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Wie die neue Gasumlage der sächsischen Firma VNG nützt

VNG in Leipzig ist das umsatzstärkste Unternehmen in Ostdeutschland. Doch wegen der Erdgaskrise hat es sich einen Notfallkredit gesichert und sich um Geld aus der Gasumlage beworben.

Von Georg Moeritz
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In Leipzig steht die Zentrale der VNG AG, eines großen Erdgas-Importunternehmens. Der sächsische Konzern bekommt Geld aus der neuen Gasumlage.
In Leipzig steht die Zentrale der VNG AG, eines großen Erdgas-Importunternehmens. Der sächsische Konzern bekommt Geld aus der neuen Gasumlage. © VNG AG

Leipzig. Wenn zum Oktober die Gaspreise in Deutschland kräftig steigen, dann liegt das zum Teil an der neuen Gasumlage in Höhe von 2,4 Cent pro Kilowattstunde. Dieses Geld kommt voraussichtlich elf Unternehmen zugute, die Erdgas importieren und wegen der gestiegenen Einkaufspreise Milliarden-Mehrkosten geltend gemacht haben. Eines dieser Unternehmen sitzt in Sachsen: die VNG AG in Leipzig mit fast 1.500 Mitarbeitern. Die Abkürzung stand früher für Verbundnetz Gas AG, denn das Handels-Unternehmen betreibt auch ein großes Leitungsnetz und Erdgasspeicher.

Ein Konzernsprecher in Leipzig teilte auf Nachfrage von Sächsische.de mit, das Tochterunternehmen VNG H&V habe fristgemäß seine Erdgasmengen gemeldet, die „von einer Liefereinkürzung durch Russland betroffen sind“. Dafür müsse das Unternehmen zu wesentlich höheren Kosten Ersatz auf dem Gasmarkt beschaffen.

Zur Menge und zu den Preisen wollte sich der Sprecher zwar nicht äußern. Doch der Hauptbesitzer von VNG zeigt sich auskunftsfreudiger. Das ist die EnBW Energie Baden-Württemberg AG. Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung beziffert ihr Finanzvorstand Thomas Kusterer die Kosten für Gas-Ersatzbeschaffung auf 550 Millionen Euro in der ersten Hälfte dieses Jahres. Die Umlage von den Gasverbrauchern soll nicht die gesamten Mehraufwendungen der Importeure abdecken, sondern 90 Prozent davon.

Hauptbesitzer von VNG meldet steigende Gewinne

Die VNG bezog voriges Jahr fast 70 Prozent ihres Erdgases aus Russland. 20 Prozent des Erdgases waren über feste Verträge mit russischen Lieferanten gesichert. Der Vorstandsvorsitzende Ulf Heitmüller sagte bei der Jahresbilanz im Frühjahr, der russische Anteil beim Einkauf über Energiebörsen liege bei weiteren rund 50 Prozent.

Bisher lohnte sich der Erdgashandel für das ostdeutsche Unternehmen. Von den 18,5 Milliarden Euro Umsatz im vorigen Jahr blieben 225 Millionen Euro als Gewinn vor Steuern übrig. Doch im April teilte VNG mit, sicherheitshalber sei sein Kreditrahmen um eine Milliarde Euro erhöht worden. Dieses Geld könne der Konzern zusätzlich bei der staatlichen Förderbank KfW und über seinen Hauptaktionär EnBW leihen, falls „extreme Marktszenarien“ einträfen. Es sei aber nicht vorgesehen, diese zusätzliche Kreditlinie in Anspruch zu nehmen. Bisher sei das auch nicht nötig geworden, teile VNG auf Nachfrage mit. 660 Millionen Euro Kredit kann VNG notfalls bis April nächsten Jahres abrufen.

Die neue Gasumlage, die alle Gasverbraucher ab Oktober bezahlen müssen, soll 34 Milliarden Euro bis April 2024 einbringen. Mehr als die Hälfte davon bekommt der größte Erdgasimporteur Uniper. Etwa 25 Prozent gehen an Sefe (vormals Gazprom Germania) sowie deren Hauptvertragspartner Wingas und VNG. Die genaue Verteilung ist nicht bekannt. Insgesamt zwölf Unternehmen stehen auf einer Liste mit Berechtigten für die Gasumlage, davon hat RWE als einziger öffentlich auf das Geld verzichtet.

Dresden und Hoyerswerda sind an VNG beteiligt

VNG gehört zu mehr als 74 Prozent der EnBW mit Sitz in Karlsruhe, die nicht als Not leidend gilt. EnBW wurde nach eigenen Angaben durch seine Beteiligung an der VNG "zum drittgrößten Anbieter im deutschen Gasmarkt". Es ist ein staatliches Unternehmen: Seine Anteile sind im Besitz des Landes Baden-Württemberg und vieler Kommunen dort. Der Umsatz von EnBW stieg im ersten Halbjahr vor allem dank gestiegener Energiepreise kräftig auf 27 Milliarden Euro, der Gewinn vor Steuern und Zinsen auf 770 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor standen noch Verluste in der Bilanz. Laut Handelsblatt sagte EnBW-Chef Frank Mastiaux, das Risiko durch VNG für sein Unternehmen sei zwar "nicht klein, aber auch nicht existenziell".

Doch die VNG in Leipzig hat auch sächsische Mitbesitzer, die kein Interesse an Verlusten des Gashandels haben können: Kleinere Anteile von VNG gehören kommunalen ostdeutschen Energieversorgern - darunter denen in Dresden, Leipzig, Chemnitz, Hoyerswerda und Annaberg-Buchholz. Solange VNG Gewinne machte, kam das Geld also nicht nur schwäbischen Gemeinden zugute, sondern auch sächsischen. Im Aufsichtsrat der Leipziger Aktiengesellschaft sitzen auch Energie-Experten aus Ostsachsen: Sachsen-Energie-Chef Frank Brinkmann, Energie-Professor Antonio Hurtado von der Technischen Universität Dresden sowie Gunda Röstel, Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden.

Die ostdeutschen Stadtwerke beziehen in der Regel Gas von der VNG: Früher hatten sie jahrelang laufende Abnahmeverträge, inzwischen kaufen sie Gas auch über die Börse von anderen Händlern. VNG ist auch zu rund einem Viertel an der Mitteldeutschen Gasversorgung Mitgas beteiligt, die Erdgas direkt an Kunden zum Beispiel in Westsachsen verkauft. Der größere Teil der Mitgas-Anteile gehört der Envia-M in Chemnitz. VNG versichert auf seiner Internetseite, die Bundesregierung in ihren Anstrengungen zur Stabilisierung des Marktes zu unterstützen: "Wir stellen uns unserer Verantwortung als Händler, als Versorger und als Betreiber kritischer Infrastrukturen."