechnungen wird diese aber nur rund 60 Prozent des Strombedarfs decken.

Auf dem Dach des mehr als 130 Jahre alten Gasthofs ist aktuell eine Fotovoltaikanlage angebracht worden. Sie soll beim Energie-Sparen helfen.
Auf dem Dach des mehr als 130 Jahre alten Gasthofs ist aktuell eine Fotovoltaikanlage angebracht worden. Sie soll beim Energie-Sparen helfen. © Marion Doering

"Früher gab es im Gasthaus zwei Öfen und die Gaststube war mit einer Wand in zwei Räume geteilt, sodass die Öfen beide Gaststuben gut beheizen konnten. Doch jetzt würde der eine Ofen nicht ausreichen", sagt Müller. Außerdem könnten die Heizkörper nicht vollständig abgestellt werden, da sonst im Winter was Wasser einfriere.

Familiengericht muss ohne Bio-Gänse auskommen

Ab dem 11. November soll wieder die traditionelle Martinsgans mit Rotkohl, Klößen oder Rosenkohl auf der Speisekarte stehen - nach altem Familienrezept. Was das Gericht kosten wird, sei derzeit noch nicht kalkulierbar, sagt Müller, denn: "Die Großhandelspreise stehen noch nicht fest. Bio-Gänse anzubieten, wäre völlig unrealistisch und auch Freilandgänse sind viel zu teuer."

Müller erklärt: "Für eine polnische oder ungarische Gans zahle ich pro Kilo rund fünf Euro, für eine Freilandgans pro Kilo mindestens 10 Euro und eine Bio-Gans kostet mich im Ganzen etwa 150 Euro. Welcher Gast würde das bezahlen?"

Die Gaststube bietet rund 40 Menschen Platz. Im November wird die Martinsgans wieder serviert.
Die Gaststube bietet rund 40 Menschen Platz. Im November wird die Martinsgans wieder serviert. © Marion Doering

Auch gäbe es ab und zu Engpässe bei den Großhändlern, erzählt der Gastronom. So seien die Abgabemengen für Mehl, Öl und Senf derzeit beschränkt. Öl hätte zeitweise das fünffache gekostet wie vor Corona. Doch Thomas Müller bleibt Optimist, schließlich habe sein Urgroßvater auch den Ersten Weltkrieg und die hohe Inflation überstanden.

"Wie er das machte, frage ich mich heute noch. Er musste ja drei Mal täglich die Preise anheben", denkt Müller laut nach. Danach habe der Gasthof die Weltwirtschaftskrise überstanden, die DDR-Zeit wurde trotz Mangelwirtschaft gemeistert, und deshalb werde er auch diese Krise überstanden.

Der Gasthof als Mitgift bei der Heirat

"Wenn du meine Tochter Lina heiratest, dann kaufe ich euch den Gasthof", so heißt es in der Überlieferung der alten Geschichte des Gasthofes. 1891 sei aber neben der Mitgift auch Liebe im Spiel gewesen, als die Urgroßeltern von Thomas Müller vor den Traualtar traten. Sie kannten sich bereits seit der Schulzeit.

Max und Lina Müller eröffneten im zarten Alter von 23 Jahren den Gasthof Großerkmannsdorf. Relativ zeitnah wurde der aber bereits umbenannt und erhielt seinen jetzigen Namen. 1927/1928 wurde dann gemeinsam mit dem Turn- und Sportverein die Mehrzweckhalle in Großerkmannsdorf gebaut, welche heute frisch saniert, immer noch betrieben wird.

Müllers Gasthof ist dort seit vielen Jahren Caterer für Veranstaltungen des Karnevalsclubs Großerkmannsdorf - auch in der kommenden Faschingssaison. Thomas Müller übernahm ab 1997 schrittweise die Geschäftsführung des Gasthofs von seinen Eltern.

Vier Personen stemmen den Betrieb im Gasthof

Zehn Zimmer bietet der Gasthof Urlaubern an, darunter befinden sich zwei Familienzimmer und ein Einbettzimmer. Die Preise inklusive Frühstück belaufen sich pro Nacht auf 72 bis 120 Euro. Vor allem im Sommer seien die Zimmer ausgebucht. Die Urlauber locke die Nähe zu Dresden, Bautzen, zur Oberlausitz, zur Sächsischen Schweiz und dem Karswald, sagt der Gastronom.

Die vorwiegend regionalen Speisen nach alten Familienrezepten, wie Sülze mit Bratkartoffeln, Essig und Öl oder Remoulade oder Soljanka mit Sauerrahm und Zitrone, sowie vegetarische Gerichte, werden den Gästen wochentags zwischen16.30 Uhr und 21 Uhr angeboten. An den Wochenenden hätte das Gasthaus von 11.30 Uhr bis 14 Uhr, am Sonnabend, sowie abends von 17 Uhr bis 22 Uhr geöffnet, und am Sonntag nur zur Mittagszeit zwischen 11.30 Uhr und 14.30 Uhr. Mittwochs sei Ruhetag.

An den Weihnachtstagen sei der erste Feiertag bereits ausgebucht, am 26. Dezember stünden aber noch ein paar Plätze zum Feiern zur Verfügung, sagt Müller. Während der Weihnachtszeit würde die Speisekarte komplett umgestellt werden und viele Wild- und Geflügelgerichte hinzugefügt.

Zudem plant Thomas Müller, seine Aktion "Kunst trifft Land" wieder ins Leben zu rufen. Dabei lädt er Künstler ein, die im Gastraum zum Beispiel musizieren oder Geschichten erzählen oder lesen.

Er selbst und seine drei Mitarbeiter bewirtschaften Müllers Gasthof allein. Frau Müller ist einen anderen beruflichen Weg gegangen. Für den Servicebereich suche der Inhaber noch Mitarbeiter, derzeit vor allem "Zimmermädchen", die sich um das Frühstück und die Pflege der Gästezimmer kümmern.